„Felix Keller ist ein griesgrämiger Kerl, ein frustrierter Widerling, der mit sich und der Welt nicht im Reinen ist“, charakterisiert ihn sein Darsteller Leonard Lansink. Der frühpensionierte Lehrer, Anfang 50, lebt in einer Berliner Altbauwohnung. Er könnte sein Leben genießen, doch stattdessen ärgert er sich lieber über seine Mitmenschen und hat für alles und jeden einen sarkastischen Spruch parat. Lansink: „Keller ist wie viele enttäuschte Optimisten zum Zyniker geworden.“ Seine Haltung bietet ihm Schutz. Schutz auch vor Angenehmem: denn er empfindet etwas für seine attraktive Nachbarin. Als er sich in einer Notsituation deren postpubertärer Tochter annimmt, macht es irgendwann klick beim Titel gebenden Stinkstiefel.
Eine solche Läuterungsdramaturgie ist mindestens so alt wie Charles Dickens „Weihnachtsgeschichte“. Wirkungsvoll ist sie auch heute noch. Wer würde nicht gerne einmal all die sorgsam zurückgehaltenen Wahrheiten ohne Rücksicht auf Verluste rausposaunen!? Fremd-Beleidigen statt Fremd-Schämen quasi. Felix Keller übernimmt es in dem ZDF-Fernsehfilm stellvertretend. Das hat durchaus seinen Reiz. Was einem aber die Lust an dieser Komödie austreibt, ist diese signalisierte Launigkeit, die sich in einem quietschfidelen Sound(design) andeutet und immer wieder bemüht wird in einem ausgestellt originellen Spiel. Vor allem Josefine Preuß überstrapaziert ihre Teenie-Posen, die man von ihr aus „Türkisch für Anfänger“ hinlänglich kennt. Allein Leonard Lansink und Proschat Madani befreien sich gelegentlich von dieser typisch deutschen Komödien-Tonlage, doch nicht immer werden ihnen dazu von Drehbuchautor Stefan Rogall die passenden Worte in den Mund gelegt.
Etwas weniger verbale Knallbonbons und mehr angedeuteter Schmerz hätten diesem „Stinkstiefel“ gut getan. Wie Felix Keller die richtige Balance aus Wahrheit und Mitgefühl wieder lernen muss, so müssen deutsche Komödienautoren offenbar die richtige Balance zwischen Charaktertiefe, Botschaft und dramaturgischer Struktur lernen. Was Comedy-Schreiber wie Ralf Husmann und Bora Dagtekin an handwerklicher Finesse mitbringen, geht Grimme-Preisträger Rogall bei dieser TV-Komödie nach alter deutscher Väter Sitte völlig ab.