Der Dänemark-Krimi – Das Mädchen im Kirchturm

Morreis, von Tempelhoff, Valks, Oertel, Berndt, Schott. Wem die Stunde schlägt

Foto: Degeto / Georges Pauly
Foto Tilmann P. Gangloff

Der dritte „Dänemark-Krimi“ ist ein toll fotografiertes Krimidrama mit Marlene Morreis als Streifenpolizistin, die sich in einen eigentlich erledigten Fall verbeißt. Schon allein der knapp zehn Minuten lange Prolog ist ein kleines Kunstwerk (Kamera: Simon Schmejkal, Volker Tittel). Die Geschichte über eine eher aus Versehen getötete Journalistin, die in dem kleinen Küstenort Ribe einer großen Sache auf der Spur war, ist reizvoll verzwickt, das erfahrene Ensemble durchweg sehenswert. „Das Mädchen im Kirchturm“ (Degeto / Eikon Media) ist nach diversen Serienfolgen Florian Schotts erster Film fürs deutsche Fernsehen und die bislang beste Episode dieser Donnerstagskrimi-Reihe in der ARD.

Es ist Nacht im kleinen dänischen Küstenort Ribe. Eine junge Frau flieht in Panik durch die Gassen, ein Mann ist ihr auf den Fersen. Schließlich rettet sie sich in den Glockenturm einer Kirche. Zwei Streifenpolizistinnen hören ihre Hilferufe. Unter der Glocke kommt es zur Konfrontation: Der Mann nimmt die Frau als Geisel. Als die Glocke zu läuten beginnt, erschrecken alle vier. Eine der Polizistinnen schießt, der Mann stirbt, die Frau stürzt in die Tiefe. Da es sich um einen eindeutigen Fall von Nothilfe handelt, wird es zwar pro forma eine Untersuchung geben, aber davon abgesehen ist die Sache für die Vorgesetzte der beiden Ordnungshüterinnen erledigt. Der Mann war als Gewalttäter vorbestraft, außerdem hat ihn eine frühere Freundin wegen versuchter Vergewaltigung angezeigt. Die Chefin empfiehlt Emma Lorenzen, der sichtlich mitgenommenen Schützin, eine psychologische Beratung. Für Emmas Kollegin Ida Sörensen gibt es jedoch viel zu viele Ungereimtheiten, um zur Tagesordnung überzugehen.

Der Dänemark-Krimi – Das Mädchen im KirchturmFoto: Degeto / Georges Pauly
In Panik. Bente Bruun (Franziska Brandmeier) wird von Finn Eriksson (Elmo Anton Stratz) verfolgt. Wenig später befinden sich beide im Glockenturm einer Kirche. Foto oben: „Das Mädchen im Kirchturm“ ist nicht nur ein ästhetisch bemerkenswerter Film, auch der Plot dieses dritten „Dänemark-Krimis“ weiß im Gegensatz zu den Vorgänger-Episoden zu überzeugen.

Timo Berndts Drehbuch zum dritten „Dänemark-Krimi“ mit Marlene Morreis erzählt eine interessante Geschichte, aber von herausragender Qualität ist wie bereits bei „Blutlinie“ (2023) die Bildgestaltung. Schon der knapp zehn Minuten lange Prolog mit der Verfolgung durch die Altstadt, den Zwischenschnitten auf gruselige Steinfiguren, einer gelegentlich im rechten Winkel um die Längsachse gekippte Kamera und dem Finale im Glockenturm ist ein düsteres kleines Kunstwerk. Die Meriten gebühren neben Regisseur Florian Schott gleich zwei erfahrenen Bildgestaltern: Simon Schmejkal, der auch die ersten beiden „Dänemark-Krimis“ fotografiert hat, ist zu Beginn der Dreharbeiten erkrankt und wurde vom nicht minder renommierten Volker Tittel vertreten, bis er wieder einsatzbereit war. Der Prolog, teilt die Produktion mit, ist an verschiedenen Motiven gedreht worden, daher waren beide beteiligt. Die Musik (Marius Ruhland) spielt gerade in diesen Szenen natürlich auch eine Rolle, muss die Spannung aber gar nicht auf die Spitze treiben. Auch der Zeitlupeneffekt bei der Kettenreaktion zum Finale dieses besonderen Auftakts passt.

