Der Titel ist ganz schön zynisch: Eine Frau hat sich ihres Gatten entledigt, indem sie ihn gemeinsam mit ihrem Geliebten hinter Gitter gebracht hat; das behauptet zumindest der Anwalt des Häftlings. Er bezeichnet die Frau als manipulativ, außerdem sei sie geradezu krankhaft eifer- und rachsüchtig. Interessanterweise sagt sie das gleiche über ihren Mann. Hinweise und Indizien, dass beide recht haben könnten, gibt es zuhauf, was Stascha Novak (Jasmin Gerat) und ihren Kollegen Emil Perica (Lenn Kudrjawizki) vor ein echtes Problem stellt. Es ist wie in der „Dire Straits“-Songzeile von den zwei Männern, die behaupten, sie seien Jesus: Mindestens eine der Personen lügt; aber welche?
Dieser Rahmen ist reizvoll, doch wie Reihenschöpfer Christoph Darnstädt, der bis auf eine Ausnahme bislang alle „Kroatien-Krimis“ geschrieben hat, die Grundidee mit Leben und Figuren füllt, ist nicht minder sehenswert. Der Titel „Scheidung auf Kroatisch“ ist eine Anspielung auf den Klassiker „Scheidung auf Italienisch“ (1961) mit Marcello Mastroianni als Sizilianer, der einen Mord aus Eifersucht konstruiert und mit einer milden Haftstrafe davonkommt. So ähnlich, nur mit anderer Rollenverteilung, sei auch Nika Pervan (Lucie Heinze), die Frau seines Mandanten Ivo Bralo, vorgegangen, sagt der Anwalt: Nika wollte den Gatten loswerden, um mit ihrem Freund Jure zusammenleben zu können. Eine Affäre Ivos sei ihr da gerade recht gekommen: Die beiden haben die Frau erstochen, Jure hat Ivo dann als Zeuge vor Gericht belastet. Die Tatwaffe ist verschwunden. Weil der Mord besonders grausam war und dem Opfer zudem ein Finger abgeschnitten wurde, an dem es einen kostbaren Ring Ivos trug, gilt Bralo, der die Tat stets geleugnet hat, seither als „Bestie von Zadar“.
Zwei Jahre später wird eine junge Frau auf identische Weise umgebracht. Details, die nie öffentlich bekannt geworden sind, lassen nur einen Schluss zu: Es muss sich um den gleichen Mörder handeln; aber Bralo (Maximilian Brückner) ist seit damals in Haft. Beim Gespräch mit der Kommissarin gibt er die damalige Tat und zu und wirkt überzeugend reumütig. Ex-Frau Nika zeichnet ein ganz anderes Bild ihres Mannes. Allerdings sprechen die Umstände gegen sie: Das zweite Opfer ist die angebliche Geliebte ihres Freundes, die Tatwaffe offenbar das selbe Jagdmesser wie damals, weshalb sie dringend tatverdächtig ist. Klarheit kann nur ein höchst riskantes Unterfangen bringen: mit einem Köder für die Bestie; und dann wird die Geschichte unversehens zwei Nummern größer. Das Finale ist angemessen dramatisch.
Neben der Handlung beeindruckt der fünfzehnte „Kroatien-Krimi“ nicht zuletzt durch die sorgfältige Bildgestaltung. Regie führte wie bislang bei allen Filmen der Reihe Michael Kreindl; Kameramann Hannes Hubach, auch schon bei einigen Episoden dabei, gehört hierzulande zu ohnehin den besten seines Fachs. Besonders faszinierend sind die Befragungen im Besuchsraum des Gefängnisses. Stascha und Bralo sind durch eine Glasscheibe getrennt. Kreindl und Hubach haben die Einstellung in Abwandlung der berühmten Peepshow-Szene aus „Paris, Texas“ von Wim Wenders so konzipiert, dass Maximilian Brückners Gesicht von Jasmin Gerats Locken umrahmt wird. Als Bralo über die damalige Tat spricht und schildert, wie die Bestie in ihm erwacht ist, beugt er sich nach vorn. Nun liegt eine Gesichtshälfte im Schatten, was sich als raffinierte Reminiszenz an den durch einen Säureangriff halbseitig entstellten Batman-Gegenspieler „Two Face“ interpretieren lässt; bei dem weiß der Dunkle Ritter auch nie, mit welcher Hälfte der gespaltenen Persönlichkeit er es gerade zu tun hat. Neben Brückner, der seine Rolle prima in der Schwebe hält, sind auch die weiteren Mitwirkenden in den kleineren Rollen sehenswert, allen voran Nell Pietrzyk, die nicht nur als Nikas Angestellte in die Sache verwickelt ist. (Text-Stand: 15.1.2024)