Der Bankraub

Dinda, Król, von Dohnányi, Rauhaus, Egger. Und am Ende gewinnt immer die Bank!

Foto: ZDF / Hardy Spitz
Foto Rainer Tittelbach

„Der Bankraub“ reflektiert und rekonstruiert die Finanzkrise 2008 inklusive des Börsencrashs an der Wall Street. Dass dieser „Kriminalfall aus der Wirklichkeit“ zuschauerfreundlich und doch nicht banal das ZDF-Krimi-Einerlei durchbricht, ist vor allem das Verdienst von Autor Martin Rauhaus. Das globale Wirtschaftsthema mit einer deutschen Familiengeschichte kurzzuschließen und somit alle Seiten der skandalösen Vorgänge ins Spiel zu bringen, die Großen und die Kleinen, ist ein kluger Schachzug. Der Film tut, was er tun muss: Er vereinfacht, reduziert Komplexität, setzt auf eine klare moralische Haltung & ist sachlicher als vergleichbare Hollywoodfilme. Besonders überzeugend sind die drei Hauptdarsteller!

Wall Street ruft: Ein Investmentbanker emanzipiert sich vom Malocher-Elternhaus
Ein Riss geht durch eine Familie. Werner Kreye (Joachim Król) ist ein braver Malocher mit SPD-Parteibuch, engagiert im Betriebsrat, „ein Mann, der sich treu geblieben ist“, wie sein Sohn Martin (Franz Dinda) bei der Geburtstagsfeier seines alten Herren noch von ganzem Herzen anzuerkennen weiß. Doch der, ein „Kapitalistenknecht“, wie ihn der Senior gern scherzhaft nennt, ist dann erst mal weg: Wall Street ruft. In New York wartet ein völlig anderes Leben auf den jung-dynamischen Investmentbanker. Sein Unternehmen, die Neue Westdeutsche Bank, will am US-amerikanischen Immobiliengeschäft teilhaben – mit deutschen Anlagegeldern. Treibende Kraft ist der Vorstandsvorsitzende Helmut Draeger (Justus von Dohnányi), seine Chef-Kollegen Kühnen (Hanns Zischler) und von Castell (Herbert Knaup) versuchen zu bremsen, doch gegen die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten des Kapitalmarkts und dessen Aktien-Rausch kommen sie einfach nicht an. Wall-Street-Star Hillary Bleacher (Anna Drijver) übernimmt vorübergehend die Regie in einem Vabanque-Spiel mit dubiosen Kreditausfallversicherungen – bis im Oktober 2008 die Börsenkurse einbrechen. Seine Heimat hat Martin über die Zeit mehr und mehr aus den Augen verloren. Die Telefonate mit der kranken Mutter (Ulrike Kriener) wurden seltener, die Freundin (Bernadette Heerwagen) wurde abserviert, zwischen ihm und seinem Vater herrschte Funkstille. Dass sich dieser aus Angst vor Altersarmut von seinem Bankberater (Godehard Giese) zu immer riskanteren Geldanlagevarianten verführen ließ, davon weiß der Sohn nichts. Als Kreye senior kurz nach dem Börsen-Crash den ganz großen Verführer, NWB-Chef Draeger, vorsätzlich überfährt, ist für Martin die Stunde der Wahrheit gekommen.

Der BankraubFoto: ZDF / Hardy Spitz
Herzenssachen. Feier zum 59. Geburtstag im Vereinslokal: Noch hält die Familie zusammen. Bernadette Heerwagen, Franz Dinda, Joachim Król und Ulrike Kriener

