Der Tatortreiniger – neue Folgen

Bjarne Mädel, Mizzi Meyer & Arne Feldhusen. Bauernschlaues Blutschrubben

Foto: NDR / Thorsten Jander
Foto Rainer Tittelbach

Mit scharfen Chemikalien und dem Herz am rechten Fleck trifft Heiko „Schotty“ Schotte am Tatort ein, bevor er mit Kraft und praktischer Intelligenz seinen Mann steht. Selbst im Disput mit Neonazis oder einem Mörder gibt „Der Tatortreiniger“ eine gute Figur ab. Das ist vor allem Hauptdarsteller Bjarne Mädel („Mord mit Aussicht“) und Drehbuchautorin Mizzi Meyer zu verdanken. Die drei neuen Folgen 2013 halten das hohe Niveau der preisgekrönten Serie. Anfang Januar 2014 sind drei neue (und wiederholte) Folgen im NDR-Dritten zu sehen.

„Trottelig, wenn er’s sein darf, blitzgescheit, wenn er’s sein muss, navigiert Bjarne Mädel seinen Schotty souverän durch den Mikrokosmos Hamburg“, so urteilte die Grimme-Preis-Jury im Frühjahr 2012 über den Vollblutkomödianten, der auch noch beim Deutschen Fernsehpreis sowie dem Deutschen Comedy-Preis mit der Serie „Der Tatortreiniger“ abräumte. Und weiter heißt es in der Grimme-Preis-Begründung: „Dank Mizzi Meyers wunderbarer Dialoge und der präzisen Montage von Benjamin Ikes wechseln sich in Schottys Begegnungen Annäherung und Befremden, Verständnis und Entsetzen fliegend ab. (…) So entwickelt der ‚Tatortreiniger‘ ganz beiläufig ein Tempo, an dem sich manche vermeintlich hochtourige Sketch-Reihe ein Beispiel nehmen könnte“. Die meisten Folgen sind als Charakterstudie angelegt, die die Mentalität vom flinken Blutschrubber „Schotty“, ähnlich wie bei Mädels Figuren in „Stromberg“ oder „Mord mit Aussicht“, immer wieder pointiert umkreisen. Bauernschläue und praktische Intelligenz zeichnen jenen Mann von der Firma Lausen aus, der mit scharfen Chemikalien und dem Herz am rechten Fleck am Tatort eintrifft, wenn die Kommissare und die Spusi ihre Arbeit getan haben. Doch oft genügen wenige Dialoge und ein Schnitt zur rechten Zeit und schon ist „Der Tatortreiniger“ Sozialsatire.

Der Tatortreiniger – neue FolgenFoto: NDR / Thorsten Jander
Mann, Mann, ein Vereinsheim voller Nazi-Devotionalien und mittendrin eine Leiche! Bjarne Mädel in „Tatortreiniger“

Bjarne Mädel vs. Heiko „Schotty“ Schotte:
„Von mir privat ist gar nichts in der Figur. Dieses ‚Waä?’ zum Beispiel sage ich privat nie. Es ist ja mein Beruf, mich in Leute zu verwandeln und ich kann selbst ganz schwer sagen, wie viel von mir da drin steckt. Leute haben mich auch schon bei ‚Stromberg’ gefragt, ob ich privat so rieche und ob ich wirklich so doof bin. Bei ‚Mord mit Aussicht’ fragen sie mich, ob ich wirklich so gemütlich bin und so viel Fleischwurst esse. Ich nehm’ das mal als Lob, wenn man mir die Figur so abkauft. Von mir selbst stecken mein Spiel drin und mein Humor, aber ob ich privat so bin wie meine Figuren, das kann ich nicht beurteilen. Ich hoffe nicht.“

Die drei neuen Folgen vom „Tatortreiniger“ zielen noch stärker in Richtung Sozialsatire. In „Über den Wolken“ bekommt es Schotty mit einem Ehemann zu tun, der seine werte Gattin nach 30 Ehejahren mit der Axt erschlagen hat und nun an den Tatort zurückkehrt. Weil er ständig mit einer Pistole herumfuchtelt, hält sich Schotty zurück mit seiner Meinung über Ehemänner, die ihre besseren Hälften lieber zerlegen, als sich von ihnen zu trennen. „Was ich auch gemacht habe – es hat nie gereicht“, jammert er. Bis es ihm gereicht hat. Der Ehemann will sich stellen, aber davor will er noch eine Reise machen – dazu lädt er Schotty ein.

