Der süße Brei

Svenja Jung, Merlin Rose, Kömmerling/Brinx, Stoye. Ein Märchen im Spielfilm-Format

Foto: ZDF / Anke Neugebauer
Foto Tilmann P. Gangloff

„Der süße Brei“ (ZDF, MDR / Kinderfilm) nach den Brüdern Grimm gehorcht dem üblichen ZDF-Schema: Anders als bei den meist sonnig-bunten ARD-Märchen sind die Farben gedeckt, was zwar realitätsnah, aber stets auch etwas freudlos wirkt. Dazu passt die gediegene Inszenierung; die Musik ist stellenweise deutlich flotter als die Bilder. Das routinierte Drehbuchduo Kömmerling und Brinx hat sich bei der Adaption des Grimm’schen Märchens zwar große künstlerische Freiheiten erlaubt, aber die Handlung ist für einen neunzigminütigen Film dennoch recht überschaubar: Eine junge Frau begibt sich auf die Suche nach einem Zaubertopf, der eine Hungernot beenden soll. Die Bildgestaltung ist stellenweise allerdings sehr kunstvoll, und Hauptdarstellerin Svenja Jung macht ihre Sache ausgezeichnet.

Es hat seinen Grund, dass die einzelnen Episoden der ARD-Reihe „Sechs auf einen Streich“ stets nur knapp sechzig Minuten dauern; auf diese Weise sind die Märchenfilme in der Regel buchstäblich kurzweilig. Die ZDF-Pendants dagegen entsprechen dem klassischen Spielfilmmaß, und das gereicht den Werken nicht immer zum Vorteil: Da nicht alle Märchen genug Handlung für neunzig Minuten hergeben, wirken die Stoffe mitunter gestreckt. Das gilt auch für „Der süße Brei“, eine der weniger bekannten Erzählungen der Gebrüder Grimm. Die Moritat ist eine Parabel auf die Gier: Eine alte Frau schenkt einem hungernden Kind einen Topf, der auf Kommando Brei produziert. Wird der Zauber nicht beendet, kocht der Topf weiter zum Ende aller Tage, weshalb die Mutter des Kindes für eine Brei-Sintflut sorgt. In der Bearbeitung durch die Märchenspezialisten Anja Kömmerling und Thomas Brinx, die für die ARD neben „König Drosselbart“ unter anderem auch „Die Gänsemagd“, „Rotkäppchen“ sowie „Die Galoschen des Glücks“ (am 26.12. im „Ersten“) geschrieben haben, wird aus der Vorlage eine der beliebten Heldinnenreisen: In einem Dorf herrscht nach Überschwemmung und anschließender Dürre große Not, die Menschen verhungern reihenweise; die Soldaten des bösen Grafen Ruben von Hammerlitz treiben trotzdem Steuern ein. Eine Mutter (Christina Große) singt den Kindern zum Trost ein Lied, in dem ein Topf mehr süßen Brei kocht, als man essen kann. Als ihre Tochter Jola (Svenja Jung) im Wald nach Essbarem sucht, begegnet sie einer alten Frau (Maria Mägdefrau), die sofort erkennt, dass das Mädchen ein gutes Herz hat. Sie erzählt ihr, dass es den Topf tatsächlich gibt, denn sie selbst war es, die ihn den Menschen überlassen hat. Als sie erkennen musste, dass die habgierigen Menschen dieses Geschenks nicht würdig waren, hat sie ihn in drei Teile zerschlagen. Die erste Scherbe überlässt sie dem Mädchen, die beiden anderen muss sich Jola verdienen. Ein hilfsbereiter junger Mann (Merlin Rose) begleitet sie bei ihrer gefährlichen Suche, aber der schmucke Veit spielt ein doppeltes Spiel: Er ist der Bruder des schurkischen Grafen (Roland Wolf).

Der süße BreiFoto: ZDF / Anke Neugebauer
Nur für die Guten ist der Brei eine süße Erfahrung. Martin Winkelmann, Stipe Erceg und Roland Wolf in „Der süße Brei“