Erwartungsgemäß kann der Film (Regie: Florian Schott) diese Intensität nicht halten, auch die Kamera hat nun andere Aufgaben, denn wie in den meisten Reihenkrimis müssen auf der Suche nach Antworten viele Fragen gestellt werden. Immerhin ist „Das Mädchen im Kirchturm“ längst nicht so dialoglastig wie die ersten beiden Episoden. Die Bilder bleiben allerdings sehenswert; gerade die Aufnahmen der spätherbstlich düsteren Landschaft sind eindrucksvoll. Davon abgesehen lebt der Film vor allem von der geschickt verzwickten Handlung und dem rätselhaften Verhalten gleich mehrerer Nebenfiguren. Für Ida ist recht bald klar, dass es nicht um versuchte Vergewaltigung ging. Ihre Nachforschungen ergeben, dass die junge Frau, Bente Bruun, angehende Journalistin war und verdeckt in Ribe recherchiert hat. Offenbar geht es um Drogenhandel. Was sie in dem Städtchen wollte, ist allerdings völlig unklar. Es gibt zwar eine Einrichtung für Süchtige, aber nach Wissen der Polizei keine organisierte Kriminalität. Die einzigen Spuren führen in ein Altenheim, in dem Bente ein Praktikum machen wollte, sowie zu einer Drogenberatung. Aber welche Rolle spielt der Catering-Service, der das Heim und andere Einrichtungen dieser Art mit Essen versorgt? Interessant ist auch die psychologische Ebene: Weil Ida sich die Schuld am Tod ihres früheren Lebensgefährten gibt, möchte sie das Versäumnis an Emma (Zoë Valks) wieder gut machen. Die Kollegin reagiert jedoch überraschend gereizt und will unbedingt erreichen, dass Ida und ihr Kollege (Nicki von Tempelhoff) die Ermittlungen einstellen; schließlich verpetzt sie die beiden sogar bei der Chefin (Katharina Heyer).

Der Dänemark-Krimi – Das Mädchen im KirchturmFoto: Degeto / Georges Pauly
Im Einsatz: Die Streifenpolizistin Ida Sörensen (Marlene Morreis) mit ihrer neuen Kollegin Emma Lorenzen (Zoë Valks). Nachdem die RTL-Krimireihe „Sonderlage“ nicht fortgesetzt wurde, ergänzt nun Valks das Dänen-Team. Auch das ist eine gute Wahl.

„Das Mädchen im Kirchturm“ ist Schotts beachtliches Langfilmdebüt fürs deutsche Fernsehen; abgesehen von einem vor rund zehn Jahren in Namibia entstandenen Film hat er bislang in erster Linie Kurzfilme und Serienfolgen gedreht. Neben der Umsetzung ist auch das gerade in den wichtigen Rollen sehr erfahrene Ensemble (Therese Hämer, Alexander Hörbe) sehenswert. Eine Schlüsselrolle spielt Tobias Oertel als Chef des Catering-Services; mit seiner sinistren Aura ist er ohnehin wie geschaffen für undurchsichtige Typen. Wenn die Kamera ihn dann auch noch aus einer betonten Untersicht zeigt, bekommt ein Satz wie „Sie drohen mir?“ gleich eine ganz andere Wirkung. Interessant ist auch die Besetzung seines Gehilfen mit Lucas Zembrock („Praxis mit Meerblick“), der sonst meist hochsympathische junge Männer spielt.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto

Mit Marlene Morreis, Nicki von Tempelhoff, Zoë Valks, Tobias Oertel, Lukas Zembrock, Therese Hämer, Alexander Hörbe, Lina Hoppe, Anselm Bresgott, Katharina Heyer, Thilo Prothmann

Kamera: Simon Schmejkal, Volker Tittel

Szenenbild: Lars Brockmann

Kostüm: Susann Günther

Schnitt: Diana Matous

Musik: Marius Ruhland

Redaktion: Birgit Titze, Katja Kirchen

Produktionsfirma: Eikon Media

Produktion: Michaela Nix

Drehbuch: Timo Berndt

Regie: Florian Schott

Quote: 5,52 Mio. Zuschauer (23% MA)

EA: 07.10.2024 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 10.10.2024 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach