Im Großraum Stuttgart geht ein Bankräuber um, der mit Pistole und Vorschlaghammer, verglichen mit der Brutalität, die er an den Tag legt, eher kleine Beute macht. Beim Täter handelt es sich um Erich Rohloff, einen unbescholtenen Polizisten und pflichtbewussten Familienvater, der sich mit seinem Hausbau und den Folgekosten schwer verschuldet hat. Die Polizei tappt anfangs völlig im Dunkeln. Allerdings gibt es irgendwann den Verdacht, dass der Täter in Polizeikreisen zu suchen ist. Der Mann trägt bei den Überfällen eine Maske und fährt gestohlene Fluchtwagen, deren Besitzer er kaltblütig erschießt. So wird ihm von den Medien und der ermittelnden Soko bald der Beiname „der Hammermörder“ gegeben. Rohloffs Ehefrau Christa bekommt lange nichts mit vom Treiben ihres Mannes. Wenn ausnahmsweise mal wieder Geld im Hause ist, dann war es „Wagner“, der von Rohloff erfundene Chef einer Sicherheitsfirma, für den er in einem Nebenjob zu arbeiten vorgibt. Doch langsam kommen bei der Ehefrau Zweifel auf an der Integrität und dem Verstand ihres Mannes, dessen Stimmungsschwankungen ihre Ehe seit langem genauso belasten wie die Sorge ums Geld. Wo ist beispielsweise der Vorschlaghammer der Rohloffs geblieben? Und warum zahlt dieser „Wagner“ so unregelmäßig und weshalb nimmt ihn Erich trotzdem immer in Schutz?
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Bernd Schadewald, Christian Redl und Ulrike Kriener wurden 1991 für „Der Hammermörder“ mit dem Grimme-Preis mit Silber ausgezeichnet.
„Die Tragödie des Polizisten Rohloff, dessen Ego sich in dumpfer Verblendung von sterilem Eigenheim und intaktem Familienleben zu nähren sucht, findet bei Schadewald ihre visuelle Entsprechung in den grauen Bildern furchterregender Innenausstattung.“ (Auszug aus der Preis-Begründung)
„Der Hammermörder“ von Bernd Schadewald nach dem gleichnamigen Tatsachenroman von Fred Breinersdorfer, der auch das Drehbuch schrieb, entwickelt eine Chronologie der fatalen Ereignisse und entwirft so ein Psychogramm eines seelisch gestörten Kleinbürgers und zugleich in Ansätzen auch ein Soziogramm einer Familie, die von der ständigen Angst ums Geld systematisch zerstört wird. Dafür maßgeblich verantwortlich ist der unnahbare „Held“, ein Sonderling, der keine Gefühle zeigen kann (selbst im Umgang mit seinen Söhnen wirken sie seltsam behauptet) und der nur für das Bild, das die Familie nach außen abgibt, zu leben scheint. „Alle werden uns grüßen, jeder hat Hochachtung vor uns“, ist eines der realen Traumbilder, dem Rohloff allzu gern nachhängt. Völlig irreal auch sein sehnlichster Wunsch, an jenen italienischen Ort mit Strand zurückzukehren, an dem er als Kind mit seinem Vater Urlaub machte. Die Ehefrau, die zwischenzeitlich aufbegehrt, allerdings immer wieder von ihrem Mann klein gemacht wird, arrangiert sichmit der Situation und versinkt in einen Zustand der Schwermut. Erklärungen für das Verhalten des Mörders, beispielsweise seine krankhafte Geltungssucht, werden nur angedeutet. In der Gewalt finden die unterdrückten Gefühle ein Ventil. Und so tötet der Hammermörder für ein Auto, mit dem er einen Überfall durchzieht, bei dem er gerade mal 5000 Mark erbeutet. Dieser Mann steckt voller Wut und verdrängter Emotionen – auch gegenüber seiner Frau. Erst kurz vor dem tragischen Ende zeigt dieser Erich Rohloff ganz viel von seinem wahren Gesicht („Räum den Dreck weg, du Schlampe“).
Der mehrfach preisgekrönte ZDF-Fernsehfilm ist ein Drama, das sich ganz auf die Beschreibung des Alltags verlässt und das sich schleichend, aber unaufhaltsam zuspitzt. Es ist die innere Spannung zwischen dem Ehepaar, die den Film antreibt und der man sich auch noch heute nicht entziehen kann. „Wann und wie kommt die Frau dem Mann auf die Schliche?“, ist dramaturgisch die zentrale Frage des Films. Obwohl „Der Hammermörder“ sich – aus der Sicht des Jahres 2017 – mit Action zurückhält, und die Kamera erst im Schlussdrittel immer näher an die beiden Protagonisten heranrückt, ist dieses Ehe- und Gesellschaftsdrama alles andere als ein Stück aus dem Fernsehmuseum. Weil Schadewald & Breinersdorfer darauf verzichten, das Tragische deutlich auszumalen, und den Niedergang der Familie nicht mit schweren Zeichen der Tragödie vorwegnehmen, sondern auf eine nüchterne, sachliche Erzählung bauen, kann sich der Zuschauer selbst ein Bild machen. Trotz des Bezugs zum realen Fall aus den 1980er Jahren besitzt dieses TV-Drama unverkennbar eine universale Größe. Das liegt nicht zuletzt auch am Spiel der beiden Hauptdarsteller: Christian Redl und Ulrike Kriener standen 1990 erst am Anfang ihrer Karrieren. Sie in jungen Jahren zu sehen, muss keinesfalls aus der Illusion des Films reißen, da ihr Spiel damals schon viel von ihrem unverkennbaren Stil, wie sie das Dramatische (meist undramatisch) anlegen, aufweist.
Bei Kriener hat gegen Ende des Films vor allem auch die Maske ganze Arbeit geleistet, während Redl durch eine Diktion besticht, die heute zwar ungewöhnlich, aber auch sehr passend erscheint für eine TV-Produktion, die noch vieles vom klassischen Fernsehspiel, aber auch bereits einiges vom genrehafteren, physischeren Fernsehfilm der 90er Jahre besitzt. Redls kleiner Mann hält sich an Regeln und Kalendersprüche; sie sind es, die diesen Menschen „moralisch“ notdürftig zusammenhalten. Dieser Rohloff, der von Selbsthass zerfressen ist, maßregelt mit seiner Sprache – nicht selten auch sich selbst. In einer Szenen mit seinen Kollegen, denen er nur selten vis-à-vis begegnet (Rohloff kann nicht angemessen kommunizieren mit der Welt), fordert er „die Todesstrafe für so einen“ und kommt zu dem Schluss: „Der wird selber froh sein, wenn er endlich tot ist – weil’s gerecht ist.“ Hinterlässt der Hammermörder vielleicht auch deshalb immer mehr Spuren am Tatort? Mit psychologischem Realismus ist diesem kranken Charakter nicht beizukommen. Und so lässt Breinersdorfers Stilisierung der Sprache Roloffs diesen rigiden Psychopathen wie einen vom Über-Ich fremd gesteuerten Menschen erscheinen. (Text-Stand: 23.7.2017)