Bankraub bedeutet Raub durch die Bank & die Finanzkrise ist auch Familienkrise
„Am Ende gewinnt immer die Bank.“ Die oberste Glücksspiel-Regel gilt auch für die Geldwirtschaft. Was im Einzelnen dahinter steckt, davon erzählt für die Finanzkrise 2008 der bemerkenswerte ZDF-Fernsehfilm „Der Bankraub“. In dem Film von Urs Egger nach dem Drehbuch von Martin Rauhaus geht es um ein Verbrechen, aber nicht um eines, das sich im Rahmen eines Krimis verhandeln ließe: Die in räuberischer Absicht Handelnden waren eindeutig die Banken. „Der Bankraub“ ist also eher ein „Themenfilm“, was allerdings nicht verhindert hat, dass er spannend geworden ist. Die Strategie, die von den USA ausgehende Finanzkrise der späten 00er Jahre mit einer deutschen Familiengeschichte kurzzuschließen, dazu die Engführung zweier höchst unterschiedlicher Milieus, erweist sich als eine gute Lösung. So kommen alle Seiten der skandalösen Vorgänge ins Spiel: Da sind die, die in New York euphorisiert am großen Rad drehen; da sind die, die in der Heimat bremsen wollen, die Banker der alten Schule; da sind die kleinen Bankangestellten, die die US-Immobilienblase den Kunden als große Chance verkaufen müssen; und da sind die Kleinanleger, die zum Mitmischen beim großen Gewinnspiel genötigt werden. Der doppeldeutige Filmtitel bezieht sich wohl letztlich auf folgende Tatbestände: einerseits darauf, dass deutsche Banken Tausende von Kleinanlegern durch ihre „Beratung“ über den Tisch gezogen haben, sie in übergroße Risiken trieben und sie ihrer Anlagegelder beraubt haben. Dass sie sich auch noch mit Hilfe der Politik vom Staat retten ließen, ist dann eine weitere Form von „Bankraub“.

Der BankraubFoto: ZDF / Hardy Spitz
Fasziniert von den oberen Etagen der Wall Street. Draeger (von Dohnányi) erzählt, wie das war in den wilden Achtzigern. Martin (Franz Dinda) ist motiviert und heiß.

Ob Bank-Marketing oder Filmdramaturgie – Reduktion von Komplexität ist alles!
Vertrauen schaffen durch Vereinfachung. Ähnlich wie der von Joachim Król überaus glaubwürdig dargestellte kleine Mann seinem Bankangestellten geradezu dankbar ist, dass dieser ihm die komplexen Zusammenhänge des Finanzwesens so schön bildlich auf den Punkt bringt, so ähnlich dürfte es auch vielen Zuschauern beim Sehen von „Der Bankraub“ gehen. Denn Reduktion der Komplexität ist auch das Prinzip von Autor Rauhaus. Dass viele Zuschauer einiges, was an der Wall Street ausgeheckt wird oder was der deutsche Kundenberater da dem kleinen Mann so alles rät, nicht gänzlich verstehen werden, gleicht der Film quasi aus mit einer wohlbekannten psychologischen Dramaturgie mit seinen prophetisch ausgerufenen Vorausdeutungen, den Konfliktherden einer Familiengeschichte und den realen wirtschaftspolitischen Ereignissen inklusive Bankenrettung, die zumindest in ihrer Medienpräsenz – wenn nicht sogar aus erster Hand – jedem noch vertraut sein dürften. Die Informationsvergabe verläuft ansonsten weitgehend realitätsnah: Erklärdialoge für den Zuschauer gibt es nicht, allenfalls die Banker untereinander, versuchen sich zu überzeugen. In der Regel dominieren einfache Metaphern („Wir schieben den Risikohebel hoch“) und die wunderbar getroffene Marketingsprache der Banken („Ihr Fond entspricht der von Ihnen gewählten Risikoklasse ‚konservativ’“) über allzu komplizierte ökonomische Sachverhalte. Auch die zweifelsfreie Moral hilft dem Zuschauer über die eine oder andere Zahlenkolonne oder unverständliche System-Information hinweg. Dramaturgisch ist der Vater-Sohn-Konflikt hilfreich: „Du wusstest mal, was richtig und was falsch ist“, bringt es der Vater auf den Punkt. Das Verhältnis zwischen Justus von Dohnányis Draeger und des sich im Rausch der New Yorker Hochfinanz verlierenden Helden erinnert sicher nicht zufällig an das Verhältnis zwischen Jake Moore und dem Eighties-Börsen-Zocker Gordon Gekko im zweiten „Wall Street“-Film „Geld schläft nicht“. Auch wenn auf dem Gipfel des Erfolgs die legendären, Stil bildenden Gekko-Hosenträger zum Einsatz kommen und Justus von Dohnányi in seiner unnachahmlichen Kunst, Arschlöcher darzustellen, nah dran ist an einem Mephistopheles der oberen Etagen, ist dieser Fernsehfilm erfreulicherweise weniger sexy als Hollywood.

