Strom ist seine Leidenschaft. Felix (Hinnerk Schönemann) ist Starkstromtechniker, hat sich aber in den Kopf gesetzt, den Elektroladen seines Vaters wieder zu eröffnen, und er träumt davon, seinen Heimatort zu Weihnachten leuchten zu lassen. Das neue Lichtkonzept ist sein ganzer Stolz, der Bürgermeister (Armin Rohde) lehnt aber wie jedes Jahr ab. Damit nicht genug: Seine genervte Freundin Melanie (Lisa Maria Potthoff), die den ganzen Spaß finanziert hat, macht daraufhin Schluss mit ihm und wenige Stunden später stirbt auch noch seine Mutter. Das Testament fällt nun so gar nicht nach dem Geschmack seiner Schwägerin Karin (Marlene Morreis) aus: Was soll ihr Mann Kurt (Kurt Krömer), der sich im Übrigen nie um seine Mutter gekümmert hat, schon mit einer Plattensammlung von Petula Clark anfangen? Die Hälfte des Hauses, in dem Felix mit seiner Mutter gelebt hat, das wäre gerecht! Also lässt sie ihre Beziehungen spielen – und so verläuft ein Prozess gegen Felix, der einem Inkasso-Eintreiber auf die Nase gehauen hat, anders als erwartet: Der vorsätzlichen Körperverletzung wird er zwar freigesprochen, dafür attestiert ihm ein bestochener Gutachter (Peter Lohmeyer) eine „krankhafte seelische Störung“ und dreht ihm aus dem Selbstmord seines Vaters einen Strick. Felix wird schließlich in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Der weiß gar nicht, wie ihm geschieht, verweigert sich erst einmal jeglicher Therapie, findet aber langsam einen Draht zu den anderen Patienten, besonders zu seinem Zimmergenossen Rufus (Sahin Eryilmaz). Hier bald wieder herauszukommen, daran ist aber erst einmal nicht zu denken…
Vielleicht ist er keine Leuchte, aber ein Fall für die Psychiatrie ist er nicht. „Um das gleich klarzustellen: Ich bin nicht verrückt“, betont der Held denn auch bereits im Intro der ZDF-Komödie „Der mit dem Schlag“. Er sagt es dem Zuschauer, gelegentlich auch direkt in die Kamera („Jeder braucht mal einen Arzt, aber das hier ist wirklich grenzwertig“), aber er sagt es auch immer wieder denen, die es eigentlich nicht hören wollen. Diese fühlen sich hinreichend von dessen Verhalten bestätigt. Wer sich verweigert, wer keine Tabletten schluckt, wer therapeutische Angebote ablehnt und schließlich auch noch seine Körperpflege vernachlässigt – der hat schlechte Karten in diesem System. Und ein bisschen eigen ist dieser Mann ja schon, der sich nicht wäscht, weil er krebserregende Substanzen in der Seife wähnt, und den schon mal die Wut heftig packt, wenn er sich im Recht sieht und andere stur das Gegenteil behaupten. Aber vor allem ist jener Felix ein liebenswerter Träumer, der nicht so recht hineinpasst in die Welt der Vernunft, in die Realität des Hauens, Stechens und Intrigierens und dem der Status Quo der bürgerlichen Zufriedenheit fremd ist. Dieser Felix braucht nicht viel, um glücklich zu sein. Solange er einen Traum haben kann, ist er zufrieden. Was andere „sich etwas vormachen“ nennen, ist für ihn die Quelle der Hoffnung. Er ist ein ewiger Optimist, vielleicht ein Einfaltspinsel – aber mit dem Herz am rechten Fleck.
