Der zweite Blick

Warns, von Borsody, Striebeck, Mendl. Szenen einer Ehe, und die Nordsee ist Zeuge

Foto: NDR
Foto Rainer Tittelbach

Eine erwachsene Liebesgeschichte ohne Verklärung: “Der zweite Blick” von „Leichtgewicht“ Ariane Zeller ist ein stark besetztes Kammerspiel unter freiem Himmel, das mit dem Mut zur Langsamkeit mehr als nur Midlifekrisen bewältigt und allzu großen Banalitäten trotzt.

Szenen einer Ehe. Die Kinder sind aus dem Haus. Der Neuanfang wird geprobt. Die Frau ist guter Dinge, der Mann sucht in der Vergangenheit sein Heil. Er möchte wissen, ob etwas schief gelaufen ist in seinem Leben. Hätte er es anders machen sollen, damals, vor 22 Jahren, bei seiner ersten großen Liebe?! Auf einer Nordseeinsel macht er sich auf die Suche nach ihr und lässt sich von seinen Erinnerungen treiben. Doch er ist Ende 40 – und seine Rückschau kreuzt sich mit der Realität von drei anderen Menschen, deren Lebenswege gefestigter scheinen.

“Der zweite Blick” ist ein Beziehungsdrama um zwei Paare, eine erwachsene Liebesgeschichte ohne Verklärung. Der Film erzählt mehr als die klassische Geschichte von der männlichen Midlife-Crisis. “Zum ersten Mal kann er in Ruhe darüber nachdenken, dass er in jüngeren Jahren vielleicht etwas falsch gemacht hat”, erklärt Darsteller Guntbert Warns das Verhalten seiner Figur. Auch die Vorwürfe der Jugendliebe, jener Paul sei “ein Weichei”, weist Warns zurück: “Ich finde es eher ziemlich mutig, nach zwanzig Jahren wieder aufzutauchen und eine solche späte Liebeserklärung zu machen.” Und Paul ist jung geblieben, ein wenig naiv vielleicht, aber keineswegs bereit, lieb gewonnene Gewohnheiten nicht mehr zu hinterfragen. Suzanne von Borsody erkennt dieses lebendige Das-kann-doch-noch-nicht-alles-gewesen-sein-Muster bei allen der vier Hauptfiguren: “Es sind in der Mitte des Lebens stehende Menschen, die auf den Trichter kommen, dass sie im Kopf gar nicht so viel weiter sind, als sie es mit Zwanzig waren.”

Dieses Kammerspiel in der Weite der Nordsee, die allein vom Herbstnebel ihre Grenzen gesetzt bekommt, besticht durch seine stimmige Inszenierung. Dass Ariane Zeller mit “GZSZ” ihre Karriere begann und auch sonst eher Belanglosigkeiten ihre Filmografie zieren, mag man kaum glauben. Die Regisseurin erzählt mit sparsamen Mitteln und sie nimmt sich Zeit. Dass man dabei die ein oder andere Plot- und Dialog-Unebenheit stärker wahrnimmt, ist das Risiko solcher Filme, die auf laute Konflikte verzichten, aber eben nicht immer gegen die Banalität des Alltäglichen gefeit sind. Um so bemerkenswerter ist dieser Mut zur Langsamkeit, der für eine im Fernsehen ungewöhnliche Konzentration auf das Visuelle sorgt. Die blassen Bilder von Strand und Dünen, sinnliches Pendant für die Suche der Figuren nach sich selbst, wechseln mit kurzen Momenten des Glücks unter klarem, sonnigen Himmel. Die Menschen verschwinden in der Landschaft, spiegeln sich in ihr und ihre Gedanken gehen in ihr auf.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

NDR

Mit Guntbert Warns, Suzanne von Borsody, Catrin Striebeck, Michael Mendl

Kamera: Til Maier

Szenenbild: Regine Freise, Renate Schmaderer

Schnitt: Melanie Werwie

Musik: Ulrich Reuter

Produktionsfirma: AllMedia Pictures

Drehbuch: Niklas Becker, Ariane Zeller, Frank Zeller

Regie: Ariane Zeller

EA: 02.08.2006 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach