Der Zürich-Krimi – Borchert und die Spur der Diamanten

Christian Kohlund, Klink, Rott, Ruppert, Connie Walther. Am Ende sind es nur Steine

Foto: Degeto / Tomas Obermaier
Foto Tilmann P. Gangloff

Klassischer geht’s kaum: Nach einer Feier wacht ein Mann im Hotel neben einer weiblichen Leiche auf. Allerdings bettet Rainer Ruppert sein erstes Drehbuch für den „Zürich-Krimi“ (Degeto / Graf, Mia) in einen interessanten Rahmen: Liebesabenteurer Xavier (David Rott) ist Produzent von künstlichen Diamanten. Die sind nicht nur deutlich preiswerter, sondern auch sonst in jeder Hinsicht makellos, weil für ihre Herstellung niemand ausgebeutet worden ist; prompt wird er zum natürlichen Feind der alteingesessenen Edelsteinhändler. Andererseits weiß Anwalt Borchert (Christian Kohlund): „Menschen können entsetzliche Dinge tun, wenn sie verletzt sind.“ Connie Walthers zweite Regiearbeit für die Reihe ist anders als zuletzt optisch nicht weiter aufregend, weshalb der Film vor allem vom Sujet und der personellen Konstellation lebt: Xavier ist ein Ex-Freund von Borcherts Kanzleipartnerin.

Diamanten sind eines Mädchens bester Freund, sang Marilyn Monroe einst im Komödienklassiker „Blondinen bevorzugt“ (1953). Und warum? Die Antwort hat Shirley Bassey in dem James-Bond-Film „Diamantenfieber“ (1971) gegeben: „Diamonds are forever“. Im Gegensatz zur flüchtigen Liebe ist ein Diamant für die Ewigkeit, und darum geht es im neunzehnten „Zürich-Krimi“, der mit einer typischen Thrillerszene beginnt: Nach seinem feuchtfröhlichen Junggesellenabschied wacht ein Mann in einem Hotelzimmer neben einer weiblichen Leiche auf. Die Frau ist erschossen worden, die Pistole liegt neben ihr, also macht er sich umgehend aus dem Staub, weil ihm klar ist: Das sieht nicht gut für ihn aus. Die Frau war eine Geschäftspartnerin, mit der er vor einiger Zeit liiert war und gerade erst wieder eine Affäre hatte; und das wenige Tage vor seiner bevorstehenden Hochzeit. Sämtliche Indizien sprechen gegen ihn; die zurückgelassene Tatwaffe ist seine eigene Pistole.

Diese Konstellation ist reizvoll, zumal Rainer Ruppert in seinem ersten Buch für den „Zürich-Krimi“ von Beginn an keinen Zweifel daran lässt, dass Xavier Schliemann (David Rott) Opfer eines perfiden Komplotts ist. Aber dann setzt der Autor noch eins drauf. Männer wie Xavier nannte man früher Schürzenjäger, doch zu einer besonderen Figur wird der Liebesabenteurer durch seinen Beruf: Er handelt mit synthetischen Diamanten aus eigener Herstellung. Damit hat er sich mächtige Feinde gemacht. Die künstlich hergestellten Steine sind nicht nur wesentlich preiswerter, es klebt auch kein Blut an ihnen, weshalb sich gerade eine sensible junge Käuferschicht sehr dafür interessiert. Möglicherweise will der klassische Handel den Emporkömmling in seine Schranken weisen. Anwalt Borchert (Christian Kohlund) findet zudem heraus, dass zwei der wichtigsten Abnehmer von Schliemanns Ware kürzlich ums Leben gekommen sind, der eine bei einem Überfall, der andere bei einem Verkehrsunfall.

