Ob die neue ARD-Marke „Der Kroatien-Krimi“ einen Einschaltimpuls auslöst, wird sich zeigen. Die Wahl der Hauptdarstellerin jedenfalls ist auf den ersten Blick mutig, angenehm mutig (wo doch andere Sender beim Cast nur noch auf Nummer sicher gehen): Der Name Neda Rahmanian wird kaum jemandem etwas sagen; ihr Gesicht schon eher, auch wenn sie vor allem Nebenrollen gespielt hat. Und dann kam „Leberkäseland“: In der Tragikomödie über eine zu Beginn der Sechzigerjahre eingewanderte türkische Familie spielte sie die weibliche Hauptrolle, eine Feministin, die von einer Karriere als Mathematik-Professorin träumt, aber dann mit ihrem Mann in der westdeutschen Provinz landet, wo Frauen an den Herd gehören.
Es gibt sogar Parallelen zwischen der türkischen Mutter und Branka Marić, der Heldin der „Kroatien-Krimis“: Ihr Chef (Max Herbrechter) überträgt ihr die Leitung der Mordkommission Split, obwohl die Gesellschaft, wie er selbst feststellt, noch nicht so weit sei. Tatsächlich muss sich Branka mehrfach gegenüber einer schwerhörigen Altherrenhunde rechtfertigen, die, wie sie beiläufig feststellt, vermutlich schon Tito auf die Nerven gegangen ist. Befragte Zeugen halten regelmäßig den Kollegen Emil (Lenn Kudrjawizki) für ihren Chef. Auf diese Weise kann sich das Drehbuch einiger Versatzstücke bedienen, wie sie hierzulande typisch für die einige Krimis der Achtziger waren, als der SWR die „Tatort“-Kommissarinnen etablierte.
Foto: Degeto / Erika Hauri
Auch sonst spielt die Vergangenheit im ersten „Kroatien-Krimi“ eine große Rolle. Im Hinterland des Urlaubsparadieses sind die Spuren des Bürgerkriegs nach wie vor sichtbar; für die Erinnerungen in den Köpfen gilt das erst recht. Entsprechend diffizil ist der erste Fall, den die neue Leiterin gemeinsam mit Emil und dem rotblonden Borko (Kasem Hoxha) lösen soll: Zwanzig Jahre nach dem Ende des Krieges scheint irgendjemand späte Rache zu nehmen, denn nacheinander werden die Mitglieder einer bestimmten Einheit ermordet. Als erstes erwischt es den Anführer, der wegen seiner Grausamkeit angeblich als „Teufel von Split“ galt; er soll damals einen seiner Männer gezwungen haben, einen jungen Serben zu erschießen. Nächstes Opfer ist ein Mann, der es immerhin zum aktuellen Baudezernenten von Split gebracht hat. Da die weiteren Soldaten tot oder vermisst sind, bleibt schließlich nur noch einer übrig: Jerko Novak, ein Baulöwe, dem diverse Einkaufszentren gehören.
Schon allein die Besetzung des Bauunternehmers mit Ralph Herforth macht den Mann in hohem Maß verdächtig, zumal gleich seine erste Szene finstere Absichten andeutet. Besonders schurkisch ist sein Verhalten gegenüber der Frau des Dezernenten, mit der er ein Verhältnis hat. Sie wirft zu Beginn ein Foto ins Wasser, das die Mitglieder der Einheit zeigt. Dieses Bild wird noch öfter auftauchen, denn es betrifft auch Branka: Einer der Männer ist ihr Bruder, der zum Zeitpunkt der Aufnahme angeblich bereits seit zwei Jahren tot war.
Foto: Degeto / Erika Hauri
Die vielen Verweise auf die Vergangenheit machen nicht nur den Reiz des Films aus, sie verhelfen der Geschichte auch zu einem Alleinstellungsmerkmal. Während andere Auslands-Krimis der ARD oft auch in Berlin spielen könnten, ist „Der Teufel von Split“ untrennbar mit dem Schauplatz verbunden. Die Handlung ist ohnehin sehr komplex. Christoph Darnstädt hat zuletzt vor allem die Drehbücher für die „Tatort“-Auftritte von Til Schweiger geschrieben, aber zu seiner Filmografie gehören auch „Die Grenze“ oder die romantische Komödie „Das Zimmermädchen und der Millionär“ (Deutscher Fernsehpreis 2005). Das Action-Element spielt hier keine große Rolle, doch zwischen den Figuren tut sich um so mehr. Interessant ist auch die Biografie der Heldin: Branka hat einen deutschen Vater. Ihre Eltern waren Ärzte, sie hat in Deutschland Medizin studiert. Warum sie das Studium abgebrochen hat, um in Split zur Polizei zu gehen, ist eine der vielen Fragen, die in möglichen weiteren Folgen hoffentlich beantwortet werden. Ihr Bruder, auch das eine originelle Idee, ist Handballstar, ihr Freund Kai ein deutscher Pilot; Andreas Guenther, im Rostocker „Polizeiruf“ so etwas wie der interne Gegenspieler seines Chefs und auch sonst meist als Antagonist besetzt, darf endlich mal eine durch und durch sympathische Figur verkörpern. Größeres Potenzial hat allerdings eine weitere Rolle, selbst wenn Aleksandar Jovanovic als Brankas offenbar wohlhabender bester Freund zunächst kaum mehr zu tun hat, als die Kommissarin zu bekochen; das ändert sich bestimmt noch, denn auch er hat anscheinend Dreck am Stecken.
Die Inszenierung durch den fleißigen Michael Kreindl (zuletzt „Lena Lorenz“) ist routiniert, ohne besondere Akzente zu setzen. Es gibt viele der für solche Filme obligaten Urlaubsbilder, aber auch Aufnahmen von weniger schönen Stadtteilen. Sehenswert ist „Der Teufel von Split“ vor allem wegen Neda Rahmanian, die eine ausgezeichnete Besetzung für die Hauptfigur ist, zumal die nur scheinbar eindimensionale Figur der selbstbewusst-attraktiven Kommissarin viele Facetten bietet. Ähnlich vielschichtig ist die Handlung, die längst nicht so gradlinig verläuft, wie es anfangs aussieht. Fortsetzungspotenzial hat auch der Schluss, als der Mörder die vergeblich auf ihre Kollegen hoffende Polizistin gefesselt ins Meer wirft. Dass sie nicht ertrinkt, ist klar; aber wie sie gerettet wird, ist ein kleiner Knüller. (Text-Stand: 10.8.2016)