21 Millionen Mark: Eine unerhörte Summe. Noch nie hatten Kidnapper so viel Geld für die Freilassung eines Entführungsopfers gefordert. Schon allein die Höhe des Lösegeldes machte die Entführung des Industriellensohnes Richard Oetker im Dezember 1976 zum spektakulärsten Verbrechen dieser Art in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Doch der Fall endete keineswegs mit der Zahlung des Lösegeldes und der Freilassung Oetkers; eigentlich fing die Geschichte damit sogar erst an… Der Stoff schreit geradezu danach, filmisch bearbeitet zu werden; und bei Sat 1 ist er wahrlich in guten Händen. „Der Tanz mit dem Teufel“ ist erneut ein Glanzlicht in der diesjährigen Fernsehfilmproduktion des Privatsenders, der schon mit den Zweiteilern „Der Tunnel“ und „Vera Brühne“ Kommerz und Qualität perfekt zu kombinieren wusste. Zumindest bei „Vera Brühne“ haben allerdings die Quoten nicht gestimmt, weshalb Erfolg oder Misserfolg der Oetker-Dramatisierung vermutlich auch über Wohl und Wehe vergleichbarer zukünftiger Projekte entscheiden.
Diesmal dürfte allerdings nichts schiefgehen, denn „Der Tanz mit dem Teufel“ ist richtig großes Fernsehen. Maßgeblichen Anteil daran hat ein Darsteller-Trio, das für eine enorme Intensität sorgt. Der Reiz der Geschichte mag in ihrer Authentizität liegen, doch das Verdienst, den Spannungsbogen über 180 Minuten nicht erlahmen zu lassen, gebührt Tobias Moretti, Sebastian Koch und Christoph Waltz; alle drei agieren heftig preisverdächtig, wie ohnehin der ganze Film unter Garantie diverse Auszeichnungen einheimsen wird.
Während sich Teil 1 auf Entführung, Lösegeldübergabe und die Suche nach dem Täter konzentriert, ist Teil 2 ein meisterhaftes Katz-und-Maus-Spiel, das vom Darsteller-Duell zwischen Moretti und Waltz lebt. Zwei Jahrzehnte lang hatte der nur aufgrund von Indizien verurteilte Oetker-Entführer Dieter Zlof (im Film Cilov) seine Unschuld beteuert; die Öffentlichkeit sprach von Justizirrtum. Dank der dramaturgisch sicherlich zugespitzten Besessenheit eines Sonderermittlers kann Cilov schließlich doch noch überführt werden: Nichts ahnend tappt er in eine Falle, die ihm der Polizist in London stellt.
Während Moretti weitgehend gradlinig agieren muss, darf Waltz wieder einmal alle Register ziehen. Aalglatt ist sein kühl kalkulierender Gauner, der sich für die Polizei immer wieder als zu clever erweist. Mitunter scheint es gar, als habe Drehbuchautor Rainer Berg die in Teil 1 behandelte Vorgeschichte nur als ausführliche Einführung für diesen zweiten Teil genutzt. Dafür funktionieren die ersten 90 Minuten auf ganz anderer Ebene. Hier ist es die konzentrierte Leistung von Sebastian Koch als Entführungsopfer, die für die Qualität des Films garantiert. Oetker musste damals 40 Stunden in einer viel zu kleinen Kiste ausharren und wurde durch einen versehentlich ausgelösten Stromschlag derart schwer verletzt, dass er für den Rest seines Lebens behindert ist. Angst, Panik, Verzweiflung: All das spielt Koch bravourös. Um so besser ist Oetkers Sehnsucht nachzuvollziehen, dieses Kapitel mit einem Geständnis des Täters abzuschließen…. Der von Peter Keglevic mit großer Sorgfalt inszenierte und von Kameramann Hans-Günther Bücking exquisit fotografierte Film ist bis in kleine, aber wichtige Nebenrollen hinein hochkarätig besetzt. (Text-Stand: 11.11.2001)