Der Beischläfer

Stoll, Bitter, Christensen, Clausen/Viebrock, Maier. Monaco Franze am Amtsgericht

Foto: Amazon Prime
Foto Tilmann P. Gangloff

„Der Beischläfer“ erzählt von den Abenteuern eines Autoschraubers, der zum Schöffen am Amtsgericht berufen wird, wo er sich fortan mit einer attraktiven Richterin auseinandersetzen muss. Klingt nach ARD-Vorabend, diese sympathische Mischung aus Münchener Lebensart und juristischen Herausforderungen ist aber eine ausgesprochen witzige Amazon-Serie voller liebevoll schräger Figuren, herrlich absurder Dialoge und wunderbarer Einfälle: „Monaco Franze“ trifft „Königlich Bayerisches Amtsgericht“. Mindestens so amüsant wie das Trio Markus Stoll, Lisa Bitter und Daniel Christensen sind die Sitcom- und Slapstick-Einlagen, die cleveren Pointen und die zum Teil sehr lakonisch im Hintergrund inszenierten Gags. Sehr besonders ist auch die zwischenzeitlich recht rockige neue Volksmusik. Bitte mehr!

Ein Autoschrauber wird zum Schöffen am Münchener Amtsgericht berufen, wo er sich mit mehr oder minder skurrilen Fällen und außerdem mit einer ebenso ehrgeizigen wie attraktiven Richterin auseinandersetzen muss: Das klingt nach ARD-Vorabend oder Dienstagsserie im „Ersten“. Tatsächlich ist die für Amazon entstandene sechsteilige Serie eine ausgesprochen sympathische Mischung aus Münchener Lebensart und juristischen Herausforderungen: „Monaco Franze“ trifft „Königlich Bayerisches Amtsgericht“. Der Reiz der Geschichten resultiert in erster Linie aus der Zuspitzung der Figuren. Charlie Menzinger (Markus Stoll, besser bekannt unter dem Namen seiner Bühnenfigur Harry G) ist Spezialist für alternde Italienerinnen: Er hat eine Kfz-Werkstatt für Sportflitzer aus Turin, ist aber selten bei der Arbeit zu sehen, denn sein Dasein wird von der Trauer um seine vor einem Jahr bei einem Unfall verstorbene Frau Marie bestimmt. Schwiegervater Paul (Helmfried von Lüttich) ist zwar Schicksalsgefährte, weil seine Gattin ebenfalls in dem Auto saß, kommt mit seinem Los jedoch eindeutig besser klar als der lebensmüde Schwiegersohn. Charlies Leben nimmt eine Wende, als er eine Berufung als Schöffe am Amtsgericht erhält. Dort soll er die „Stimme des Volkes“ repräsentieren, was er als einigermaßen absurd empfindet, weil er seit Maries Tod nicht mehr an Gerechtigkeit glaubt. Seine Haltung ändert sich, als er erfährt, dass sie ihn empfohlen hat. Fortan spricht er also Recht, wenn auch nicht immer gemäß den Buchstaben des Gesetzes. Oft hat er dabei eine andere Blickweise als Richterin Julia Kellermann (Lisa Bitter), die in den meisten Fällen lieber kurzen Prozess machen würde. Ihr sind Beisitzer am liebsten, die den Mund halten und ihre Urteile abnicken; daher „Beischläfer“

Der BeischläferFoto: Amazon Prime
Stoll, Bitter, Daniel Christensen, Helmfried von Lüttichau – die Besetzung kann sich sehen lassen. Top sind auch die Dialoge, die Comedy-Einlagen und der Soundtrack!

Die Verhandlungen und Beratungen bilden jedoch nur die eine Hälfte der ausgesprochen kurzweiligen Geschichten. Die sechs Folgen à 30 Minuten sind zwar in sich abgeschlossen, aber es gibt trotzdem fortlaufende Ebenen. So werden zum Beispiel die Umstände, unter denen Marie ums Leben gekommen ist, erst nach und nach enthüllt; in einer Episode gerät Charlie gar in den Verdacht, den Tod seiner Frau gerächt zu haben. Fortsetzungscharakter hat natürlich auch die Beziehung zwischen ihm und Julia: Sie setzt auf Gesetze, er folgt lieber seinem Gefühl. Wenn’s der Wahrheitsfindung dient, wandelt er mit ihrem stillen Einverständnis auch mal auf unkonventionellen Pfaden, was allerdings zur Folge hat, dass die selbstherrliche Gerichtspräsidentin (Lilly Forgách) sie am Ende beide kaltstellt.

