Szenen einer Ehe. Die Kinder sind aus dem Haus. Der Neuanfang wird geprobt. Die Frau ist guter Dinge, der Mann sucht in der Vergangenheit sein Heil. Er möchte wissen, ob etwas schief gelaufen ist in seinem Leben. Hätte er es anders machen sollen, damals, vor 22 Jahren, bei seiner ersten großen Liebe?! Auf einer Nordseeinsel macht er sich auf die Suche nach ihr und lässt sich von seinen Erinnerungen treiben. Doch er ist Ende 40 – und seine Rückschau kreuzt sich mit der Realität von drei anderen Menschen, deren Lebenswege gefestigter scheinen.
“Der zweite Blick” ist ein Beziehungsdrama um zwei Paare, eine erwachsene Liebesgeschichte ohne Verklärung. Der Film erzählt mehr als die klassische Geschichte von der männlichen Midlife-Crisis. “Zum ersten Mal kann er in Ruhe darüber nachdenken, dass er in jüngeren Jahren vielleicht etwas falsch gemacht hat”, erklärt Darsteller Guntbert Warns das Verhalten seiner Figur. Auch die Vorwürfe der Jugendliebe, jener Paul sei “ein Weichei”, weist Warns zurück: “Ich finde es eher ziemlich mutig, nach zwanzig Jahren wieder aufzutauchen und eine solche späte Liebeserklärung zu machen.” Und Paul ist jung geblieben, ein wenig naiv vielleicht, aber keineswegs bereit, lieb gewonnene Gewohnheiten nicht mehr zu hinterfragen. Suzanne von Borsody erkennt dieses lebendige Das-kann-doch-noch-nicht-alles-gewesen-sein-Muster bei allen der vier Hauptfiguren: “Es sind in der Mitte des Lebens stehende Menschen, die auf den Trichter kommen, dass sie im Kopf gar nicht so viel weiter sind, als sie es mit Zwanzig waren.”
Dieses Kammerspiel in der Weite der Nordsee, die allein vom Herbstnebel ihre Grenzen gesetzt bekommt, besticht durch seine stimmige Inszenierung. Dass Ariane Zeller mit “GZSZ” ihre Karriere begann und auch sonst eher Belanglosigkeiten ihre Filmografie zieren, mag man kaum glauben. Die Regisseurin erzählt mit sparsamen Mitteln und sie nimmt sich Zeit. Dass man dabei die ein oder andere Plot- und Dialog-Unebenheit stärker wahrnimmt, ist das Risiko solcher Filme, die auf laute Konflikte verzichten, aber eben nicht immer gegen die Banalität des Alltäglichen gefeit sind. Um so bemerkenswerter ist dieser Mut zur Langsamkeit, der für eine im Fernsehen ungewöhnliche Konzentration auf das Visuelle sorgt. Die blassen Bilder von Strand und Dünen, sinnliches Pendant für die Suche der Figuren nach sich selbst, wechseln mit kurzen Momenten des Glücks unter klarem, sonnigen Himmel. Die Menschen verschwinden in der Landschaft, spiegeln sich in ihr und ihre Gedanken gehen in ihr auf.