Die gehobene Stimmung dank des Cello-Gitarren-Duetts zu Beginn ist schnell verflogen: Etwas zu ausgiebig wird der grausame Tod des Yacht-Konstrukteurs Erik Flecker inszeniert. Er will die Batterie im Inneren einer Boje austauschen, doch seine Hand wird von einer Fuchsfalle eingeklemmt. Erik kann sich nicht mehr befreien und muss dank der verkürzten Bojen-Kette jämmerlich ertrinken, als das Wasser bei Flut zurückkehrt. Die Raffinesse dieses Mordplans korrespondiert zwar mit dem Hass, der in der Cuxhavener Familie Flecker und ihrem persönlichen Umfeld gedeiht, dennoch weiden sich Kamera und Regie eine Spur zu lang an Eriks Todeskampf. Mehr Distanz hätte die Aussage auch nicht verfälscht.
Das durch eine Krimihandlung angereicherte Familien-Drama, dazu die Verortung an der Nordsee – diese Kombination in Alexandra Kuis Roman „Blaufeuer“ passte wohl gut ins Beuteschema des ZDF mit seinen in den vergangenen Jahren zahlreichen Küsten- und Deich-Krimis. Das Gefühl „Hat man schon gesehen“ stellt sich gelegentlich ein, aber das ist angesichts der Krimi-Fülle ohnehin kein Wunder. Die gerne aufs Cello zurückgreifende Musik erzeugt ein wenig Strand-und-Meer-Melancholie, die Kamera fliegt über das glitzernde Watt – man kann schon verstehen, warum (nicht nur) das ZDF gerne im Norden dreht.
Foto: ZDF / Georges Pauly
Autorin Waltraud Ehrhardt und Autor Peter Obrist rücken bei ihrer Roman-Adaption die Figur der Janne ins Zentrum, der Cellospielerin, die einerseits im Mordfall „ermittelt“, was der Polizei gar nicht unrecht zu sein scheint, andererseits auch ihrer persönlichen Herkunfts-Geschichte nachgeht. In einer gut gecasteten Besetzung darf sich Petra Schmidt-Schaller in einer Hauptrolle zeigen, was schon mal ein Pluspunkt des Films ist. Sogar mit dem Cello hantiert sie überzeugend, obwohl sie nach eigener Aussage gar nicht gelernt habe, ein Musikinstrument zu spielen. Janne wurde nach dem Tod ihrer Eltern im Alter von fünf Jahren von der Familie Flecker adoptiert, lebt aber nun in Berlin. Nach der Ermordung des Bruders kehrt sie nach Cuxhaven zurück, und es scheint so, als wisse sie fast nichts von ihrer Familie. Nichts vom Hass zwischen Eriks Frau und ihrer Schwiegermutter. Auch nichts von den Affären ihres Adoptiv-Vaters Paul Flecker, des Patriarchen und Yachtbau-Unternehmers.
Mit Thomas Thieme ist diese Rolle überzeugend besetzt, allerdings ist er über weite Strecken ans Bett gefesselt, weil Paul Flecker auf der Beerdigung seines Sohnes einen Schlaganfall erleidet. Noch stärker prägt Corinna Kirchhoff diesen Film. Mit ihrem strengen Gesicht und der kühl zur Schau getragenen Blasiertheit ist sie die perfekte Besetzung für die betrogene Reeders-Tochter und Unternehmergattin. Max von Thun als zweiter Sohn Meinhard komplettiert die Familie. In diesem komplexen Beziehungsgeflecht liegt dank einer konzentrierten Inszenierung und guter Dialoge die Stärke des Films. Es gibt keine nach moralischen Maßstäben gemessenen, einfachen Antworten, sondern es bleiben offene Fragen, etwa: Wieso hat Viktoria die Untreue ihres Mannes so lange ertragen? Warum hängt Janne trotz all der Lügen derart an dieser Familie?
Allerdings ist vieles dann doch konventioneller Krimi: Nach und nach werden die Verdächtigen in Stellung gebracht, das wirkt zunehmend kurios, weil beinahe jede und jeder, der mal durchs Bild läuft, ein Motiv zu haben scheint. Zumal der Mordanschlag auch dem Vater gegolten haben könnte. Es geht natürlich um Eifersucht und Neid, aber auch um Patentrechte und Spielsucht. Irgendwann traut man selbst Jannes musikalischer Begleitung, dem Gitarrenspieler, nicht mehr über den Weg, aber der ist wirklich nur Dekoration.