Was passieren kann, wenn der aufregende Liebhaber von einst wieder in das Leben einer Frau tritt, die sich für Familie und bürgerlichen Alltag entschieden hat – davon erzählt der ZDF-Fernsehfilm “Der Freund von früher”. Es geht um die Unsicherheit der Gefühle, um die Zerbrechlichkeit des Vertrauten, um eine maßlose, unverarbeitete Liebe und schließlich um sexuelle Hörigkeit. Eine Frau, nuanciert gespielt von Katharina Böhm, verliert den Boden unter den Füßen. Die Fundamente ihres Lebens geraten ins Wanken.
Vor acht Jahren konnte sich Iris nur mit einem Selbstmordversuch aus der sexuellen Umklammerung von Nils lösen. Jetzt holt sie ihre Vergangenheit wieder ein: Der charismatische Intellektuelle, dem sie eines Nachts kochend heißes Wasser über die Brust schüttete, weil reden nicht mehr ging, wohnt plötzlich im gleichen Haus. Die alten Machtspiele beginnen wieder – und die glückliche Mutter kann nicht lange der sexuellen Anziehungskraft des alten Freundes widerstehen. Iris liebt ihren Mann und ihren Sohn, doch immer wieder treibt es sie in die Arme des Geliebten.
Foto: ZDF / Network Movie
“Eine Frau, die sich ganz bewusst für ein Familienleben entschieden hat, unterschätzt die Anziehung einer Person aus ihrer Vergangenheit”, so bringt Autorin Kathrin Richter die Geschichte auf den Punkt. Es ist eine einfache Geschichte, angelehnt an Truffauts “Die Frau von nebenan”. Erzählt wird sie realistisch, aus dem sprunghaften Verhalten der Heldin heraus. Da schwingen sich weder die Autoren Richter und Ralf Hertwig noch der Regisseur Matthias Tiefenbacher zum wertenden Über-Ich auf. “Ich wollte das Verhalten der Heldin einer moralischen Bewertung entziehen”, betont Tiefenbacher, ein Mann für die emotionalen Zwischentöne. “Ihre Verunsicherung entsteht aus dem Nichtverstehen, der Verwirrung, der Selbstüberforderung und der Fehleinschätzung.” Und das wollte er einfach nur zeigen.
“Der Freund von früher” eifert keinem Genre nach, sondern lotet die dunklen Seiten der Persönlichkeit aus. Der Film analysiert nicht, sondern er erzählt. Dass sich mit Schauspielern wie Katharina Böhm, Jörg Schüttauf, Erika Marozsan (“Gloomy Sunday”) oder auch Nicki von Tempelhoff gut erzählen lässt – keine Frage. Doch eines vermag der erlesen inszenierte und fotografierte Film nicht: dem Zuschauer sexuelle Hörigkeit zu vermitteln. Was findet die an dem? Und warum betrügt der seine neue, so tolle Partnerin? Diese Fragen stellt man sich zwangsläufig in den ersten 40 Minuten. Sexuelle Hörigkeit lässt sich im Bildermedium Fernsehen nur schwer zur Primetime thematisieren. Da hilft es wenig, dass Tiefenbacher sich auf “die Phantasie im Kopf des Betrachters” herausredet. Ein bisschen mehr sexuelle Phantasie von Seiten der Regie hätte man sich schon gewünscht.