Der Kroatien-Krimi – Mord auf Vis

Neda Rahmanian, Sadler, Rotschopf, Berlin, Darnstädt, Kreindl. Von Hass zerfressen

Foto: Degeto / Erika Hauri
Foto Tilmann P. Gangloff

Wie schon zum Auftakt erzählt der dritte Kroatien-Krimi mit Neda Rahmanian, „Mord auf Vis“ (ARD / Constantin), eine Geschichte, die in der Historie des Landes verwurzelt ist: Die Morde an zwei Männern auf der Insel Vis führen Kommissarin Branka Marić geradewegs in den gut zwanzig Jahre zurückliegenden Bürgerkrieg, als sich das Grauen nicht auf die Schlachtfelder beschränkte. Sehenswert ist der sorgfältig gestaltete Krimi auch wegen der Schauspieler, allen voran Benjamin Sadler als „guter“ Mörder und Michael Rotschopf als Opfer, das gleichzeitig Täter ist; und das multikulturelle Ermittler-Ensemble ist ohnehin gut zusammengestellt.

Mitunter erzählen die Auslandskrimis der ARD-Tochter Degeto Geschichten, die auch in Deutschland spielen könnten. Das ist immer ein bisschen schade, weil das Potenzial des Schauplatzes auf sein exotisches Flair reduziert wird. Auch deshalb war der erste „Kroatien-Krimi“, „Der Teufel von Split“, ein besonderer Film: Um eine aktuelle Mordserie aufzuklären, musste sich die kroatisch-deutsche Kommissarin Branka Marić (Neda Rahmanian) intensiv mit der Geschichte ihres Landes befassen. Auch in der dritten Folge, „Mord auf Vis“, spielt der Krieg zwischen Kroatien und Serbien in den 1990er Jahre eine ebenso entscheidende Rolle wie die ungebrochene Bewunderung vieler Kroaten für die Ustaša-Faschisten, die einst enge Verbündete der deutschen Nationalsozialisten waren: Auf der Adria-Insel Vis sind angeblich die vor vielen Jahren verschollenen Ustaša-Münzen aufgetaucht, eine Art Heiliger Gral für alle Neofaschisten. Zwei frühere Kriegskameraden, die sich für den Schatz interessieren, werden jedoch erschossen. Mirko (Albert Kitzl), der seinen Lebensabend vor einer Kneipe am Hafen verbringt, will einen Glatzkopf mit stechenden blauen Augen gesehen haben. Tatsächlich stellt sich heraus, dass dieser Zoran Horvath (Michael Rotschopf) keineswegs der Mörder, sondern das nächste Opfer ist. Täter ist er allerdings auch; und nun nimmt die Handlung eine Dimension an, die im Verlauf des Films zu Recht als grauenvoll bezeichnet wird.

Der Kroatien-Krimi – Mord auf VisFoto: Degeto / Erika Hauri
Coole Köpfe, Klasse Besetzung. Neda Rahmanian, Laura Berlin, Benjamin Sadler und Michael Rotschopf

„Mord auf Vis“ stammt vom gleichen Team wie die beiden anderen Kroatien-Krimis: Christoph Darnstädt schrieb das Drehbuch, Michael Kreindl führte Regie. Auch beim gut zusammengestellten Ensemble hat sich nichts geändert, selbst wenn beispielsweise Andreas Guenther und Aleksandar Jovanovic als die beiden Männer in Brankas Liebesleben nicht viel zu tun haben. Die interessanteste Rolle des Films spielt ohnehin Benjamin Sadler, denn Jure Poković, die tragische Figur der Geschichte, ist nicht nur der Mörder, wie gleich zu Beginn preisgegeben wird, sondern auch der Leiter der Polizei von Vis; und außerdem Vater der hübschen Ivena (Laura Berlin), die er offensichtlich über alles liebt. Dass dies keineswegs selbstverständlich ist, verrät der Film erst später, und dann erschließt sich auch der ebenso verstörende wie filmisch faszinierende Prolog: Die Kamera fliegt über eine Küstenlandschaft, die Bilder reisen gut zwanzig Jahre zurück in die Vergangenheit und verlieren dabei ihre Farbe. Wellen brechen ans Ufer, als könne nur ein Opfer sie besänftigten, und tatsächlich scheint ein vollbärtiger Mann bereit zu sein, dieses Opfer zu bringen: Er ist drauf & dran, einen Säugling in die Fluten zu werfen. Dann folgt ein Schnitt zurück in die sonnendurchflutete Gegenwart: Poković steht mit der Tochter am Grab seiner Frau, die bei Ivenas Geburt gestorben ist.

