Wenn inklusive Werbung fast drei Stunden vergehen, bis sich Held und Heldin das erste Mal küssen, heißt das vor allem eins: Sat 1 ist ganz schön weit über seinen Schatten gesprungen. Und Teamworx sowieso. Zwar ist es wie schon in „Die Luftbrücke“, „Sturmflut“ & „Dresden“ wieder einmal gelungen, eine Frau zwischen zwei Männer zu platzieren (eine Konstellation, über die sich die Branche bereits lustig macht), aber wie in „Die Flucht“ sind diese Gefühle bloß eine Beigabe. Im Zentrum des 8,5 Millionen Euro teuren Films steht eine Obsession, und Heino Ferch verkörpert diese Besessenheit auch auf Kosten der Sympathie. Dabei ist es vor allem der Traum, der die Figur greifbar macht. Genau genommen sind es zwei Träume: Zumindest im Film träumt Heinrich Schliemann nicht nur von Troja, sondern auch von der Liebe. Im wirklichen Leben hat er sie sich genommen. In der Fiktion wartet er, ganz Gentleman, bis sich ihm die junge Griechin Sophia aus freien Stücken hingibt.
Sat 1 hätte den Stoff ohne diese Romanze vermutlich gar nicht akzeptiert, und tatsächlich gewinnt die Geschichte enorm: durch die emotionale Ebene, aber vor allem durch Mélanie Doutey. In ihrer Heimat dank „Clara Sheller“ (bei uns glücklos als „Verrückt nach Clara“ adaptiert) ein Star, erfüllt die Französin geradezu perfekt die Voraussetzung für die Rolle der jungen Frau, die sich der Hobby-Archäologe gekauft hat: Sie hat das nötige Selbstbewusstsein vor der Kamera, ist aber hierzulande ein völlig unbekanntes Gesicht. Natürlich interpretiert Doutey das junge Mädchen aus heutiger Sicht: Die stolze Sophia bleibt dem mehr als doppelt so alten Schliemann nichts schuldig; die gemeinsamen Szenen haben dank der bissigen Dialoge fast Sitcom-Charakter. Und weil Sophia eigentlich den gleichaltrigen Demetrios (Kostja Ullmann) liebt, beißt sich Schliemann an ihr die Zähne aus. Trotzdem begleitet sie ihn in die Türkei, wo der Kaufmann Unsummen investiert, um das alte Troja auszugraben. Erst als sie zwischendurch heimgekehrt, um den schwer erkrankten Demetrios zu pflegen, spürt sie, dass sich die herzliche Abneigung gegen den Deutschen in stille Zuneigung gewandelt hat.
Autor Don Bohlinger, der es ansonsten mit der historischen Authentizität sehr genau nimmt, macht Schliemann allerdings auch zu einem guten Menschen, der seine Arbeiter bestens behandelt und sich zudem als Menschenfreund entpuppt, als die Leute aus dem nächsten Dorf auf seine Medikamente angewiesen sind. Und da man Ferch als Forscher bloß eine Nickelbrille aufgesetzt, ansonsten aber kaum Zugeständnisse (etwa an Haar- und Barttracht) gemacht hat, ist nicht Ferch zu Schliemann, sondern Schliemann zu Ferch geworden. Um so gestriger wirken die Widersacher: Die Gelehrten überschütten den archäologischen Autodidakten regelmäßig mit Hohn und Spott. Als ihrem Wortführer Oskar Neumann (Justus von Dohnányi) das Lachen vergeht, weil Schliemann tatsächlich eine antike Stadt entdeckt, greift er zu fiesen Tricks, um die Ausgrabungen erst zu sabotieren und dann zu übernehmen. Nun aber zahlt sich Schliemanns Menschlichkeit aus: Mit einem Husarenstück schlägt er dem tückischen Neumann und seinen türkischen Vasallen ein Schnippchen.
Zwischendurch gibt es immer wieder Momente, die an fröhliche Freiluftaufführungen aus Bad Segeberg erinnern, und mitunter wähnt man sich an der Seite Kara ben Nemsis im wilden Kurdistan. Aber das gehört schließlich zu einem zünftigen Abenteuerfilm dazu, zumal Dror Zahavi die entsprechenden Szenen mit einer gewissen Selbstironie inszeniert: Die Türken blicken finster drein, Gerüste stürzen effektvoll zusammen, und wenn es regnet, dann richtig. Dass allerdings auch von Dohnányi als Wissenschaftler mit den Augen rollen muss, ist dann doch zuviel des Guten. Viel hübscher ist der Gegensatz zwischen 19. Jahrhundert und moderner Erzählweise, wenn Zahavi ein Schnitt genügt, um die Handlung voranzutreiben. In solchen Momenten ist der Film ganz nah bei „Indiana Jones“: Sophia spürt Regen in der Luft, Schliemann weist darauf hin, es sei Hochsommer, kurz drauf gibt es einen Wolkenbruch.
Sehr schön sind auch Details wie etwa die Einführung des Themas, als sich in den Augen des kleinen Heinrich das brennende Troja spiegelt. Davon abgesehen ist die Hinführung (wie bei vielen Zweiteilern) zu lang geraten. Der Schluss von Teil eins wiederum ist ein klassischer Cliffhanger: Ein rachsüchtiger Türke lauert Schliemann an einer Schlucht auf, schießt ihn an, sein Pferd scheut und er stürzt in die Tiefe; in just diesem Moment verlöscht bei Sophia im fernen Griechenland eine Kerze. Das Ende des zweiten Teils knüpft daran an, wenn ausgerechnet der selbe Türke maßgeblichen Anteil an Schliemanns Rettung hat. Große, vom Deutschen Filmorchester in Babelsberg eingespielte Kinomusik, eine in jeder Hinsicht überzeugende Ausstattung, Schauspieler, denen man gern zuschaut… Zwei kurzweilige Fernsehabende also; vorausgesetzt, man mag Abenteuerfilme mit einem Schuss Romantik.