Der Zürich-Krimi – Borchert und die Spur der DiamantenFoto: Degeto / Tomas Obermaier
Mordverdacht: Hat Schliemann (David Rott) Nikol (Jana Podlipná) umgebracht? Ein Fall für Anwalt Borchert

Regie führte wie zuletzt bei „Borchert und der Mord ohne Sühne“ Connie Walther; erneut hat ihre Umsetzung nicht die Dichte der Filme, die Roland Suso Richter für die Reihe gedreht hat. Diesmal ist auch die Bildgestaltung (wieder Birgit Gudjonsdottir) nicht weiter auffällig, weshalb ein Zeitlupenmoment, als jemand belastende Indizien verbrennt, prompt etwas effekthascherisch wirkt. Ein optisches Erlebnis ist allein der Besuch einer Ausstellung der Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist, zumal die Objekte perfekt zum Thema des Films passen: Edelsteine, belehrt eine Juwelierin (Katja Lechthaler) den Anwalt, „sind Emotionen, große Gefühle, Erinnerungen.“ Selbstredend spricht sie dabei von echten Diamanten, auch wenn sie ihren Enthusiasmus später revidiert: „Am Ende sind es nur Steine.“

Fans der Reihe werden in Borcherts Flirtverhalten eine Parallele zum vorletzten Fall, „Borchert und die Sünden der Vergangenheit“ (2023), erkennen. Das Drehbuch bedient sich ohnehin zweier typischer Krimi-Versatzstücke: Ein Hauptverdächtiger scheidet unfreiwillig aus dem Leben, weshalb die Ermittlungen wieder von vorn beginnen, und emotionale Nähe geht selten gut aus. Das gilt diesmal allerdings offenbar vor allem für Kanzleipartnerin Dominique (Ina Paule Klink), denn zu gemeinsamen Studienzeiten war auch sie eine Weile mit Xavier liiert. Dass seine Flucht aus dem Hotelzimmer geradewegs zu ihr führt, weckt Argwohn in ihrem Freund: Kaum haben sich die Anwältin und der Polizeihauptmann (Pierre Kiwitt) wieder versöhnt, stehen sie erneut auf unterschiedlichen Seiten.

Neben den interessanten Ausführungen zum wirtschaftlichen Hintergrund lebt der Film ohnehin stark vom personellen Geflecht, denn da ist ja auch noch Xaviers zukünftige Frau Greta (Nurit Hirschfeld): Käme der Bräutigam ins Gefängnis, wäre sie laut Vertrag die alleinige Besitzerin der gemeinsamen Firma. Ein Alibi hat sie nicht, in der Nähe des Hotels war sie zur fraglichen Zeit auch, sodass Borchert wieder mal eine jener Weisheiten formulieren kann, die allein dank Kohlunds Charisma nicht abgedroschen wirken: „Menschen können entsetzliche Dinge tun, wenn sie verletzt sind.“ Damit gelingt Borchert das Paradoxon, sein Ziel zwar verfehlt, aber trotzdem perfekt ins Schwarze getroffen haben. Den Verdacht gegen Greta verwirft der Anwalt, der mittlerweile eher wie ein Privatdetektiv agiert, trotzdem recht bald wieder: Die Vorstellung, das Imperium der alteingesessenen Diamantenhändler habe zurückgeschlagen, passt viel besser in sein Weltbild. (Text-Stand: 4.10.2023)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Christian Kohlund, Ina Paule Klink, Pierre Kiwitt, David Rott, Nurit Hirschfeld, Katja Lechthaler, Patrick Heyn, Susi Banzhaf, Yves Wüthrich, Robert Hunger-Bühler

Kamera: Birgit Gudjonsdottir

Szenenbild: Detlef Provvedi

Kostüm: Mirjam Muschel

Schnitt: Philipp Brozsek

Musik: Michael Klaukien

Redaktion: Diane Wurzschmitt, Katja Kirchen

Produktionsfirma: Graf Filmproduktion, Mia Film

Produktion: Klaus Graf, Annemarie Pilgram, Michal Pokorny

Drehbuch: Rainer Ruppert

Regie: Connie Walther

Quote: 7,21 Mio. Zuschauer (27,9% MA); Wh. (2025): 4,69 Mio. (23,3% MA)

EA: 31.10.2023 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

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