Autor Christian Jeltsch („Wer aufgibt ist tot“) hat sich diesen eigenwilligen Charakter ausgedacht, einen, dem man nichts zutraut, den man belächelt, den man betrügt, obwohl dieser passionierte Elektriker doch nur das Schöne und Gute will. Jeltsch erzählt die Geschichte ähnlich lakonisch, wie er seine Hauptfigur entworfen hat. Beiläufig, durch das bloße Da-Sein nimmt jener Felix positiven Einfluss auf die anderen Patienten. Er erkennt intuitiv, was ihnen gut tut, was sie brauchen. Darin erinnert er an den berühmtesten Psychiatrie-Insassen der Filmgeschichte, Jack Nicholsons McMurphy in „Einer flog über das Kuckucksnest“. Weil aber „Der mit dem Schlag“ eine Komödie ist, haben die Aktionen des Helden keine dramatischen Auswirkungen. Die Störungen von Rufus & Co wirken mal wie ein Tic, mal werden deren seelischen Ursachen benannt, aber nie werden diese Figuren der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Gruppe funktioniert als solidarische Gemeinschaft, und auch die Betreuer, insbesondere die von Barbara Philipp gespielte gute Seele der Einrichtung, werden nicht in die übliche Typen-Schublade gesteckt. Sophie Rois darf hingegen ihre Chef-Psychologin so spielen, als ob sich diese in ihrem Verhalten den „Verrückten“ angenähert habe. An der umgekehrten Mimikry versucht sich indes Rufus, der Felix mit Arztkittel und seltsamen Ratschlägen in der Klinik willkommen heißt. Regisseur Lars Becker („Nachtschicht“) und den Schauspielern gelingt es, solchen Szenen ihre komische Eigen-Art zu belassen und nicht alles der Makro-Handlung und der Frage „Wann und wie kommt Felix endlich raus aus der Psychiatrie?“ unterzuordnen. Überhaupt ist die Spannung zwischen den Gegebenheiten in der Anstalt und dem Fortschreiten der Intrige ausgesprochen gelungen.
Maßgeblich am Erzählfluss beteiligt sind – wie das in Komödien so ist – die Schauspieler. Lars Becker hat mal wieder alle bekommen. Qualität bis in die kleinste Nebenrolle. Das muss nicht immer eine große TV-Komödie zur Folge haben, wie zuletzt seine mäßige Reeperbahn-Klamotte „Wir machen durch bis morgen früh“ zeigte. In dieser Arte/ZDF-Koproduktion nun funktioniert der Becker Touch in einer Komödie (Parade-Beispiel: „Schade um das schöne Geld“) mal wieder richtig gut. Und das, weil einer, der nicht zur sogenannten Becker-„Familie“ gehört, seinen unnachahmlichen Stil endlich mal wieder – nicht glattgebügelt von einer nichtssagenden Krimihandlung – frei entfalten darf. Hinnerk Schönemann verschiebt hier sein unverkennbares Spiel, diesen Wechsel aus hastigem und zögerlichem Sprechen, dazu nicht selten ein fragender, irritierter oder kindsköpfig trotziger Blick, ein Stück weit in Richtung einer Introvertiertheit und einem Ernst, welche man von seinen männlicheren, weniger verunsicherten Krimi(komödien)helden nicht kennt. In der Psychiatrie wird ihm das genommen, was ihn am Leben hält: die Weihnachtslichter-Idee und seine Elektroladen-Pläne, außerdem ist die Mutter tot und von seiner Ex und seinem Bruder fühlt er sich verraten. Schönemann spielt das mit großer Wehmut am Rande zur Depression. Und das innerhalb der Gesamttonlage einer Komödie: Das ist schon eine besondere Leistung. Und mögen die anderen Schauspieler auch noch so unterschiedliche Tonlagen bedienen – so überzeugen sie doch alle: Sophie Rois mit ihrer immer wieder köstlich-absurden Schräglage, Armin Rohde, Kurt Krömer & Marlene Morreis mit ihrer exzellenten Typen-Komik oder Lisa Maria Potthoff & Peter Lohmeyer mit ihrem eher realistischen Spiel als Wegmarken der Handlung. Gemeinsam schaffen sie genau das, was eine gute Komödie auszeichnet: Über starke Momente schon mal die Handlung zu vergessen, sich in Details zu verlieben, ohne dass der ganze Film nur aus einer Aneinanderreihung solcher Details bestehen würde. Überdies ist „Der mit dem Schlag“ eine Komödie, die der (vor)weihnachtlichen Stimmungslage entgegenkommt. Arte trägt dem mit der Ausstrahlung am Heiligen-Dreikönigstag gerade noch Rechnung. Das ZDF dürfte den Film dann wohl erst im nächsten Dezember (2017) zeigen. (Text-Stand: 13.12.2016)