Gern steht er am Strand oder auf einer Klippe und schaut hinaus aufs Meer. Er sucht die Weite, um den nötigen Abstand zu sich und seinem Beruf zu finden. Der Mann ist Kommissar, ein typisch nordischer Ermittler, könnte man meinen. Dabei ist dieser Robert Anders Deutscher. Auf der schwedischen Ferieninsel Gotland tut er seinen Dienst. Hier lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern. Er ist emotional höchst engagiert, ein Kommissar aus innerer Überzeugung, doch die Familie ist ihm ebenso wichtig. Deshalb sucht Anders immer wieder jene kurzen, intensiven Momente der stillen Einkehr.
„Der Kommissar und das Meer“ ist eine neue Krimireihe im ZDF. Inspiriert von den skandinavischen Krimis wie den „Wallander“- oder „Kommissar Beck“-Dauerbrennern hat sich der Mainzer Sender nun einer schwedischen Autorin der jüngeren Generation angenommen. Die langjährige Journalistin Mari Jungstedt hat bislang erst fünf Romane geschrieben, davon hat sie allein in Schweden über eine Million Exemplare verkauft. Wie ihr Held lebt auch sie auf Gotland. Für die 45-jährige Autorin liefert die Insel das perfekte Krimimilieu. „Hier ist man abgeschnitten vom Rest der Welt“, so Jungstedt, „das Böse kommt in dieser Gesellschaft näher.“ Es rückt den Betroffenen heftiger zu Leibe. Und ein Krimi auf Gotland muss von Stimmungen, Landschaften, Seelenzuständen erzählen. „Für mich ist es am wichtigsten, von der Psychologie hinter dem Mord zu erzählen, darüber, was einen Menschen so weit treibt, dass er zum Mörder wird.“
„Die Krimis von Wallander haben in Deutschland einen besonderen Nerv getroffen“, sagt Hauptdarsteller Walter Sittler. „Sie haben dem idyllischen Bild von Schweden ein paar Schatten hinzugefügt.“ Diese Schatten nimmt nun „Der Kommissar und das Meer“ auf, wenngleich die Stimmung der ersten beiden Filme – trotz grausamer Morde – nicht ganz so düster und existentiell bedrohlich erscheinen wie andere Schweden-TV-Krimis. Wie auch in Jungstedts Büchern wird Gotland eher als heller, freundlicher Ort vorgestellt – umso schärfer gerät gelegentlich der Kontrast zwischen Bild und Wirklichkeit, zwischen dem gelebten Alltag und den seelischen Abgründen, die sich in ihm auftun. Im ersten Film der Reihe werden zwei Frauen auf identische Art ermordet – Tatwaffe eine Axt, im Mund ein Höschen. Unter Verdacht stehen mehrere Männer aus dem direkten Umfeld. Doch der Kommissar zieht in Erwägung, dass es auch ein Serientäter sein könnte, der hier sein Unwesen treibt.
Robert Anders ist eine interessante Figur. Er kennt das Leben, nichts Menschliches ist ihm fremd. Und es schlummert so einiges in seiner Seele. Diese Figur ist ausbaufähig und sie weckt Interesse beim Zuschauer. In „Den du nicht siehst“ wird angedeutet, dass er aus familiären Gründen einst seiner Heimat den Rücken gekehrt hat. Als er noch ein Kind war, ist seine Schwester ertrunken. Sein Vater soll ihm zeitlebens die Schuld dafür gegeben haben. Auch wenn das Familienleben nahezu perfekt erscheint – diese Last ist vor allem in den sehr sensiblen Bildern zwischen Anders und seinem Sohn spürbar. In dieser Nebengeschichte, die getragen wird von der Angst der Ausgrenzung, entwickelt sich wunderbar beiläufig das Mordmotiv parallel zur Krimihaupthandlung.
„Eine besondere Herausforderung bestand darin, eine Erzählstruktur zu finden, in der deutsche und skandinavische Darsteller glaubhaft und homogen im Landschaftsbild agieren können“, betont Klaus Bassiner, Reihen- und Serien-Chef im ZDF. Das Resultat ist sehenswert. Selten ist eine internationale Koproduktion, gedreht auf englisch, schwedisch und deutsch, trotz Synchronisation so stimmig geraten. Die deutschen Schauspieler Walter Sittler und Henning Baum passen sich bestens ein in das Who is Who der skandinavischen Schauspielerszene mit Namen wie Sólveig Arnardsdóttir („Das Duo“), Frida Hallgren („Wie im Himmel“), Inger Nilsson, die vor fast 40 Jahren Pippi Langstrumpf war, und Paprika Steen („Das Fest“). Klug halten sich auch bei der Regie von Anno Saul Mankell-Tristesse, Dogma-Frische und das Sehnsuchtsland Schweden die Waage.