„Flieg mit Air-T-L“ hieß 1994 eine zu Recht in Vergessenheit geratene und bereits nach drei Ausgaben wieder abgesetzte RTL-Produktion von und mit Frank Elstner. Es handelte sich um die erste Spielshow, die aus einem Flugzeug gesendet wurde; der Flieger befand sich auf dem Weg zu einem zwischendurch ausführlich vorgestellten reizvollen Reiseziel. Knapp dreißig Jahre später sorgt RTL immer noch dafür, dass Daheimgebliebene, die sich keinen Sommerurlaub leisten können, zumindest ein bisschen mediterranes Flair mitbekommen. Gerade die Balearen sind bei deutschen Sendern ohnehin sehr beliebt („Hai-Alarm auf Mallorca“, RTL, 2004), obwohl die Produktionen oft ähnlich floppten wie die Elstner-Show; das Spektrum reicht von der täglichen Serie „Mallorca – Suche nach dem Paradies“ (ProSieben, 1999) bis zur ARD-Reihe „Toni Costa – Kommissar auf Ibiza“ (2011), die nach zwei Filmen wieder eingestellt wurde. „Balko Teneriffa“ (RTL, 2022) spielte zwar auf den Kanaren, war aber auch alles andere als ein Quotenhit.
Foto: RTL / Pepbonet
Für „Der König von Palma“ galt das ebenfalls. Dass die an Ostern 2022 ausgestrahlte Serie kein Totalflop war, lag an der halbwegs erfolgreichen ersten Doppelfolge; anschließend sackte die Quote auf gut 4 Prozent. Trotzdem hat RTL eine zweite Staffel in Auftrag gegeben, die der Einfachheit halber die gleiche Geschichte noch einmal erzählt: Die Handlung beginnt 1992, Matti Adler hat sich mit seinem „Bier-Adler“ etabliert und will expandieren, wird aber ständig vom finsteren Gegenspieler Díaz schikaniert, der die meisten Kneipen kontrolliert. Mindestens ebenso viel Gewicht hat die emotionale Ebene: Der Familienvater hat ein leidenschaftliches Verhältnis mit seiner früheren Kellnerin Bianca, die endlich mehr sein will als seine heimliche Geliebte. Mittlerweile arbeitet sie als Managerin für Díaz, der ihr ein Job-Angebot macht, dass sie kaum ablehnen kann. Die Chance ihres Lebens ist jedoch mit einer Bedingung verknüpft: Sie muss die Beziehung mit Matti beenden, was sie schließlich auch tut, nachdem ihr mehrere Mitmenschen versichert haben, dass er seine Familie nie verlassen werde.
Auch personell gibt es eine Veränderung: Sylvie Adler wird nicht mehr von Sandra Borgmann, sondern von Heike Makatsch verkörpert, weshalb Mattis Gattin im Prolog („Was bisher geschah“) nur akustisch präsent ist. Der mit einem Augenzwinkern eingeführte Wechsel („Siehst irgendwie anders aus“) ist zunächst verblüffend, schließlich genießt die Nachfolgerin Star-Status und sieht sich selbst bestimmt nicht als Ersatzspielerin. Wenn der Eindruck nicht täuscht, ist die Rolle nun jedoch umfangreicher, was sich auch inhaltlich rechtfertigen lässt: Matti, von Henning Baum nicht wie ein ehemaliger Autoverkäufer aus dem Ruhrpott, sondern als vom Leben gezeichneter Abenteurer verkörpert, eröffnet der Gattin ausgerechnet während der Hochzeitstagsfeier, dass er sie verlassen will. Eine echte Weiterentwicklung hat das von Veronica Priefer und Yves Hensel angeführte Drehbuchteam jedoch nur Bianca gegönnt: Die Leipzigerin hat ihre Wurzeln und damit auch ihr Sächsisch endgültig hinter sich gelassen; Pia-Micaela Barucki versprüht in ihrer Rolle erneut jede Menge Energie und Esprit und ist wie schon in der ersten Staffel ein echter Einschaltgrund.
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Das Ensemble ist ohnehin gut zusammengestellt, selbst wenn Makatsch, gebürtige Düsseldorferin, gelegentlich bei dem Versuch stolpert, wie eine Dortmunderin zu klingen. David Lifschitz ist eine gute Besetzung als Schurke mit Stil, der sich selbstredend nicht persönlich die Finger schmutzig macht, wenn seine Schergen Mattis Personal zusammenschlagen oder seinen Animateur Jupp (Lucas Prisor) entführen und foltern. Dass einer seiner Geschäftsführer (Sönke Möhring) die Beach-Party vor dem „Bier-Adler“ durch Hooligans aufmischen lässt, geht Díaz allerdings zu weit. Die Bierkampfebene wird ohnehin erst richtig interessant, als er seine Beziehungen spielen lässt. Der neue Polizeichef ist zwar leider nicht korrupt, aber die Bürgermeisterin lässt sich willig vor seinen Karren spannen, weshalb der Traum von der Expansion doch noch zu platzen droht. Am Rande treibt noch Mattis Bruder (André M. Hennicke) sein Unwesen: Uwe handelt mit Koks, benutzt den zehnjährigen Neffen als Kurier und muss seine Gier schließlich bitter bezahlen. Die Handlung wandelt sich in der zweiten Serienhälfte ohnehin zur familiären Tragödie, sodass Matti zunehmend zum traurigen Antihelden seiner zertrümmerten Erfolgsgeschichte wird. Zuvor haben die Brüder aber noch das Sangriasaufen erfunden: Weil ihnen die Gläser ausgegangen sind, kredenzen sie das Weingemisch kurzerhand in Eimern mit riesigen Strohhalmen.
Der Rest ist Augenfutter. Schöne Bilder gibt’s auf Mallorca ohnehin gratis, zumal Matti auch mal ins Hinterland fahren darf, um sich mit Bianca zu treffen. Die Bildgestaltung wirkt diesmal sogar etwas aufwändiger und betont die mediterrane Stimmung noch stärker; die Farben sind wie in vielen Mittelmeerproduktionen leicht fahl, um den Eindruck großer Hitze zu verstärken. Wenn Jupp am Strand freies Bier für freie Brüste verspricht, fallen zudem diverse Hüllen. Baum wiederum darf in knappem Badehöschen zeigen, dass er auch mit fünfzig noch eine fabelhafte Figur macht. Nostalgiker können sich zudem neben den Hits aus den frühen Neunzigern über Evergreens von Rex Gildo oder Costa Cordalis freuen. Seltsam nur, dass die Spanier auch untereinander allesamt Deutsch mit starkem Akzent sprechen. Am Ende bleiben einige entscheidende Fragen offen, die möglicherweise in einer dritten Staffel beantwortet werden. (Text-Stand: 28.6.2023)