Ein schwerkranker Fürst eines altehrwürdigen Adelsgeschlechts möchte sein Erbe nicht in den Händen der intriganten Schwester wissen. Deshalb geht der ergraute Patriarch noch einmal auf Brautschau, in der Hoffnung, der buckligen Verwandtschaft vor seinem Tod noch einen männlichen Nachkommen präsentieren zu können. Die Chancen dafür standen am Ende der ersten Staffel der ZDF-Adelsserie „Der Fürst und das Mädchen“ bestens. Die junge Frau von blauem Geblüt wurde schwanger, und das Schicksal meinte es gut: es sollte sogar ein Junge werden. Selbst ein von der Fürsten Schwester eingefädelter Mordplan scheiterte. Die Schwangere überlebt und kaum einer weiß davon. Die Story der ersten Staffel, die darin gipfelt, dass der ersehnte Stammhalter seiner höheren Aufgabe zugeführt wird, war nicht unbedingt ein Drehbuch, das den Bedürfnissen moderner Frauen abgelauscht war. Zwar versuchte Autor Michael Baier in der Zeichnung der Fürstin von Thorwald, die sich weigert, ein standesgemäßes Leben als First Lady zu führen, die Schmonzette mit bürgerlicher Wirklichkeit zu unterfüttern, doch Adel verpflichtet und das Genre will bedient werden.
Im 90-Minüter zum Auftakt von Staffel 2 herrscht große Aufregung im Hause Thorwald. Die hochschwangere Ursula läuft vor ein Auto und wird heimlich in eine Klinik gebracht, wo sofort die Geburt eingeleitet wird. Hinterher macht man ihr weis, dass das Kind nicht mehr zu retten gewesen sei. Doch die junge Frau, schnell wieder bei Kräften, will nicht glauben, dass ihr Kind tot ist. Und tatsächlich, am Ende hält sie ihr Baby wieder in den Armen – und es wird deutlich, dass sie es nicht so schnell wieder hergeben wird. Sogar vor dem Fürsten will sie die Existenz des Knaben verschweigen. Mit dieser Wendung, die die Mutter nicht länger zur adligen Gebärmutter degradiert, kriegt nun die Geschichte gerade noch die Kurve ins dritte Jahrtausend, das Zeitgeist & Kulturgeschichte dem weiblichen Geschlecht versprochen hat.
Der Zuschauer ist von Anfang an im Bilde, weiß mehr als der greise Fürst. Nach den Telenovela- und Soap-Erfolgen des letzten Jahres ist es kein Wunder, dass Baier zunehmend die Perspektive der jungen Heldin sucht. Vielleicht erhofft man sich so noch mehr Zuschauer als die rund 4,33 Millionen im Herbst 2003. Und Rike Schmid macht nun wirklich auch eine gute Figur an der Seite so namhafter Kollegen wie Daniela Ziegler, Roland Koch oder Hans Peter Korff. Allein gegen das Charisma eines Maximilian Schell, der mit zerzausten Augenbrauen, Vollbart und markanter Künstlermähne den Fürsten zwischen Charakterkopf & Klischee zum Leben erweckt, kommt die 26-jährige nur schwerlich an. (Text-Stand: 2005)