Der Kroatien-Krimi – Jagd auf einen Toten

Jasmin Gerat, Lenn Kudrjawizki, Michael Kreindl. Kroatisches Feuer

Foto: Degeto / Conny Klein
Foto Tilmann P. Gangloff

Der dritte „Kroatien-Krimi” (Degeto / Constantin) mit Jasmin Gerat als Leiterin der Mordkommission Split ist ein gutes Stück von der früheren Qualität der Reihe entfernt. „Jagd auf einen Toten“ bezieht immerhin einen gewissen Reiz aus der persönlichen Betroffenheit der Hauptfigur: Ihr früherer Verlobter ist ins Visier der Mafia geraten und offenbar in seinem Club verbrannt. Weil der Film durch viele Urlaubsaufnahmen erfreut, hatten Regie und Hauptdarstellerin offenbar das Bedürfnis, emotionale Kontrapunkte sowohl zu den Bildern als auch zu Stascha Novaks eleganter Vorgängerin zu setzen: Wenn die Kommissarin nicht gerade schreit, heult oder kotzt, wirft sie mit Kraftausdrücken um sich.

Als Jasmin Gerat im letzten Jahr Nachfolgerin von Neda Rahmanian als zentrale Figur der „Kroatien-Krimis“ wurde, trat sie ein beachtliches Erbe an. Klugerweise haben die kreativen Köpfe der Reihe, Christoph Darnstädt (Buch) und Michael Kreindl (Regie), gar nicht erst versucht, die Rolle oder ihre Darstellerin ins Korsett der Vorgängerin zu zwängen: Die neue Kollegin aus Zagreb hat mit Erfolg vermieden, nett sein zu wollen. Ihr erster Fall, „Tote Mädchen“, bescherte beiden, Stascha Novak wie Jasmin Gerat, einen glänzenden Einstand. Der zweite Film, „Tränenhochzeit“, war deutlich schwächer, zumal die Nebenhandlungen mit dem Privatleben der Kommissarin etwas überflüssig wirkten; das galt vor allem für die Auftritte ihrer jüngeren Schwester Minka (Jenny Meyer). Deutlich reizvoller waren die Szenen mit Clubbesitzer Milan (Henning Vogt), der die Polizistin am Tag der Hochzeit in Zagreb sitzen gelassen hat. In Split kommt das Trio wieder zusammen. Stascha ist überzeugt, dass Milan Kontakte zur Mafia hatte und sie verlassen hat, um sie zu schützen. Das scheint sich zu bestätigen, als sein Club eines Nachts in Flammen aufgeht. Die Leiche im Büro ist zwar bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, aber Stascha identifiziert ihren früheren Verlobten anhand eines Anhängers. Die Mordmethode – zwei Schüsse in die Knie, einer ins Herz – legt eine Hinrichtung nahe. Tatsächlich ist am Abend zuvor ein Mitglied der Zagreber Mafia-Familie Memic in Milans Club aufgetaucht. Rechtsmedizinerin Stevic (Sarah Bauerett) stößt bei der Obduktion allerdings auf einige Ungereimtheiten, die nur eine Schlussfolgerung zulassen: Der Tote ist nicht Milan, sondern der Mafioso. Die Memics, die sich offenbar auch in Split breit machen wollen, werden ihn so lange jagen, bis sie Rache nehmen können; Stascha muss den Mann, den sie immer noch liebt, um jeden Preis zuerst finden. Minka spielt in der Geschichte ebenfalls eine entscheidende Rolle, aber die ist ebenso unrühmlich wie unplausibel.

