Ein geheimnisvoller Naturgeist treibt im Wald des Königs seit geraumer Zeit sein Unwesen. Am achten Geburtstag von Prinz Johannes wird jener Eisenhans genannte Unhold, der in einem Waldsee haust, vom Schwarzen Ritter gefangen genommen und an den König ausgeliefert. Obwohl die Königin ihrem „Hänschen“ streng verboten hat, sich dem Eisenhans im Kellerverlies zu nähern, missachtet der Bub das Verbot der Mutter. Er ist fasziniert von dem wilden Mann, ja er befreit ihn sogar und folgt ihm mit in den Wald. Dort will ihm „das Tier“, wie ihn die Königin verächtlich nennt, zeigen, wie es sich in der Wildnis überleben lässt. Johannes muss den Goldbrunnen bewachen. Doch es gelingt ihm nicht. Also muss er seinen Weg weiter gehen und andere Aufgaben finden, die zu bewältigen er imstande ist. Beim Koch eines anderen Königs kommt er zwischenzeitlich unter, bevor er beim königlichen Gärtner aushilft. Dabei erweckt er das Interesse der Prinzessin – und auch er hegt bald Gefühle für sie. Doch bevor er ihr näher kommt, muss er den Schwarzen Ritter besiegen.
Foto: ZDF / Domenigg
„Der Eisenhans“, frei nach den Gebrüder Grimm, ist ein klassisches Initiationsmärchen. Hänschen wird konfrontiert mit der männlichen Urkraft, personifiziert in der Figur des Eisenhans, um der erwachsene Prinz Johannes zu werden, der die Vorzüge der Kultur zu schätzen weiß, ohne die Verbindung zur Natur, seinen Trieben, seiner „Mannhaftigkeit“ zu verlieren. Der Knabe entflieht aus dem Schoß der ihn umsorgenden Mutter nicht sofort wieder in den nächsten weiblichen Schoß, sondern nimmt den archaischen Umweg über das Schlachtfeld. Mehr noch als andere Märchen liegt dem „Eisenhans“ ein Stoff zugrunde, der der auch Erwachsenen heute noch etwas zum Nachdenken geben kann. Nicht umsonst gehört Robert Blys „Eisenhans“, eine mythologisch fundierte Suche nach der ursprünglichen Männlichkeit zwischen Chauvi und Softie, zu den Kultbüchern der neuen Männerbewegung. Das, was man vaterlose Gesellschaft nennt, findet bereits im Urtext in der überzogenen Fürsorglichkeit der Königin & dem degeneriert dekadenten Auftreten des Königs sein Pendant.
Auch die 85-minütige ZDF-Verfilmung von „Der Eisenhans“ zeigt sich offen für derartige Interpretationen. Die anfangs recht düstere, sehr atmosphärische Inszenierung, die sich wohltuend von vielen ARD-Märchen der Degeto-Reihe „Sechs auf einen Streich“ abhebt, gibt Manuel Siebenmanns Film einen bei aller Märchenhaftigkeit realistischen Anstrich. Die Geschichte berührt neben den tieferen Schichten zwischen Mann und Frau, Mutter und Sohn auch das große Thema Natur: die Schönheit der Wildblumen, die Schmackhaftigkeit von Kräutern, der Mythos des Waldes – all das ist sinnbildlich wie dramaturgisch von Belang. Starke Männer, starkes Märchen, starker Film. Ein telegenes Einzelstück, kein Serien-Produkt wie die ARD-Reihe, die nur auf ihre Zweitverwertung wartet. (Text-Stand: 12.12.2011)