Der BankraubFoto: ZDF / Hardy Spitz
Das ist nicht mehr seine Welt. Martin Kreye (Joachim Król) hat alles verloren und begeht eine Verzweiflungstat. Wird er wenigstens seinen Sohn zurückgewinnen?

Von der Lust des Machbaren, der Verzweiflung und der Rettung des Bankensystems
„Der Bankraub“ wurde vom ZDF, das in der Fiktion bekanntlich gern einen weiten Bogen um allzu Relevantes macht, nun offiziell als „Themen-Fernsehspiel“ ausgerufen. „Angesichts der enormen Bedeutung der Banken und Banker muss diese komplexe Welt voller Hybris auch in den fiktionalen Fernsehfilmen reflektiert werden“, betont Redakteur Pit Rampelt im ZDF-Presseheft. Dass dieser „Kriminalfall aus der Wirklichkeit“ zuschauerfreundlich und doch nicht banal den zuletzt thematisch immer uninteressanter gewordenen Fernsehfilmplatz am Montag zieren kann, ist – neben Produzentin Doris Zander – vor allem das Verdienst von Autor Rauhaus. Der hatte die Idee und das nötige Knowhow, um für ein Millionenpublikum der Finanzkrise 2008 die richtige Verpackung zu geben. Mit dem „nicht systemrelevanten“ Kleinanleger Kreye hat er den Großkopferten eine tragische Figur entgegengestellt; aber auch der zum Wall-Street-Yuppi aufsteigende Junior, den der glänzende Franz Dinda physisch und lange Zeit mit Gewinnerpose verkörpert, bleibt natürlich in erster Linie Sohn – und der fällt bekanntlich nicht allzu weit vom Stamm. Insgesamt zielt Rauhaus in seinem Drehbuch weniger ab auf die Gier aller Beteiligten (die Dieter Wedel in seinem Zweiteiler von 2010 individualisiert auf den Betrüger Jürgen Harksen und dessen Betrogenen bezogen hat). Bei den Bankern ist es die Lust an der Macht, beim jungen Helden schwingt auch der amerikanische Traum mit: vom Malochersohn zum Millionär. Und beim Kleinanleger ist es die pure Verzweiflung. „Der Bankraub“ erzählt, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt. Regisseur Urs Egger gelingt das auch filmisch sehr überzeugend. Scharfe Gegensätze können durchaus harte Schnitte vertragen. Die Montage treibt so die Handlung zum Aufstieg und später zum Fall. Da ist ständig Bewegung im Spiel. Wortreichen Meetings folgen unweigerlich lustvolle Szenen und euphorisierte Momente. „Solange die Party läuft, musst du tanzen“, tönt es im Big Apple. In der kleinen Bankzentrale in Deutschland klingt das ganz anders: „Damit haben Ihre Papiere einen Wertverlust von 100 Prozent erlitten.“ (Text-Stand: 8.4.2016)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Franz Dinda, Joachim Król, Justus von Dohnányi, Ulrike Kriener, Bernadette Heerwagen, Anna Drijver, Hanns Zischler, Herbert Knaup, Godehard Giese

Kamera: Wojciech Szepel

Szenenbild: Dominik Kremerskothen

Kostüm: Heike Hütt

Schnitt: Oliver Neumann

Musik: Ina Seifert, Nellis DuBiel

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Produktion: Doris Zander

Drehbuch: Martin Rauhaus

Regie: Urs Egger

Quote: 3,66 Mio. Zuschauer (12,4% MA)

EA: 09.05.2016 20:15 Uhr | ZDF

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