Der Kroatien-Krimi – Mord auf VisFoto: Degeto / Erika Hauri
Wenn süß das kroatische Mondlicht die Kerle bestrahlt. Aleksandar Jovanovic spielt einen der Lover der Heldin und Michael Rotschopf ein Opfer, das auch Täter ist. „Der Kroatien-Krimi – Mord auf Vis“

Auf diese Weise hat „Mord auf Vis“ quasi zwei Prologe, deren Kontrast typisch für den Film ist: Hinter den sorgsam gestalteten schönen Bildern (Kamera: Stefan Spreer) lauern Abgründe. Die Hauptfigur ist ebenfalls davon betroffen, was Darnstädt die Gelegenheit gibt, auch andere Seiten seiner sonst so überlegenen Heldin zu zeigen: Branka war lange überzeugt, dass ihr Bruder im Bürgerkrieg gefallen ist, aber dann tauchte er in „Der Teufel von Split“ wie aus dem Nichts auf, rettete ihr Leben und verschwand wieder. Diesmal gibt es ein echtes Wiedersehen, das zu den bewegendsten Momenten des Films gehört. Die Begegnung bleibt zwar eine Episode, ist aber anders als die Szenen mit Brankas Mutter (Adriana Altaras) organisch in die Handlung integriert, die wiederum von der Frage lebt, warum der unzweifelhaft als Sympathieträger eingeführte Poković zum mehrfachen Mörder wird. Die Faszination dieser Figur resultiert aus der Widersprüchlichkeit, mit der Sadler den Polizeichef verkörpert, und das nicht nur wegen der Morde: Der Mann gibt sich cool und gelassen, ist aber offenkundig schwer krank; und von Hass zerfressen. Michael Rotschopf ist ein nicht minder interessanter Gegenspieler; der Schauspieler hat in vielen Rollen (etwa als Kripochef in der ZDF-Krimireihe „Stralsund“) den ebenso arroganten wie eleganten und attraktiven Widerpart der jeweiligen Hauptfigur verkörpert. Hier ist er ähnlich wie zuletzt im dritten Film der ARD-Reihe „Harter Brocken“ („Der Bankraub“) mit Glatze und leuchtend blauen Kontaktlinsen ein reichlich vierschrötiger Schurke, den Branka zu allem Überfluss vor dem Mörder schützen muss.

Dritte im Bunde der Gastdarsteller ist Laura Berlin, die in jeder Hinsicht attraktive Akzente setzt: Pokovićs Tochter führt ein Hotel, in dem nicht nur Horvath, sondern auch Branka und ihr Kollege Emil (Lenn Kudrjawizki) absteigen; mit beiden führt Iwena in zwei schön gespielten Szenen Sliwowitz-selige Gespräche. Für ein kleines Amüsement sorgen die Geplänkel zwischen Branka und der neuen Rechtsmedizinerin (Sarah Bauerett), die es gar nicht lustig findet, dass die medizinisch vorgebildete Kommissarin alles besser weiß. Ohnehin zeigt sich im dritten Film erneut, wie geschickt das multikulturelle Ermittler-Ensemble zusammengestellt ist. Ungewöhnlich ist schließlich auch der zweifache Schluss, bei dem sich Branka einen Satz Mirkos beruflich wie auch privat zu eigen macht: „Manchmal muss man die Wahrheit begraben, wenn das Leben weitergehen soll.“

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Reihe

ARD Degeto

Mit Neda Rahmanian, Benjamin Sadler, Lenn Kudrjawizki, Michael Rotschopf, Laura Berlin, Albert Kitzl, Kasem Hoxha, Max Herbrechter, Adriana Altaras, Aleksandar Jovanovic, Sarah Bauerett, Andreas Guenther

Kamera: Stefan Spreer

Szenenbild: Ivo Husnjak, Ivana Skrabalo

Schnitt: Achim Seidel

Musik: Titus Vollmer

Redaktion: Barbara Süßmann, Sascha Schwingel (beide ARD Degeto)

Produktionsfirma: Constantin Television

Produktion: Friedrich Wildfeuer

Drehbuch: Christoph Darnstädt

Regie: Michael Kreindl

EA: 25.01.2018 20:15 Uhr | ARD

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