Geschickt sorgen die Drehbücher von Murmel Clausen (gemeinsam mit Andreas Pflüger Erfinder des „Tatort“ aus Weimar) und Mike Viebrock dafür, dass sich Berufung und Privatleben immer wieder miteinander vermischen; unter anderem nutzt Charlie seinen Zugang zum Gericht, um mit Julias unfreiwilliger Hilfe einen unsympathischen Baulöwen (Michael Brandner) aus dem Verkehr zu ziehen. Hauptfigur der privaten Ebene ist jedoch sein bester Freund Xaver (Daniel Christensen), ein Lebenskünstler, der sich lieber Xavier nennt und eine todsichere Erfolgsrezeptur ersonnen hat: Er versetzt Tequila mit bayerischer Bier-Hefe, bekommt in seiner Heimdestille aber erst erhebliche Probleme mit einer Lebensmittel-Kontrolleurin und dann mit einem Drogenhändler. Der Ganove hat den Schnapsimport für seine Zwecke missbraucht und vermisst nun einen Teil der Marihuana-Lieferung. Auf diese Weise bereichert Xaver die Welt schließlich unfreiwillig um ein Getränk namens Thc-Quila.

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Macht Laune: der Schöffe wider Willen (Markus Stoll) und die taffe Richterin (Lisa Bitter)

Diese berauschende Mixtur steht quasi für die Qualität der Serie: Im Grunde erzählt „Der Beischläfer“ brave öffentlich-rechtliche Geschichten, aber eine gute Prise Anarchie und überraschende Wendungen garantieren einen ganz speziellen Charme. Der zeichnet auch die männlichen Hauptdarsteller aus, wobei es überhaupt nicht stört, dass Daniel Christensen eindeutig die komischere Figur spielt. Xaver Holzapfel ist der typische Filmfreund, der sich selbst immer wieder in die Patsche bringt, aus der ihn der Held dann befreien muss. Die meisten Zuschauer werden den Oberbayer Christensen aus den Eberhofer-Krimis kennen (er spielt den Installateur Flötzinger). In Stoll hat er einen kongenialen Partner gefunden, zumal sich ihre Rollen perfekt ergänzen: Charlie ist aus gegebenem Anlass eher nachdenklich, Xaver hat die Comedy-Sprüche, was dazu führt, dass ihre Plaudereien öfter herrlich absurd sind.

Ähnlich liebevoll sind die Entwürfe der nicht minder treffend besetzten Nebenfiguren: Mathilde Bundschuh als Krishna-zitierende Karma-Schöffin, Laura Preiss als Pin-up-Kommissarin mit eigenem Stichwortgeber und schließlich in den letzten beiden Episoden Heino Ferch als er selbst; der Schauspieler in Cowboykluft entpuppt sich als unerwartete Konkurrenz für Xaver. In der beinahe letzten Szene gibt es noch einen kleinen Besetzungs-Knüller. Fast noch besser als die Dialoge, die witzigen Sitcom- und Slapstick-Einlagen, die oftmals cleveren Pointen der Geschichten und einige zum Teil sehr lakonisch im Hintergrund inszenierte Gags ist die zwischenzeitlich recht rockige Blasmusik einer Combo, die sich „Der Glabberl Sepp & seine Griffbrettfahrer“ nennt; das ist (neue) Volksmusik im besten Sinne. Zwischendurch erklingen zudem inhaltlich passende Lieder des Duos Dreiviertelblut (Gerd Baumann, Sebastian Horn). Zu den Klängen passt auch die Bildsprache der mitunter recht agilen Kamera (Thomas Wittmann) und des zuweilen auf die Musik abgestimmten flotten Schnitts (Petra Scherer). Spätestens diese muntere Machart spricht dann doch ganz erheblich gegen eine Verwechselbarkeit mit einer ARD-Dienstagsserie. Regie führte Anna-Katharina Maier. Sie hat für die ARD diverse Folgen der Erfolgsserie „Hubert & Staller“ gedreht und zur sehenswerten MDR/ORF-Trilogie „… mit Hindernissen“ die beiden letzten Filme „Trauung mit Hindernissen“ (2018) und „Eltern mit Hindernissen“ (am 3. Juni im „Ersten“) beigesteuert. Dank der vielen Münchener Impressionen ist „Der Beischläfer“ schließlich auch noch eine Liebeserklärung an die bayerische Landeshauptstadt. Bitte unbedingt fortsetzen.

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Mit Markus Stoll, Lisa Bitter, Daniel Christensen, Helmfried von Lüttichau, Florian Jahr, Gilbert von Sohlern, Mathilde Bundschuh, Lilly Forgách, Kristina Dörfer. Episodendarsteller: Michael A. Grimm, Michael Brandner, Heino Ferch, Juliane Köhler

Kamera: Thomas Wittmann

Szenenbild: Thomas Neudorfer

Kostüm: Sylvia Risa

Schnitt: Petra Scherer

Musik: Der Glabberl Sepp & seine Griffbrettfahrer.

Soundtrack: Alle Songs sind von Dreiviertelblut (Gerd Baumann, Sebastian Horn)

Produktionsfirma: The Amazing Film Company, Ring of Fire

Produktion: Thomas Peter Friedl

Drehbuch: Murmel Clausen, Mike Viebrock

Regie: Anna-Katharina Maier

EA: 29.05.2020 10:00 Uhr | Amazon Prime Video

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