Der Bremerhaven-Krimi – Tödliche Fracht

Elena Uhlig, Micas, Hölscher, Osburg, Butt, Nicolai Rohde. Nadeln im Heuhaufen

Foto: Radio Bremen / Jörg Landsberg
Foto Tilmann P. Gangloff

Schon allein der Schauplatz des „Bremerhaven-Krimis“ ist spektakulär: Der Film ist zu großen Teilen auf dem Gelände des weitgehend vollautomatisch funktionierenden Container-Terminals entstanden. Die Geschichte von „Tödliche Fracht“ (RB, Degeto / Bremedia, Sappralot) ist ebenfalls interessant: Weil die Kontrollen in Rotterdam verschärft worden sind, schmuggeln die südamerikanischen Drogenkartelle ihr Kokain nun über Bremerhaven nach Europa; eine kleine Sondereinheit Organisierte Kriminalität soll das unterbinden. Das Beste an Nicolai Rohdes möglichem Auftakt zu einer neuen Reihe ist allerdings die ausgezeichnete Bildgestaltung, zumal Hannes Hubachs Kamera wie entfesselt durch die endlosen Container-Reihen flitzt. Diese Szenen sind dank häufiger Perspektivwechsel ohnehin sehr dynamisch. Eine packende Thriller-Musik beschert den Bildern die passende Untermalung.

„So haben die Zuschauenden den Norden noch nicht gesehen“, bewirbt Radio Bremen diesen Auftakt einer möglichen neuen Krimireihe. Die Aufnahmen vom Container-Terminal haben zwar bereits den letzten Bremer „Tatort“ („Donuts“, 2023) bereichert, aber die Bilder der vollautomatisch funktionierenden Anlage sind immer wieder faszinierend. Wenn die wie von Geisterhand gesteuerten Container-Carrier emsig durch die Reihen der gestapelten Großraumbehälter flitzen und tonnenschwere Kästen von A nach B transportieren, drängt sich unwillkürlich die Vorstellung auf, dass die Maschinen auch in ferner Zukunft noch ihren Dienst verrichten werden, wenn die Menschheit längst nicht mehr existiert. Schon allein der Schauplatz des „Bremerhaven-Krimis“ ist also das Einschalten wert, aber die Geschichte (Buch: Nils-Morten Osburg, Rainer Butt) ist ebenfalls interessant: Bislang ist das Kokain aus Südamerika über Rotterdam nach Europa gelangt, doch nun haben die niederländischen Behörden die Kontrollen verschärft; daher weichen die Kartelle nach Bremerhaven aus.

Der Bremerhaven-Krimi – Tödliche FrachtFoto: Radio Bremen / Jörg Landsberg
Gedreht wurde an Originalschauplätzen im Containerhafen. Das verleiht dem sehr dynamisch inszenierten Film einen besonderen Realismus-Touch. Lisa Cunnigham (Cynthia Micas) verfolgt den flüchtigen Dmitri (Bogdan Iancu) im Trockendock.

Der Film beschreibt die Arbeit einer kürzlich gegründeten Sondereinheit Organisierte Kriminalität. Deren Mitglieder verfügen nicht nur über jeweils spezielle Fähigkeiten, sondern auch über unterschiedliche Temperamente. Lisa Cunningham (Cynthia Micas) ist neu dabei, was Katta Strüwer (Elena Uhlig), Mutter der kleinen Kompanie, die Gelegenheit gibt, die Kollegin und somit auch das Publikum über die Aufgaben des Teams zu informieren. Lisa ermittelt gern auf eigene Faust und geht dabei oft gewisse Risiken ein. Der erfahrene Zollfahnder Gero von Bernbeck (Bernd Hölscher) muss ihr gleich mal das Leben retten, als sie beinahe von einem Carrier erfasst wird. Viertes Teammitglied ist IT-Experte Sven-Erik (Lukas Zumbrock), der nach winzigen Unregelmäßigkeiten in den Frachtpapieren Ausschau hält, um die Nadeln in diesem riesigen Heuhaufen zu finden. Zentrale Figur außerhalb der Ermittlungs-Gruppe ist Dmitri (Bogdan Iancu) aus Moldawien. Der Junge hält sich illegal in Deutschland auf und wird bereits im Prolog eingeführt, als er offenbar einen Mann erschießt; dann folgt eine lange Rückblende. Das Opfer ist ein Spediteur (Steve Windolf), der einen leichtfertig eingegangenen Pakt mit dem Teufel beenden will; selbstredend ein frommer Wunsch. Ziemlich kühl und distanziert beschreibt der Film, wie kaltblütig der hiesige Gangsterboss (Michael Pink) reagiert, wenn Menschen nicht so funktionieren, wie ihm das vorschwebt.

Vom ohnehin wenig originellen Arbeitstitel „Grenzland – Der Nordsee-Krimi“ musste sich Radio Bremen verabschieden, weil sich RTL bereits ein „Nordsee-Krimi“-Copyright gesichert hatte, aber davon abgesehen zeichnet sich der mutmaßliche Reihenauftakt durch das Alleinstellungsmerkmal des spektakulären Drehorts aus. Normalsterbliche haben keinen Zutritt zum Containerterminal, das niemals Pause macht; das macht die dort gedrehten Szenen, darunter zwei Verfolgungsjagden, noch eindrucksvoller. Entsprechend groß ist die Dankbarkeit von Nicolai Rohde, der unter anderem die beiden sehenswerten „Julia Durant ermittelt“-Krimis (2019, Sat 1) gedreht hat: Sowohl Terminal-Betreiber Eurogate als auch der Zoll waren äußerst kooperativ. Umso seltsamer, dass eine Zollbootszene mittendrin abbricht, als das Team auf dem Meer vor Bremerhaven die Übergabe einer großen Lieferung Rauschgift vereiteln will. Ungewöhnlich sind auch zwei weitere Schauplätze: Das Team hat sein Hauptquartier in einem Richtfunkturm mit imposanter Aussicht, und Lisa wohnt in einem architektonisch reizvollen Fischlokal, das im Winter geschlossen hat.

Der Bremerhaven-Krimi – Tödliche FrachtFoto: Radio Bremen / Jörg Landsberg
Über die Authentizität des Schauplatzes hinaus verstehen sich Regisseur Nicolai Rohde und Kameramann Hannes Hubach auch auf die klassische Genre-Ikonografie.

Das Beste an „Tödliche Fracht“ ist allerdings die ausgezeichnete Bildgestaltung, zumal Kameramann Hannes Hubach sein Arbeitsgerät gerade in den Terminal-Szenen regelrecht entfesselt hat; diese Szenen sind dank häufiger Perspektivwechsel ohnehin sehr dynamisch. Lichtsetzung und Farbgebung sorgen ebenfalls für eine bemerkenswerte Optik, die packende Thriller-Musik (Johannes Kobilke und Philipp Kobilke) beschert den Bildern die passende Untermalung. Autor Osburg ist ein weiterer Garant für fesselnde Unterhaltung: Filme nach seinen Drehbüchern, darunter zuletzt neben einem ausgezeichneten „Spreewaldkrimi“ über eine mögliche Mörderin mit multipler Persönlichkeit („Die siebte Person“, 2023) vor allem zwei Romanadaptionen mit Henry Hübchen („Tage des letzten Schnees“ / „Das Licht in einem dunklen Haus“, 2020/22, ZDF), sind in der Regel immer sehenswert. Ob es eine Fortsetzung geben wird, hängt vom Erfolg des PiIotfilms ab. Zu hoffen wäre es.

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Reihe

ARD Degeto, RB

Mit Elena Uhlig, Cynthia Micas, Bernd Hölscher, Lukas Zumbrock, Bogdan Iancu, Steve Windolf, Peter Sikorski, Michael Pink, Gerdy Zint, Xenia Tiling

Kamera: Hannes Hubach

Szenenbild: Jost Brand-Hübner

Kostüm: Sonja Kappl

Schnitt: Melanie Schütze

Musik: Johannes Kobilke und Philipp Kobilke

Redaktion: Annette Strelow (Radio Bremen), Katja Kirchen (Degeto)

Produktionsfirma: Bremedia, Sappralot Productions

Produktion: Hamid Baroua, Heidi Bruns, Christoph Menardi, Christoph Szonn

Drehbuch: Nils-Morten Osburg, Rainer Butt

Regie: Nicolai Rohde

Quote: 5,15 Mio. Zuschauer (20% MA)

EA: 14.12.2023 20:15 Uhr | ARD

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