Selbstredend muss es auch Filme geben, die die DDR als Unrechtsstaat anprangern. Aber es ist natürlich viel unterhaltsamer, wenn ein Regime lächerlich gemacht wird. Um das System geht es in der temporeichen und mitreißend musikalisierten Breakdance-Komödie „Dessau Dancers“ jedoch erst in zweiter Linie. Im Mittelpunkt steht eine Bewegung, die 1985 auch im Osten durch das Filmmusical „Beat Street“ ausgelöst worden ist: Hinterhöfe werden zur Bronx, weil sich Jugendliche scharenweise auf ausgebreiteten Pappkartons als Breakdancer probieren. Prompt wittert die Staatssicherheit in dem „Schütteltanz“ die Keimzelle einer Rebellion. In Dessau haben die Repräsentanten des Regimes die Idee, das Phänomen zu vereinnahmen: Breakdance wird kurzerhand zu „akrobatischem Schautanz“. Ein Quartett besonders talentierter Jugendlicher aus Dessau, die Break Beaters, avanciert zu „Helden aus der Heimat“ und darf als staatlich geförderte Tanztruppe durchs ganze Land touren. Am Ende landen die vier sogar in der TV-Show „Ein Kessel Buntes“ und beweisen mit einer unerhörten Aktion, dass sich der Geist des Breakdance nicht vereinnahmen lässt.
Foto: SWR / Steffen Junghans
„Das hippe Gehopse ist ansehnlich inszeniert, selbst wenn der einzige professionelle Breakdancer Sebastian Jaeger unterbelichtet bleibt. Doch der Breakdance mit seiner herausfordernden Selbstdarstellung bekommt in diesem repressiven System eine existenzielle Dimension: Hier ist das Private tatsächlich politisch… Die Charaktere sind zwar eher unterkomplex, doch die Unvereinbarkeit von Individualismus und Kollektiv, Freiheit und Gleichschaltung springt so unmittelbar ins Auge, dass man sich freut, dass dieses eine Mal ein deutscher Film so unangestrengt und leichtfüßig ins Schwarze trifft.“ (Birgit Roschy: epd film)
TV-Regisseur Jan Martin Scharf, der vor „Club der roten Bänder“ und „Weinberg“ viel für RTL drehte („Alarm für Cobra 11“), findet dank des Drehbuchs von Ruth Toma die perfekte Balance zwischen Musical, Jugenddrama, Komödie und Romanze. Erzähler und somit Hauptfigur ist Frank (Gordon Kämmerer), der die Gruppe gemeinsam mit seinem Freund Alex (Oliver Konietzky) gründet. Star des Films ist aber eindeutig Sonja Gerhardt, und das keineswegs bloß, weil Martina das einzige Mädchen der Runde ist. Natürlich verlieben sich die zwei Jungs in sie, was schließlich zu ersten Auflösungserscheinungen führt, als sich Martina für Frank entscheidet. Den Tanzszenen ist anzusehen, dass die Schauspieler viel Zeit ins Training investiert haben, und die akustische Ebene vermittelt dank diverser Songs aus den Achtzigern sowie einer in gleichem Stil komponierten Filmmusik das passende Zeitgefühl.
Foto: SWR / Steffen Junghans
„Man möchte dem von den jungen Darstellern mit Verve gespielten Film die Klischees und Formelhaftigkeit nicht übel nehmen, man möchte sich freuen am letzten großen Coup der Break Beaters, wenn sie – inzwischen angekommen in der großen Samstagabendshow ‚Ein Kessel Buntes‘ – sich in einem letzten rebellischen Akt die Glitzer-Klamotten vom Leib reißen und so die Abschaltung der Sendung provozieren. Allein: Am Ende überwiegt der Eindruck einer weiteren Ostalgie-Schmonzette.“ (Peter Luley: Spiegel online)
Scharf lässt nie einen Zweifel daran, auf wessen Seite er steht, weshalb der Film die Jugendlichen, für die es authentische Vorbilder gibt, jederzeit ernst nimmt. Umso lustvoller karikiert er die Politiker, allen voran den von Wolfgang Stumph verkörperten Kultursekretär. Natürlich richtet sich „Dessau Dancers“ auch an heutige Jugendliche, aber noch besser funktioniert der Film womöglich bei Zuschauern, die in den Achtzigern jung waren.