Der Amsterdam-Krimi – Der Dreck der Anderen

Hannes Jaenicke, van Huêt, de Brauw, Stöckle, Getto. Aus den Augen, aus dem Sinn

Foto: Degeto / van der Wal
Foto Tilmann P. Gangloff

Illegaler Giftmüllexport ist genau das richtige Thema für den Umwelt- und Naturschützer Hannes Jaenicke. Im siebten „Amsterdam-Krimi“ (Degeto / Ziegerfilm) ermittelt der deutsche Polizist Alex Pollack verdeckt in einem Unternehmen, das chemische Abfälle zwischen Plastikmüll versteckt und nach Malaysia verschifft. Wirklich packend ist der Film allerdings gerade im Vergleich zu den früheren Thriller-Episoden nicht. Das Drehbuch, erstmals nicht von Reihenschöpfer Peter Koller, sondern von Britta Stöckle, reichert die Handlung durch einige Beziehungselemente an, aber die Umsetzung hat manchen Leerlauf. Die Arbeit von Regisseurin Almut Getto auch mit den jungen Ensemblemitgliedern ist jedoch sehenswert, was angesichts der verschiedenen emotionalen Schwerpunkte besonders wichtig ist. Die schönen Amsterdam-Bilder passen dagegen nicht recht zum Thema.

Im Rahmen seiner ZDF-Dokus „Im Einsatz für…“ hat Hannes Janenicke zuletzt gewohnt engagiert auf das Schicksal der Meeresschildkröten hingewiesen. Der Tonfall der Reihe ist seit dem Auftakt im Jahr 2008 deutlich rauer geworden. Die Ausführungen mündeten in eine Anklage nicht nur gegen die Wirtschaft und ihre „gut geölte Plastiklobby“, sondern auch gegen die Politik: weil sie nicht verhindere, dass immer mehr Plastik hergestellt werde. Autorin Britta Stöckle dürfte daher mit ihrer Idee für den siebten „Amsterdam-Krimi“ leichtes Spiel gehabt haben, zumal der Film sein Anliegen bereits in der ersten Szene nach dem Prolog auf den Punkt bringt. Das Team rund um Kommissar Bram de Groot (Fedja van Huêt) und seinen deutschen Kollegen Alex Pollack (Jaenicke) schaut sich ein Video an, das ihnen aus Malaysia zugespielt worden ist: Auf einer Halde mit Müll aus Europa liegt ein toter kleiner Junge. Die Abfälle werden verbrannt, um Beweise zu vernichten, denn zwischen dem Plastik befindet sich auch illegal entsorgtes Material. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf die Quelle des Gifts, aber mit Blick auf den Becher eines Kollegen bringt Pollack zum Ausdruck, was er von Kaffee zum Mitnehmen und ähnlichen Beiträgen zum Plastikmüllberg hält.

Der Amsterdam-Krimi – Der Dreck der AnderenFoto: Degeto / van der Wal
Was aussieht wie ein harmloses Landgrundstück, entpuppt sich als Kokswäscherei! „Amsterdam-Krimi – Der Dreck der Anderen“

Das Drehbuch zu „Der Dreck der Anderen“ stammt erstmals nicht von Reihenschöpfer Peter Koller, dessen Geschichten auch dank der Umsetzungen vor allem durch Peter Stauch und İsmail Şahin fesselnde Thriller waren. Stöckles Drehbuch birgt zwar ebenfalls Thriller-Potenzial, aber wirklich packend ist der Film gerade im Vergleich zu den früheren Episoden nicht. Daran ändert auch das ohnehin reichlich abgenutzte dramaturgische Muster nichts, den Helden zu Beginn in dramatischer Situation zu zeigen und dann in langer Rückblende zu erzählen, wie es dazu kommen konnte, dass Pollack verletzt und ohne Erinnerung vor einer Klinik abgelegt wird. Seltsam inkongruent ist nach wie vor das Sprachgemisch: Dass die einheimischen Mitwirkenden alle deutsch sprechen, ist zwar sehr sympathisch, aber ein auf Deutsch mit starkem holländischen Akzent geführtes TV-Interview klingt irritierend.

