Das Schicksal hat der 17jährigen Mia in den letzten Jahren übel mitgespielt. Zunächst wurde sie gegen ihren Willen von den Eltern aufs Internat abgeschoben. Vor zwei Jahren dann hat ihre Mutter Mias Vater und danach sich selbst erschossen. Das Mädchen hat den entsprechenden Ruf weg und sie kennt ihre Rolle: „Im Internat bin ich die Irre.“ Selbst ihre Zimmernachbarin wendet sich von ihr ab, nachdem Mia durch immer seltsameres Verhalten auffällt. Ihr Wille lässt Schränke krachen und Knochen brechen; sie scheint übernatürliche Kräfte zu haben. Während sie sich für Jungen nicht weiter interessiert, verguckt sie sich ausgerechnet in ihren neuen Turnlehrer. Kein Wunder, der war mal ein Engel, ist im Auftrag des Leibhaftigen unterwegs und soll nun dem Engel Jeremiel dabei helfen, das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle zu zerstören. Doch jener Azrael, der getarnt als sympathisch-unauffälliger Lehrer im Internat den Schlüssel für die Apokalypse, das „Abaddon“, aufstöbern soll, will sich dem Einfluss des Teufels entziehen. Und auch er verliebt sich in Mia.
„Der Himmel zwischen den Welten“ gehört zu drei Nachwuchsprojekten, die von Pro Sieben und Sat 1 mitfinanziert wurden und die im Juli 2015 auf dem kleinen Tochterkanal Sixx zur Ausstrahlung kommen. Die Mystery-Mär mit weiblicher Identifikationsfigur passt besser ins Umfeld des „Mädelsenders“ (der unter anderem „Buffy – Im Bann der Dämonen“, „Ghost Whisperer“ oder „Charmed – Zauberhafte Hexen“ zeigt) als die beiden anderen Diplomfilme der Filmhochschule Baden-Württemberg, die sich dem Männergenre Thriller verschrieben haben. Dafür allerdings ist der Film, dessen Arbeitstitel „Chronik der Engel – Zwischen den Welten“ war, bevor er unter „Die Liebe unserer Eltern“ dieses Jahr auf dem Max Ophüls Festival lief, die schwächste der drei Produktionen. Sowohl die Idee, den Nachwuchs zu fördern, als auch die Idee, mit dem Knowhow der Ludwigsburger Filmhochschule das seit dem Niedergang des privaten TV-Movies danieder liegende Genre-Handwerk wiederzubeleben (und dieses Feld nicht nur den Amis zu überlassen), sind mehr als lobenswert. Umso bedauerlicher, dass „Der Himmel zwischen den Welten“, allenfalls was die Ausstattung angeht, zu überzeugen weiß. Und von der namhaften Besetzung erfüllt allein Zoe Moore ihre Aufgabe, den Zuschauer – insbesondere die Zuschauerinnen – für ihre Mia einzunehmen.
Foto: ProSiebenSat1
Das Mystery-Genre zeichnet sich seit jeher durch seinen Hang zu einer für Nicht-Fans schwer zu ertragenden „Phraseologie“ aus. Doch während amerikanische und britische Vorbilder versuchen, ein einigermaßen kohärentes System der Mystifikationen zu konstruieren, gibt es in „Der Himmel zwischen den Welten“ nur ein Meer aus Behauptungen aus dem Reich zwischen Himmel und Hölle. Und so muss man sich in der Geschichte vom Teenager, der zum „Werkzeug der Apokalypse“ werden soll, extrem viel vermeintlich bedeutsamen „Schwachsinn“ („Du bist reine negative Energie“) und viel Redundantes („Wenn ich wütend oder traurig bin, dann passieren so komische Sachen um mich herum“) anhören. Sich die Story und ihren „Sinn“ sinnlich zu erschließen, ist offenbar nicht vorgesehen. Selbst den generationstypischen Subtext des Genres darf man sich als Zuschauer nicht selbst „erarbeiten“, sondern man bekommt ihn verbal präsentiert: „Die Eltern haben ihre Verantwortung auf ihr Kind übertragen und es dann in einen Käfig abgeschoben.“ Wenigstens werden einem die Genre-gängigen Mystery-Motive der aufkeimenden Sexualität und der jugendlichen Identitätsfindung nicht auch noch mit bedeutungsvollen Worten nahegebracht.
Hauptmanko aber ist: die Erzählung fließt nicht. Spannung kommt nicht auf, kein einziger Schock rechtfertigt die Ausstrahlung nach 22 Uhr (für Filme ab 16 Jahren). Der Film wirkt wie ein Mystery-Kammerspiel, Szene folgt auf Szene, Genre-Versatzstück auf Genre-Versatzstück. Die Autoren und der Regisseur erliegen dem Irrglauben, das Mystery-Genre brauche keine Psycho-Logik, kein motiviertes Verhalten seiner Figuren. So werden aus Lehrer und Schülerin urplötzlich Liebende, aus Feindinnen ohne Grund Freundinnen. Und diese, drei Mädels, ziehen gegen Ende gemeinsam los, um das Böse zu besiegen – aber eigentlich nur um diesen Mystery-Topos aufleben zu lassen (denn in den entscheidenden Szenen haben zwei von ihnen keinerlei Funktion, sondern stehen nur im Weg herum). Gegen diese Schwächen dramaturgischer, narrativer und dialogischer Art können selbst angesagte Jungdarsteller wie Vladimir Burlakov, Franz Dinda oder Maria Dragus nichts ausrichten. Und so dürfte auch und gerade der Mystery-Fan schwer enttäuscht sein. (Text-Stand: 12.6.2015)