Seine Werbefilme, beispielsweise die nostalgischen C&A-Spots zu Songs von Mamas & Papas oder Marla Glen, bekamen viele Preise, doch Roman Kuhns erster 90-Minüter, das TV-Movie “Die Schläfer”, erhielt durchweg schlechte Kritiken und auch die Zuschauer wussten nicht allzu viel anzufangen mit jenem Polanski-liken Ästhetik-Feuerwerk. Auch der zweite Langfilm-Streich des schwäbischen Träume-Verkäufers, “Der Voyeur”, besticht durch visuelle Raffinesse und leidet unter der Distanz eines kühlen Blicks.
“In jedem Menschen steckt ein Teufel. Ein Teufel, der genießen will und die Amphore der Sinnlichkeit bis zur Neige auskostet.” Curt Rinneberg, Dressman-like gespielt von 007-Bösewicht Götz Otto, ist diese Lebensmaxime eher fremd. Er ist Geschäftsmann, im berühmten Grand Hotel von Locarno will er einen großen Deal abschliessen. Doch sein Vertragspartner ist auf einmal spurlos verschwunden. Dafür umcirct ihn dessen attraktive Frau, mit lasziven Blicken und erotischen Einblicken. Der Mann, der nur ungern die Kontrolle verliert, steht im Bann dieser Frau. Alpträume plagen ihn. Mehr und mehr sieht er sich in die Rolle des Voyeurs gedrängt. Obwohl er Ungemach ahnt: er muss weiter machen.
Schöne Schocks und erlesene Ausstattung, eine geheimnisvoll-morbide Grundstimmung und die wohl telegensten Blackouts der Fernsehgeschichte – das alles zauberten Roman Kuhn und sein Kameramann Axel Sand für den Pro-Sieben-Erotikthriller. Objekt der Begierde für den Zuschauer ist aber vor allem auch Claudia Mehnert, ein Model, das in “Der Voyeur” die Bild gewordene “Versuchung Frau” spielt. Bindung zum Geschehen aber vermögen Kuhns Bilder nicht aufzubauen: Kalt wie das Spiel aus Nähe und Distanz, aus weiblichem Exhibitionismus und männlichem Voyeurismus lassen einen auch die Figuren.
Foto: Pro Sieben / Stefano Mussio
Ein einziger Schauplatz. “Eine echte Reagenzglasgeschichte”, so Götz Otto. “Aber für mich war diese Isolation durchaus positiv, weil ich die Atmosphäre des Hotels in meine Rolle verarbeiten konnte.” Das sieht dann so aus wie die Filmgeschichte im Angesicht des Internet-Zeitalters. Etwas Nicolas Roeg (“Wenn die Gondeln Trauer tragen”), etwas Godard, goutierbar gemacht mit Videoclip-Reizen und der Ästhetik des World Wide Web. Am Ende gibt es für den Helden den “Augenblick der Wahrheit” – des Werbers Bild-Maschinchen hält kurz inne und zaubert eine post(modern)feministische Überraschung aus dem Hut.
“Der Voyeur” schließt mit ungleich schwächerer Geschichte dort an, wo “Die Schläfer” aufgehört hat. Was schrieben die Kritik vor genau einem Jahr? “Der Grat zwischen Kunst und Künstlichkeit, Effekt und Affektiertheit ist oft nur ein schmaler.” Oder noch genauer: “Die Körper der Schauspieler werden bloß ausgestellt. Sobald sie sich bewegen, zerstören sie das so kunstvoll gefertigte Bild.” Dem ist nichts hinzuzufügen. (Text-Stand: 26.11.1999)