Der Irland-Krimi – Vergebung

Désirée Nosbusch, Conlon, Walsh, Schiller/Wendt, Züli Aladag. Ein Leben für ein Leben

Foto: Degeto / Züli Aladag
Foto Tilmann P. Gangloff

Der neue „Irland-Krimi” (Degeto / Good Friends“) mit Désirée Nosbusch als Kriminalpsychologin erzählt zwar eine interessante Geschichte, leider aber mit Schwächen. „Vergebung“ ist zwar von großer Brisanz, weil das Drehbuch die neuen Konflikte um die innerirische Grenze aufgreift, wird aber erst gegen Ende spannend. Da die weiteren deutschen Mitwirkenden neben Nosbusch nicht viel zu tun haben, wirkt der hörbar synchronisierte Film wie eine Importproduktion. Bildgestaltung und Musik sind allerdings wieder ausgezeichnet.

Durch den „Brexit” ist ein Konflikt neu entflammt, der zumindest oberflächlich seit vielen Jahren befriedet schien: Seit Großbritannien die Europäische Union verlassen hat, endet die EU an der Grenze zwischen Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Norden des Landes. Die Teilung jährt sich in diesem Jahr zum hundertsten Mal, aber die Wurzeln des Konflikts sind viel älter. Der vierte „Irland-Krimi” nutzt die Brisanz für eine zumindest potenziell interessante Handlung: Vor einiger Zeit war Greg O’Leary (Gavin Fullam) als IRA-Terrorist an einem Anschlag beteiligt. Weil er zugestimmt hat, sich im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs mit dem Sohn eines damals verstorbenen Mannes zu treffen, ist er vorzeitig entlassen worden. Aber die Vergangenheit lässt sich nicht ungeschehen machen und die Betroffenen nicht mehr los: Daniel Ward (Parnell Scott), zusätzlich durch einen Afghanistan-Einsatz traumatisiert, will nicht Vergebung, sondern Rache; und Gregs Komplize, dessen Namen er nie verraten hat, will den bewaffneten Kampf fortsetzen. Zwischen den Fronten steht seine Frau (Roisin O’Neill), und das in gleich mehrfacher Hinsicht: Sie hat damals vor dem Anschlag die Polizei informiert und ihren Gatten auf diese Weise ins Gefängnis gebracht. Außerdem besitzt sie Fotos, die die Beteiligung des zweiten Mannes beweisen. Ihr Schweigen will sie sich teuer bezahlen lassen. Dass sich die Ehe nicht reibungslos fortsetzen lässt, zumal auch der gemeinsame Sohn heftig fremdelt, versteht sich ohnehin von selbst.

Die Geschichte hat also durchaus Potenzial, auch wenn Zuschauern, die den Nordirland-Konflikt nur von Ferne kennen, mitunter ein paar Hintergrundinformationen fehlen könnten; nicht jeder wird wissen, was es mit dem 1998 geschlossenen „Karfreitagsabkommen” auf sich hat. Als Cathrin zu Beginn mit Polizeichef Kelly nach Belfast fährt, um dort im Rahmen eines Vortrags vor Mitarbeitern des Strafvollzugs dafür zu plädieren, inhaftierte IRA-Kämpfer als politische Gefangene anzuerkennen, verdeutlicht Aladag mithilfe einiger Wandgemälde, wie präsent die Vergangenheit immer noch ist. Später schildert Greg sehr nachvollziehbar, warum er quasi gar nicht anders konnte, als sich der Irisch-Republikanischen Armee anzuschließen.

Der Irland-Krimi – VergebungFoto: Degeto / Züli Aladag
Emma (Mercedes Müller) und Paul Blake (Rafael Gareisen) haben eine Affäre. „Der Irland-Krimi – Das Verschwinden“

Allerdings hat „Vergebung” die gleichen Schwächen wie der vorherige Film. Da beide Episoden zur gleichen Zeit gedreht worden sind, gelten zwar die gleichen positiven Bewertungen etwa der sorgfältigen Bildgestaltung oder der Musik, aber auch „Vergebung” wirkt wie ein importierter und daher größtenteils synchronisierter Krimi. Der Abspann enthält neben den wichtigsten deutschen Stimmen den Hinweis, dass Aladag selbst die Dialogregie übernommen hat; zu den Sprechern gehört unter anderem Constantin von Jascheroff (Greg). Trotzdem gibt es neben typischen Synchron-Redensarten („Komm’ mal runter”, wenn sich jemand beruhigen soll) auch diese seltsamen Pausen mitten im Satz. Weil sowohl die deutschen Schauspieler als auch die Synchronsprecher „IRA” englisch aussprechen müssen, kommt es jedes Mal zu einem Stolperer im Redefluss.

Größeres Manko ist jedoch erneut der Umgang mit den Nebenfiguren. Während Mercedes Müller auch diesmal bloß dekoratives Beiwerk ist, tut sich Rafael Gareisen vor allem durch mahlende Kiefer und aufgerissene Augen hervor. Die jungen männlichen Figuren sind ohnehin allesamt von großem Zorn erfüllt, was sich meist im Brüllen des Wortes „Fuck“ und in zielloser Wut äußert. Alle drei tun sich zudem schwer, die entsprechenden Emotionen so darzustellen, dass sie nicht übertrieben wirken. Gerade Gareisen gelingt es nicht, Mitgefühl mit Paul zu wecken. Désirée Nosbusch hat ebenfalls nicht viel Spielmaterial. Cathrin soll zwischen Greg und Daniel vermitteln, auch Aideen schüttet ihr irgendwann ihr Herz aus, aber sonderlich erfolgreich ist die Psychologin dabei nicht. Immerhin wird der Film gegen Ende einigermaßen spannend, als Gregs Leben auf dem Spiel steht. Seltsam desintegriert ist dagegen das weitere Schicksal des früheren Maulwurfs; mitunter hat es den Anschein, als habe das Autorenduo das Interesse an dieser Figur verloren. Auch diese Ebene spitzt sich zu, als Joyce die Tochter des früheren Polizisten und Verräters entführt; die Jagd nach dem Gangsterboss wird wohl weitergehen. (Text-Stand: 8.3.2021)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Désirée Nosbusch, Declan Conlon, Vincent Walsh, Mercedes Müller, Rafael Gareisen.

Episodenschauspieler: Gavin Fullam, Roisin O’Neill, Parnell Scott

Kamera: Roland Stuprich

Szenenbild: Peter Menne

Kostüm: Stephanie Rieß

Schnitt: Julia Oehring

Musik: Sebastian Fillenberg

Soundtrack: U2 („Sunday, Bloody Sunday“), Leonard Cohen („Famous Blue Raincoat“)

Redaktion: Katja Kirchen, Christoph Pellander

Produktionsfirma: good friends Filmproduktion

Produktion: Sabina Arnold, Moritz von der Groeben

Drehbuch: Christian Schiller, Marianne Wendt

Regie: Züli Aladag

Quote: 3,92 Mio. Zuschauer (12,9% MA)

EA: 01.04.2021 20:15 Uhr | ARD

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