Die blaue Grenze

Till Franzen, Antoine Monot jr., Hanna Schygulla: Einsamkeit kennt viele Namen

Foto: NDR / discofilm
Foto Rainer Tittelbach

Fünf Grenzgänger zwischen Deutschland und Dänemark. Fünf Geschichten, fünf Facetten einer Stimmung: Einsamkeit. Es ist eine herzergreifende Geschichte, die Jungregisseur Till Franzen aus dem Geiste seiner Heimat Schleswig-Holstein heraus erzählt. Ein Film, der die Magie nicht nur sucht, sondern sie auch findet. Ein Film als ästhetisches Gesamtkunstwerk: ein ätherisches kleines Meisterwerk. „Die blaue Grenze“ – ideal für die blaue Stunde!

„Manchmal schauen wir in einen Spiegel und sehen einen Toten hinter unserem eigenen Spiegelbild“, rezitiert Hanna Schygulla im Vorspann von „Die blaue Grenze“. Das klingt esoterischer als der Film von Till Franzen ist. Momme scheint die ganze Zeit in jenen Spiegel zu schauen. Wie in Trance treibt er durch die wie von Geisterhand getriebene Handlung, die Sinne vernebelt vom Tod des Vaters und von der schönen Lene, der Liebe seines Lebens.

Es ist eine herzergreifende Geschichte, die der Jungregisseur aus dem Geiste seiner Heimat Schleswig-Holstein heraus erzählt. Meerumschlungen das Land, beseelt von seltsamen Mächten die Menschen. Einer, der ganz anders scheint als der schüchterne junge Mann, ist Kommissar Poulsen, ein Halbdäne, der in Flensburg lebt und wie der deutsche Michel wirkt. Alles will er besonders gut machen. Die Folge: abends sitzt er in seiner Designer-Wohnung und starrt die Wand an, macht bei Ex-Knackis auf gut Freund und dicke Hose und als ihn seine Kontakt suchende Nachbarin küsst, ergreift er die Flucht. Einsamkeit hat viele Namen.

Die blaue GrenzeFoto: NDR / discofilm
Von der schönen Dänin (Beate Bille) träumt der Held in „Die blaue Grenze“. Und der Zuschauer verliebt sich in die Bilder.

Fünf Facetten einer Stimmung. Beate Bille und Antoine Monot Jr. geben der Hoffnung ein Gesicht. Jost Siedhoff als Mommes Großvater spielt die Einsamkeit mit der Miene der Vergeblichkeit, Hanna Schygulla mit der Möglichkeit, dass doch noch etwas kommen mag, und Dominique Horwitz als egozentrischer Polizist hat von all dem keinen Schimmer, blaue Grenzen sind ihm fremd. Grenzgänger sind sie alle. So auch der Filmemacher Till Franzen. In Dänemark hatte er einmal eine große Liebe. Die Rückkehr nach Deutschland ließ sie unerfüllt bleiben. Doch für was gibt es Filme? „Ein Film muss etwas aus dem Innern des Regisseurs herausholen“, so Franzen, „und man muss seine inneren Grenzen weiter und weiter überschreiten.“ Man könne aber auch zurückgehen in seiner Biografie. Franzen: „Ich wollte jenen kindlichen Blick, der überall Geheimnisse und magische Momente wittert, zurückholen.“

So etwas sieht man hierzulande selten. Ein Film, der die Magie nicht nur sucht, sondern sie auch findet. Ein Film als Gesamtkunstwerk, das nicht nur wundersam schön erzählt ist, sondern auch in seinen Bann zieht. Kamera und Bildgestaltung (Manuel Mack), Montage (Sebastian Schultz) und Musik (Enis Rotthoff) ergeben einen Fluss, der alle Sinne zu betören scheint, dass man eine klassische Geschichte bald gar nicht mehr vermisst. Ein Regisseur, der sich als Künstler versteht und nicht langweilt, das ist besonders selten. „Die blaue Grenze“ ist ein Debütfilm mit einer stilistischen Perfektion und einer ästhetischen Kraft, wie man sie sich auch von dritten, vierten Filmen eines Regisseurs wünschen würde. Vielleicht ist ein lauer Sommerabend nicht der richtige Zeitpunkt, die nächtliche Stunde aber ist der ideale Rahmen für dieses ätherische kleine Meisterwerk. (Text-Stand: 21.7.2008)

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Kinofilm

Arte, NDR

Mit Antoine Monot jr., Beate Bille, Dominique Horwitz, Hanna Schygulla, Uwe Rohde

Kamera: Manuel Mack

Schnitt: Sebastian Schultz, Till Franzen

Produktionsfirma: discofilm

Drehbuch: Till Franzen

Regie: Till Franzen

EA: 21.07.2008 20:15 Uhr | ARD

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