In der Kleinstadt Lautringen ist der Neubau einer Moschee beschlossene Sache, doch Bürgermeisterin Ursel Piepenkötter (Stieblich) erhält Gegenwind aus der eigenen Partei. Dr. Schadt (Busch) agitiert gegen die „Islamisten-Fabrik“ und bringt sich damit als Gegenkandidat in Stellung. Piepenkötter beschließt, den Moschee-Bau nun lieber selbst zu verhindern, um Schadt den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dazu muss sie sich mit dem neuen Hodscha (Sözer), dem Religionsgelehrten der muslimischen Gemeinde, anlegen. Gleichzeitig freunden sich Piepenkötters Sohn Patrick (Hardung) & Hülya (Simsek), die Tochter des Hodschas, an.
Foto: WDR / Martin Valentin Menke
Der WDR-Film „Der Hodscha und die Piepenkötter“ nimmt leicht, was zurzeit schwer auf die Stimmung drückt: der Konflikt zwischen den Kulturen. Nun sind „culture clash“-Komödien nichts Außergewöhnliches mehr, hier geht es aber mal nur am Rande um Liebe, Hochzeiten oder Familiendramen. Das Drehbuch von Gernot Gricksch nach dem Roman von Birand Bingül thematisiert vor kleinstädtischer Kulisse die Angst „besorgter Bürger“ vor dem Islam und gleichzeitig die Vorbehalte konservativer Muslime gegenüber „Andersgläubigen“. Ein Film über gegenseitige Vorurteile also. Ein Film, der die Botschaft verbreiten will, dass trotz aller Differenzen ein friedliches Zusammenleben möglich ist. Und ein Film, der das Publikum in einer Zeit zum Lachen bringen will, in der vielen – aus unterschiedlichen Gründen – das Lachen vergangen ist. Dem Vorhaben kann man nur Erfolg wünschen.
Nun ist der Humor über weite Strecken eher von der simplen Art, aber wenn das Lachen befreit, soll es recht sein. In der Inszenierung von Buket Alakus gilt: Je extremer die Einstellungen, desto karikaturenhafter die Figurenzeichnung. Da gibt es den vollbärtigen, immer finster dreinblickenden Strenggläubigen namens Osman (Hasan Ali Mete), der lieber selbst Hodscha geworden wäre und für den die Bürgermeisterin nur eine „ungläubige Hexe“ ist. Der irre Blick, das stumpfe Radebrechen – Osman ist eine Figur, die sich kein Islam-Skeptiker klischeehafter ausdenken könnte. Auf der anderen Seite des Spektrums sind die tumben Fremdenfeinde immerhin mal keine Hooligans, sondern zwei ganz normal gekleidete Herren, radikalisierte Biedermänner, die nur aus Altersgründen Glatze tragen. Geblieben ist die Möglichkeit, sich über deren Dämlichkeit zu amüsieren. Etwa wenn sie vom Rechtspopulisten Schadt, der sie als willige Werkzeuge benutzt, als „prügelnde Primaten“ bezeichnet werden und daraufhin, ratlos wegen des Fremdworts, die Köpfe zusammenstecken. Oder wenn der eine beim vergeblichen Versuch, den Koran zu verbrennen, gegen einen Laternenmast läuft.