Weihnachten 2017 hat das „Zweite“ eine mutige Variation von Goethes „Zauberlehrling“ gezeigt. Die Konstellation hinter der Kamera war weitgehend die gleiche wie bei „Der süße Brei“: Beide Filme sind Koproduktionen von ZDF und MDR, produziert von der Erfurter Firma Kinderfilm, geschrieben von Kömmerling und Brinx, inszeniert von Frank Stoye, der zuvor neben diversen „Schloss Einstein“-Folgen auch das sehr sehenswerte ARD-Märchen „Nussknacker und Mausekönig“ gedreht hat. Für die Bildgestaltung war hier wie dort Bernd Fischer verantwortlich. Anders als „Der süße Brei“ wirkte „Der Zauberlehrling“ jedoch wegen der namhaften Mitwirkenden, der Ausstattung und der optisch aufwändigen Umsetzung eine Nummer größer, zumal sich die Autoren durch die Ballade zu einer völlig neuen Geschichte inspirieren ließen. Das gilt zwar auch für den neuen Film, aber diesmal ist die Handlung doch recht überschaubar. Am spannendsten sind noch die Aufgaben, die Jola lösen muss, nachdem sie mithilfe eines zwar völlig unbegabten, aber immerhin des Lesens mächtigen Sängers (Lars Rudolph) die Inschrift auf der Scherbe entziffert hat. Um den zweiten Teil des Topfes zu bekommen, muss sie eine steile Felswand erklimmen und dabei der Gegenwehr des Bergs trotzen. Die letzte Herausforderung in einem Nebeltal ist besonders grausam: Ein ätherisches Wesen stellt sie vor die Wahl, Mutter und Schwester oder das ganze Dorf zu retten. Es bricht Jola das Herz, aber mit der Entscheidung für das Dorf besteht sie auch diese moralische Prüfung. Ihr Glück ist indes nur von kurzer Dauer: Veit hat sich zwar zwischenzeitlich eines Besseren besonnen, doch nun wird der Topf von zwei finsteren Schergen (Stipe Erceg, Martin Winkelmann) gestohlen. Veit schuldet ihrem Herrn Geld, aber mit dem Gefäß lässt sich viel mehr verdienen, selbst wenn es etwas skurril anmutet, wie den Kerlen die Habgier aus allen Knopflöchern platzt, als produziere der Topf nicht bergeweise Brei, sondern pures Gold.

Der süße BreiFoto: ZDF / Anke Neugebauer
Der Topf für den süßen Brei hält, was er verspricht. Marko Dyrlich, Merlin Rose und Svenja Jung als Hauptfigur Jola

Ansonsten entspricht „Der süße Brei“ dem ZDF-Märchenstil. Fischer hat den Film in das typische kunstvoll düstere Licht getaucht. Die Anmutung wirkt insgesamt sehr bodenständig, weil auch Kostüm und Ausstattung mit gedeckten, erdigen Farben gearbeitet haben; das gibt den Bildern im Vergleich zu den meist sonnigen ARD-Märchen einen zwar realistischen, aber auch etwas freudlosen Anstrich. Einige Einstellungen sind allerdings von großer Schönheit, und wenn sich mitten im Nebel plötzlich zwei riesige Augen öffnen, ist das sehr effektvoll. Die Sorgfalt zeigt sich nicht zuletzt im Detail, wenn Veit beim Gespräch mit seinem Bruder in warmem Licht steht, während Ruben gewissermaßen in der Kälte sitzt. Zum ZDF-Schema gehört jedoch auch eine größtenteils tempoarme Inszenierung. Die insgesamt sehr stimmige Filmmusik, die beispielsweise Jolas Begegnung mit der Nebelfrau mit passenden sphärischen Klängen unterlegt, ist mitunter deutlich flotter als die Bilder. Für einen Schwertkampf hat Mathias Rehfeldt packende Musik komponiert, die aber angesichts des müden Schlagabtauschs viel zu dramatisch klingt. Nicht mal die Pferde lässt Stoye galoppieren; dafür gibt es am Schluss zur Rückkehr der Verstorbenen eine etwas unpassende Zeitlupensequenz.

Immerhin ist die Besetzung treffend, selbst wenn Merlin Rose, der sonst meist zornige junge Männer verkörpern muss, nur bedingt der Beschreibung entspricht, wie sie Veits Bruder formuliert („Vagabund, Frauenheld, Glücksritter“). Umso sehenswerter ist Svenja Jung als moderne Heldin. Die junge Schauspielerin ist bereits in der ZDF-Serie „Zarah – Wilde Jahre“ und vor allem dem Samstagskrimi „Ostfriesenkiller“ (2017) positiv aufgefallen; in letzterem verkörperte sie eine geistig behinderte junge Frau, die in eine Mordserie involviert ist, und löste diese Aufgabe auf ebenso interessante wie ungewöhnliche Weise. Hier ist sie zwar zu alt und zu hübsch für eine unverheiratete Tochter, aber in den Abenteuerszenen überzeugt sie ebenso wie mit Jolas kämpferischen Haltung beim Finale, als sie – „Die Freiheit oder nichts!“ – dem Grafen die Stirn bietet. Interessant sind schließlich auch die Drehorte. Der Film wurde im Freilichtmuseum Bleiberg (Erzgebirge), im Elbsandsteingebirge sowie inner- und außerhalb der wie aus dem Felsen gewachsenen Burg Kriebstein in Mittelsachsen gedreht.

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Fernsehfilm

MDR, ZDF

Mit Svenja Jung, Merlin Rose, Roland Wolf, Stipe Erceg, Martin Winkelmann, Lars Rudolph, Christina Große, Maria Mägdefrau, Marko Dyrlich

Kamera: Bernd Fischer

Szenenbild: Agi Dawaachu

Kostüm: Katharina Schnelting

Schnitt: Wiebke Henrich

Musik: Mathias Rehfeldt

Redaktion: Götz Brandt, Irene Wellershoff, Adrian Paul (MDR)

Produktionsfirma: Kinderfilm

Produktion: Ingelore König

Drehbuch: Anja Kömmerling, Thomas Brinx

Regie: Frank Stoye

EA: 24.12.2018 15:05 Uhr | ZDF

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