Die Arbeit von Regisseurin Almut Getto nicht zuletzt mit den jungen Ensemblemitgliedern ist allerdings sehenswert, was angesichts der verschiedenen emotionalen Schwerpunkte wichtig war, denn neben dem Giftmüllskandal spielt auch die kriselnde Ehe von Bram und Antje de Groot (Marguerite de Brauw) eine größere Rolle. Die beiden Ebenen sind geschickt verknüpft: Antje engagiert sich in der Jugendarbeit, was der Gatte für Zeitverschwendung hält; seiner Ansicht nach helfen gegen Jugendkriminalität nur strengere Gesetze. Als Antje ein Straßenfußballturnier organisiert, kommt es zu einer brisanten Überschneidung, denn als Sponsorin gewinnt sie ausgerechnet Laura Lee (Joy Maria Bai), die angesehene Besitzerin eines Recycling-Unternehmens. Bram ist überzeugt, dass die ehrenwerte Fassade bloß Tarnung für die buchstäblichen zum Himmel stinkenden Machenschaften sind, und das ist keineswegs der einzige illegale Geschäftszweig, wie Pollack entdeckt; aber just jetzt kommt es zu jenem Ereignis, bei dem er durch eine Explosion Gehör und Gedächtnis verliert.

Der Amsterdam-Krimi – Der Dreck der AnderenFoto: Degeto / van der Wal
Sehenswert, aber nicht packend. Soko-Chef Bram de Groot (Fedja van Huêt) findet einen Hinweis seines Undercover-Ermittlers.

Zwischendurch gibt es einige genretypische Spannungsmomente, wenn der „Undercover“-Polizist beinahe beim Schnüffeln erwischt wird, doch Getto hatte offenkundig keinen Thriller im Sinn. Das ist natürlich ihr gutes Recht, aber mitunter läuft die Handlung auch ins Leere. Seltsam ist zudem, dass die vielen Amsterdam-Impressionen bis auf ganz wenige Ausnahmen keinen Bezug zum Thema haben. Einmal wird der pittoreske Gesamteindruck durch Straßenmüll getrübt, aber ansonsten war es der Regisseurin und Kameramann Felix Beßner offenbar wichtiger, schöne Bilder einzufangen. Für zusätzliche Emotionen sorgen neben der angenehm beiläufig inszenierten Zuneigung einer Mitstreiterin zu Antje zwei Jugendliche, die in die Machenschaften verstrickt sind. Beiden möchte Pollack aus der Misere helfen, vergeblich, was dem Film im Zusammenspiel mit der Ehekrise und den Erinnerungen des Polizisten an Ex-Freundin Katja viel Melancholie beschert. Getto hat zuletzt das darstellerisch nicht rundum überzeugende SciFi-Drama „Morin“ (2023, ARD) über Kinder auf einer Elite-Akademie gedreht. Stöckles sehenswerte letzten Arbeiten waren „Ein Schritt zum Abgrund“ (2023, ARD) mit Petra Schmidt-Schaller als Ärztin, die sich dem Klischee der betrogenen Ehefrau widersetzt, sowie das Schwesterndrama „Bring mich nach Hause“ (2021, ZDF).

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto

Mit Hannes Jaenicke, Fedja van Huêt, Marguerite de Brauw, Peter Post, Birgit Welink, Joy Maria Bai, Onno Roozen, Arent Jan Linde, Shahine El-Hamus Omar Alwan

Kamera: Felix Beßner

Szenenbild: Alfred Schaaf

Kostüm: Fleur Enderberg

Schnitt: Oliver Held

Musik: Andreas Helmle

Redaktion: Katja Kirchen, Laura Vella

Produktionsfirma: Zieglerfilm Köln

Produktion: Barbara Thielen

Drehbuch: Britta Stöckle

Regie: Almut Getto

Quote: 4,87 Mio. Zuschauer (19% MA)

EA: 16.04.2024 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 18.04.2024 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach