Politstoffe haben hierzulande in der Regel nur dann eine Chance, wenn es um Zeitgeschichte geht, die bereits als Historie gilt. Die Ereignisse rund um Karl-Theoder zu Guttenberg sind dagegen noch in bester Erinnerung; sein Rücktritt liegt nicht einmal zwei Jahre zurück. Andererseits heißt das auch, dass die Drehbuchautorin Dorothee Schön („Frau Böhm sagt nein“) nicht alles erklären muss. Oftmals genügen Andeutungen, zumal die meisten Zuschauer die authentischen Bilder noch im Kopf haben werden. Gerade deshalb bereitet die TeamWorx-Produktion auch so ein großes Vergnügen: Guttenbergs Karriere war derart eng mit der medialen Aufmerksamkeit verknüpft, dass viele seiner Auftritte ins kollektive Bewusstsein eingebrannt sind. Regisseur Uwe Janson brauchte seinen formidablen Hauptdarsteller Kai Schumann, der als Figur Franz Ferdinand zu Donnersberg heißt, bloß in entsprechender Pose auf den New Yorker Times Square postieren; der Rest funktioniert quasi von selbst.
Soundtrack: Fleetwood Mac („Dont stop“), Judy Garland („Over the Rainbow“), Marusha („Over the Rainbow“), Yello („Oh yeah“), St Germain („Sure Thing“), Culcha Candela („Hamma!“), AC/DC („Highway to Hell“), Frank Sinatra („New York, New York“), Yolando be cool & Dcup („We no speak Americano“)
Foto: Sat 1 / Hardy Brackmann
Von diesem Wiedererkennungseffekt profitiert der gesamte Film, denn der Reiz von „Der Minister“ besteht natürlich auch darin, in den Mitwirkenden das Personal der Berliner Republik wiederzuerkennen. In einigen Fällen gelingt das mühelos, zumal die Kabinetts-Mitglieder mitunter verblüffend gut getroffen sind (etwa Walter Kreye als Frank Walter Steinmeier). Ähnlich treffend besetzt ist Thomas Heinze als „Bild“-Chef Kai Diekmann, der hier Jan Breitmann heißt; seine Postille, der „Blitz-Kurier“, hat maßgeblichen Anteil am Erfolg Donnersbergs, denn die unglaubliche Geschichte von Aufstieg und Fall eines Polit-Popstars ist selbstredend der Kern des Films. Um die rasante Karriere zu erklären, hat Schön, deren Film „Der letzte schöne Tag“ unlängst für den Grimme-Preis nominiert wurde, einen Strippenzieher erfunden: Schon zu Schulzeiten pflegte der Adelsspross fleißig bei Max Drexel (Johann von Bülow) abzuschreiben. Der ist zwar ein brillanter Kopf, aber bei öffentlichen Auftritten äußerst gehemmt. Also wird er wie Cyrano de Bergerac zum Einflüsterer seines Freundes, der sich zwar erlesen auszudrücken weiß, dabei aber nur heiße Luft produziert. „Donni“ avanciert zum Liebling der Massen; selbstredend schreibt ihm Max auch die Doktorarbeit.
Den Film „Der Minister“ muss man schon allein deshalb schätzen, weil Politsatiren hierzulande außerhalb des Kabarettbetriebs ausgesprochenen Seltenheitswert besitzen. Abgesehen vom Klamaukfilm „Horst Schlämmer – Isch kandidiere!“ scheinen Sender und Produzenten große Furcht zu haben, sich an Geschichten über das Zentrum der Macht die Finger zu verbrennen; erst recht, seit 2005 die ZDF-Serie „Kanzleramt“ (2005) beim Zuschauer grandios floppte.
Foto: Sat 1 / Hardy Brackmann
Die Idee mit dem „Ghostwriter“ ist Fiktion, der Rest ist Realität, und die war im Grunde schon derart satirisch, dass Schön sie nur ein bisschen zuspitzen musste. Kurzweiliger als die pointierten Dialoge und die Vielzahl amüsanter Details (Seehofers Modelleisenbahn!) sind nur die Bosheiten am Rande, wenn beispielsweise Gattin Viktoria um jeden Preis eine eigene Medienkarriere machen will und sich ständig bei Breitmanns Frau Karin (Susan Sideropoulos) abschaut, was am besten funktioniert. Alexandra Neldel spielt diese vergleichsweise kleine Rolle richtig gut. Etwas zu viel Platz räumt Schön dagegen dem Eheleben von Max Drexel ein: Seiner Frau Lisa (Stefanie Stappenbeck) stinkt es gewaltig, das Max sein Leben voll und ganz Donnis Bedürfnissen unterordnet. Andererseits ist diese Beziehungskrise der Anfang des unaufhaltsamen Abstiegs von Franz Ferdinand zu Donnersberg.
Bei allem Respekt für die formidable Leistung Kai Schumanns und die Körperspannung, mit der er „Donni“ versieht: Heimlicher Star von „Der Minister“ ist Katharina Thalbach als Angela Murkel. Sie hat die mit Abstand besten Dialoge, stattet die Kanzlerin mit liebenswerten Marotten aus und sorgt bei den Ausflügen in die heimische Uckermark zum Gatten mehrfach für erstaunliche und äußerst vergnügliche Einblicke ins Privatleben der mächtigsten Frau der Welt, zumal Uwe Janson diese Augenblicke mit lässiger Beiläufigkeit inszeniert.