Zieht Mizzi Meyer die Komik dieser 25 Minuten aus geschlechtsspezifischen Charakteristika und dem Umstand, dass Männer und Frauen irgendwie auf Dauer nicht zusammen passen, dreht sich die zweite Episode „Die Challenge“ um den Casting-Wahnsinn und was er anzurichten imstande ist. Sein Gegenüber ist Gina Hötzinger (umwerfend komisch: Alwara Höfels) als D-Promi. Sie kam einst ins Finale von „Deutschlands Super-Patriot“, jetzt befindet sich ihre „Karriere“ im Sinkflug. Eine neue CD und ein Interview am Tatort ihres Ex, der einem Beziehungsstreit, bei dem eine Bierflasche das letzte Wort hatte, zum Opfer fiel, sollen sie wieder ins Gespräch bringen. Doch, wo ist das Blut? Schotty hat schon ganze Arbeit geleistet – aber weil Gina sein Typ ist, hilft er ihr, den Tatort noch einmal schön einzusauen. Eine kurzweilige, grelle Mini-Satire auf das Unterschichtfernsehen und seine Protagonisten.

Der Tatortreiniger – neue FolgenFoto: NDR / Thorsten Jander
Auf Tuchfühlung mit einem Mörder. Er musste – es einfach tun! Jean-Pierre Cornu und Bjarne Mädel

Dialog zwischen Schotty & D-Promi Gina:
S: „Was hast du eigentlich vorher gemacht?“
G: „Ein Praktikum“
S: „Als was?“
G: „Als Praktikantin“
S: „Ich meine, in der Firma, in der du das Praktikum gemacht hast, was hast du da gemacht?“
G: „Ein Praktikum“

In der dritten neuen Folge, „Schottys Kampf“, muss er in einem Vereinsheim einem Unfall hinterher putzen. Er staunt nicht schlecht, als er sich auf einmal Hakenkreuzfahnen, Hitler-Büste und anderem Nazi-Plunder gegenübersieht – und dann auch noch der Vereinsvorsitzende mit seiner Propaganda-Rhetorik. Schotty rettet sich gegen das impertinente Geschwätz mit Fluchtwegen in die Phantasie. Der Zuschauer sieht, was der Tatortreiniger am liebsten machen würde: dem schnieken Neonazi eine reinhauen, einfach davonlaufen, seine Brandreden („Im besten Sinne des Wortes sind wir Rassisten“) in Charly-Chaplin-Manier bis zur Unkenntlichkeit verfremden und das Gegenüber auf diese Weise lächerlich machen. Großartig die dramaturgische Wendung, die die Autorin dieser mutigen Parallelwelt-Miniatur am Ende verleiht. Wie urteilte doch noch die Grimme-Jury im März: „Selten erschien Bauernschläue so gemütlich und vertrauenerweckend.“ (Text-Stand: 12.12.2012)

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NDR

Mit Bjarne Mädel, Alwara Höfels, Jean-Pierre Cornu, Nicole Marischka, Holger Stockhaus

Kamera: Kristian Leschner

Szenenbild: Vicky von Minckwitz

Schnitt: Benjamin Ikes

Produktionsfirma: Nordfilm

Drehbuch: Mizzi Meyer

Regie: Arne Feldhusen

EA: 02.01.2012 22:00 Uhr | NDR

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