Foto: WDR / Martin Valentin Menke
Neben solch schadenfrohem Klamauk strotzen auch die Dialoge trotz gelegentlicher Koran- und Bibel-Zitate nicht gerade vor tiefgründigem Witz, eher von Pointen dieser Art: Beim Antrittsbesuch des Hodschas reicht die Bürgermeisterin Gebäck, genauer gesagt Schweinsohren. Da sei kein echtes Schwein drin, klärt sie auf, als der Hodscha stutzt. „Ist aber saulecker.“ Irritierend auch der Handlungsstrang um Piepenkötters Assistent Meyer (Eric Klotzsch). Der muss der Bürgermeisterin die Füße massieren und ihren Mundgeruch kontrollieren. Meyer ist angeekelt, aber zu schüchtern, um sich zu wehren. Piepenkötter bezeichnet ihn im Beisein mit der von Meyer angebeteten jungen Kollegin ironisch als „meinen kleinen Lustsklaven“, was ziemlich gemein ist. Vielleicht soll das eine raffinierte Umkehrung sexistischer Rollenmuster sein, in denen Sekretärinnen als in jeder Beziehung dienstbare Geister ihrer Chefs dargestellt werden. Und vielleicht muss man es als Fortschritt sehen, dass solche Witzfiguren nicht mehr nur für Frauen ausgedacht werden. Aber selbst in einer Sitcom hätte eine Figur wie dieser bedauernswerte Meyer mehr Gelegenheiten bekommen, Charakter zu entfalten und vielleicht gar Sympathien zu wecken, nicht nur Schadenfreude oder Mitleid.
Davon abgesehen: Drehbuch und Inszenierung entwickeln ein gutes Tempo, und vor allem die beiden Hauptfiguren und das Zusammenspiel von Anna Stieblich und Hilmi Sözer bieten die Grundlage für eine solide Komödie. Sie spielt eine selbstgewisse Politikerin, die sich vor allem für ihr Amt interessiert. Er ist ein moderater, westlich orientierter Muslim, der dazu neigt, leicht aus der Haut zu fahren. Beide sind alleinstehend, ihre privaten Vorgeschichten, ihre kleinen Macken und die Konflikte mit den Kindern verleihen den Figuren Profil. Die Besetzung ist sicher nicht ohne Kalkül gewählt. Anna Stieblich ist aus „Türkisch für Anfänger“ auch einer jüngeren Zielgruppe bekannt, und Hilmi Sözer („Meine verrückte türkische Hochzeit“) zählt ohnehin zu den prominentesten deutsch-türkischen Schauspielern.
Foto: WDR / Martin Valentin Menke
Die Bürgermeisterin und der Hodscha versuchen sich auszutricksen und sind sich doch nicht ganz unsympathisch – ein Duell im Stile von „Don Camillo und Peppone“. Bei Haschkeksen und Bruce-Springsteen-Songs lockert sich die Stimmung, mehr geschieht zwischen den beiden zum Glück nicht. Beide Figuren sind keine lupenreine Sympathieträger, ruhen aber auf angenehme Weise in sich selbst, während um sie herum die Sache eskaliert. Die Komödie entwickelt sogar eine gewisse Bissigkeit: Der saubere Dr. Schadt zettelt fiese Intrigen an, um den Hodscha zu provozieren. Schließlich machen die Extremisten gemeinsame Sache. „Wir haben eine Menge Gemeinsamkeiten“, sagt Schadt zu Osman. „Wir können zum Beispiel beide die Juden nicht leiden.“ Um den gemäßigten Hodscha los zu werden, werden beide „Verbündete auf Zeit“. Aber nicht nur die Fanatiker bekommen hier ihr Fett weg. Dass Ursel Piepenkötter Artenschutz gegen Religionsfreiheit ausspielt und die Moschee mit der Ockernden Kreuzkröte („Die wird bald gesichtet“) verhindern will, ist ein hübscher Seitenhieb gegen die vermeintliche Toleranz des liberalen Bürgertums. Und mit des Hodschas Aufgeschlossenheit ist es schnell zu Ende, wenn die Tochter einen eigenen Willen entwickelt.
Die Sache läuft leider auf ein wenig prickelndes Finale zu – bei einer Podiumsdiskussion renkt sich alles halbwegs wieder ein. Immerhin überzeugt die Idee, dass unter der Burka eine unterschätzte, clevere Frau steckt. Osmans Frau Cicek (Sermin Kayik) kennt sich bestens mit Computern und Videokameras aus, torpediert die Intrigen der Extremisten und emanzipiert sich von ihrem engstirnigen Mann. (Text-Stand: 27.1.2016)