„Jagd auf einen Toten“ gehört ohnehin zu den eher schwächeren Episoden der Reihe, selbst wenn die Bildgestaltung (Anton Klima) durch viele Urlaubseinstellungen erfreut. Türkisfarbener Himmel, tiefblaues Meer, flirrendes Sommerlicht, Kameraflüge über die Altstadt, eindrucksvolle Nachtaufnahmen: Mitunter wirkt der Film, als wäre der Krimi bloß ein Vorwand für schöne Adriabilder. Die hartgesottene Mafia-Familie hätte ein reizvoller Kontrast dazu sein können, aber die Mitglieder fallen viel zu klischeehaft aus: hier der Patriarch, Zlatan Memic (Ralf Dittrich), ein Gangster von altem Schrot und Korn, dort der in seinen Augen verweichlichte Sohn, bei dessen Verkörperung Franz Dinda bestimmt an Al Pacino als Michael Corleone in „Der Pate“ (Teil zwei) gedacht hat: Rade Memic ist kein Schläger, sondern ein Geschäftsmann, der für die seriöse Fassade der Familie zuständig ist. Dritter im Bunde ist Zlatans Neffe Mirko; Eugen Bauder hat allerdings kaum mehr zu tun als möglichst kernig dreinzublicken. Am Ende kommt es zu einer Schießerei, die unter anderem zur Folge hat, dass die Memics ihre Split-Pläne ein für alle Mal begraben können – aber Stascha auch all’ ihre Hoffnungen. Die Wahl des Drehorts für den Showdown in der altrömischen Ruinenstadt Salona sorgt immerhin für weitere faszinierende Bilder.

Der Kroatien-Krimi – Jagd auf einen TotenFoto: Degeto / Conny Klein
Stascha (Jasmin Gerat) will von Minka (Jenny Meyer) endlich die Wahrheit wissen.

Eine sympathische Idee ist auch die Mitwirkung von Rufus Beck: Staschas Chef (Herbrechter) fragt sich, ob seine Mitarbeiterin womöglich selbst mit der Mafia unter einer Decke steckt, und reist nach Zagreb, um mit ihrem früheren Vorgesetzten und Novak senior (Beck) zu sprechen. Er trifft den Mann beim Fliegenfischen, krempelt die Hosenbeine hoch und gesellt sich zu ihm ins Wasser; einer der schönsten Momente des Films. Das Gespräch mit dem Kollegen ist indes unfreiwillig komisch, weil der Mann wie eine Karikatur des Balkan-Machos wirkt. In eine ähnliche Schiene rutschen viele Szenen mit Gerat. Der alte Memic sagt über Stascha, sie habe „kroatisches Feuer“, weshalb er ihr auch abnimmt, dass sie ihren Ex-Verlobten rachsüchtig der Mafia ans Messer liefert. Entsprechend emotional legt Gerat ihre Rolle an: Wenn die Kommissarin nicht gerade schreit, heult oder kotzt, wirft sie mit Kraft-Ausdrücken um sich; möglicherweise hatten Kreindl, Darnstädt & Gerat aber auch nur einen radikalen Gegenentwurf zum beherrschten Standardbild deutscher TV-Ermittlerinnen im Sinn. (Text-Stand: 31.3.2021)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Jasmin Gerat, Lenn Kudrjawizki, Kasem Hoxha, Max Herbrechter, Sarah Bauerett; Episoden-Rollen: Jenny Meyer, Henning Vogt, Ralf Dittrich, Franz Dinda, Eugen Bauder, Rufus Beck

Kamera: Anton Klima

Szenenbild: Ivo Husnjak, Ivana Skrabalo

Kostüm: Iva Krapinec

Schnitt: Simone Sugg-Hofmann, Nina Meister

Musik: Titus Vollmer

Soundtrack: Dalmatino („Viruj u Mene“)

Redaktion: Barbara Süßmann, Katja Kirchen

Produktionsfirma: Constantin Television

Produktion: Karsten Rühle, Friedrich Wildfeuer

Drehbuch: Christoph Darnstädt

Regie: Michael Kreindl

Quote: 5,56 Mio. Zuschauer (17,6% MA); Wh. (2023): 4,80 Mio. (20,7% MA)

EA: 22.04.2021 20:15 Uhr | ARD

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