„Ich bin ein Abenteurer, mich kann man nicht anketten“, feixt der Noch-Gatte Georg seiner besseren Hälfte selbstherrlich ins Gesicht. Dann ist er weg mit seiner sexy-Sekretärin und einer Tüte Bargeld – in Richtung Himalaya. Anschließend flattert Gattin Elli ein Vollstreckungsbescheid vom Finanzamt über 90.000 Euro ins Haus. Da gibt es für die unermüdliche Powerfrau nur eine Rettung und die heißt: psychogene Amnesie. Elli erkennt ihre Kinder nicht mehr und erinnert sich auch sonst an kaum etwas aus den letzten 25 Jahren ihrer Ehe. Kein Wunder, denn ihre Beziehung muss die Hölle gewesen sein: Elli legte sich ins Zeug für den gemeinsamen Steinmetzbetrieb, während sich Georg immer häufiger Auszeiten nahm und offenbar sogar Geld beiseite schaffte – mit dem er seinen Absprung aus der Ehe vorbereitete. Von alldem aber weiß Elli nun nichts mehr und das soll auch so bleiben – denn die beiden erwachsenen Kinder sorgen sich um ihre Mutter. Der Arzt warnt vor einem Rückfall. Und so muss Georgs Zwillingsbruder Günther die Rolle von Ellis Mann übernehmen. Dumm, dass er das absolute Gegenstück zu Georg ist: ein herzensguter, etwas tollpatschiger Aktenwurm. Und gut, dass sich Elli noch immer an nichts erinnern kann.
„Ich gebe zu, der Plan war nicht ganz zu Ende gedacht“, muss der Sohn bald feststellen. Seinen Vater von dessen Zwillingsbruder spielen zu lassen, der vom Leben des anderen seit 25 Jahren nichts mitbekommen hat – das kann nicht lange gut gehen. Gleiches gilt für „Der große Schwindel“, eine Komödie, die etwas versucht, für das es 1000 gute Gründe gibt, dass es nicht funktionieren kann: Albernheiten wechseln mit tiefen Gefühle und dann wird auch noch ein Familiengeheimnis mal eben im Vorbeigehen ausgeplaudert, aus dem andere Filme einen Zweiteiler machen würden. Doch die Kombination gelingt: Eine Frau, die alles vergessen hat, und ein Ehemann, der noch nie etwas wusste, passen besser zusammen als angenommen. Wenn sie dann auch noch von zwei Profis in Sachen Timing und Chemie gespielt werden, Mariele Millowitsch und Walter Sittler, die sich bereits jahrelang in „Girl Friends“ & „Nikola“ in Serie zankten, dann kann nichts schiefgehen: gewitzte Dialoge, ramponierte Körper – Millowitsch spielt die verwirrt Patente, Sittler den Oberschussel.
Soundtrack: Elle King („Playing for Keeps“), Michael Jackson („Bad“), Joshua Radin („Tomorrow is gonna be“), Michael Kiwanuka („Home again“), Brandi („That wasn’t me“), Joshua Radin („Star Mile“), Bee Gees („Stayin‘ alive“), Paul Tiernan („How to say Goodbye“)
Der Aberwitz regiert, das Tempo ist hoch, und der TV-Realismus wird lustvoll zu Grabe getragen. „Der große Schwindel“ ist eine 90minütige Komödie aus dem Geiste der Comedy. Da wird nicht umständlich erklärt, da wird ein Schnitt zur rechten Zeit gesetzt und die neue Beziehungsvariante szenisch durchgespielt. Dass dieses zwischenmenschliche Chaos um Affären und zweite Chancen, um (Höhen-)Ängste und andere Traumatisierungen von einer subtilen inneren Logik getragen wird, ist weniger anzunehmen. Macht aber auch nichts. Für ein Mal Sehen reicht es allemal. Der Erzählfluss ist die Message, er dürfte begleitet werden vom Schmunzeln des geneigten Zuschauers. Die Komik liegt irgendwo in der Mitte zwischen Screwball Comedy, Slapstick und deutscher Geschlechterkomödie. Der Domstadt-Flair macht Laune, der Soundtrack wirkt stimmig. Das ist nicht alles perfekt, im Detail wäre mehr Komik-Dichte möglich gewesen. Und den „Kinder“-Darstellern Trepte und Genzkow, die im Film für Drama und Emotion zuständig sind, hätte – wie auch ihren Rollen – ein bisschen mehr Witz nicht geschadet. Als leichte Familienkomödie eine runde Sache. (Text-Stand: 8.1.2013)