Agnes ist eine erfolgreiche Wissenschaftlerin. Den Ehemann, ein Krimiautor, der sich in erster Linie um den Haushalt und die Tochter kümmert, hat sie ein wenig aus den Augen verloren. Als sie für die verreisten Freunde von Freunden ihrer Schwester die Blumen gießen soll, macht sich Agnes aus der fremden Wohnung ihr kleines Refugium, in das sie sich immer öfter zurückzieht. Nachdem Agnes eines Tages im fremden Schlafzimmer eingeschlafen ist, wird sie von einem Mann überrascht. Der legt sich zu ihr und die beiden schlafen miteinander. Es ist Bruno, dessen tragische Geschichte sie sich über Briefe und AB-Nachrichten bereits zusammengereimt hat: seine Frau hatte eine Affäre, ist ihrem Liebhaber nachgereist und tödlich verunglückt. Die unzufriedene Frau und der krisengebeutelte Mann treffen ein sexuelles Arrangement. Bis Bruno Agnes als seine Frau ausgibt und bei ihr Zuhause auftaucht.
„Die Besucherin“ erzählt von einem Gegenentwurf zum bisherigen Lebensplan. Die fremde Wohnung weckt in der Heldin das Bedürfnis, aus ihrem Leben auszubrechen. „Es geht mir weniger darum, Agnes rational begreifen zu können, als vielmehr die Entstehung dieses Gefühls mitzuerleben, das einem keine Chance lässt, sich dagegen zu wehren“, betont die Filmemacherin Lola Randl. Der Film entwirft Möglichkeiten, die der Philosophie des Kinos entspringen und nicht dem auf Wahrscheinlichkeit basierenden Realismus des Fernsehens. So gewissenhaft, wie Agnes ihren Job macht, so kontrolliert gibt sie sich dem Kontrollverlust hin. Und so halbherzig die schroffe Heldin ihren „Ausbruch“ lebt, so leidenschaftslos ist auch die Geschichte erzählt. Die blutarme Figur bestimmt die Tonlage des Films. Der Handlung mit Lust und Neugier zu folgen, ist von daher – trotz Theaterschauspieler wie Samuel Finzi, die vorzüglich die physischen und die seelischen Räume bespielen – nicht immer leicht.