Hannah (Anneke Kim Sarnau) ist untröstlich. Sie hat sich so große Mühe gemacht mit einem Kalenderbuch, mit dem sie ihre sechseinhalbjährige Beziehung mit Simon (Thomas Niehaus) neu beleben wollte: Konzertkarten, eine Anmeldung zum Chorsingen, ein Termin zur Paartherapie, ein romantischer Abend, Sex, alles liebevoll zusammengebastelt – und dann hat sie das Geburtstagsgeschenk auf der Bank vor ihrer Kita liegenlassen. Zwar gibt es einen ehrlichen Finder, Jonathan Grief (Stefan Jürgens), doch der wird beim Fundamt boshaft abgewiesen, genauso wie Hannah, die nur wenige Minuten später dort auftaucht. Ein Wink des Schicksals? Schließlich kreuzen sich in einer Kfz-Werkstatt ihre Wege ein weiteres Mal. Grief, ein vom Leben und Wohlstand gelangweilter Verleger, der eher ungewollt das berufliche Erbe seines dementen Vaters (Dietrich Mattausch) antreten musste, hat mit dem Kalender endlich etwas gefunden, was ihn aus seiner Lethargie holt: Er ist überrascht davon, was das Leben alles zu bieten hat, und er ist sicherlich auch fasziniert von dieser ihm unbekannten Frau, die so engagiert um ihr Glück und das ihres Freundes kämpft. Bei einem Jazz-Abend bekommt er – was für eine Überraschung! – das Gesicht zum Buch; doch er gibt sich nicht als dessen Finder zu erkennen. Will er es als Anleitung zum eigenen Glück nutzen?
Foto: ZDF / Georges Pauly
Die Romantic Comedy gehört zu den Genres, deren Handlungsstruktur starr und dessen dramaturgische Vorgaben besonders streng sind. Daher ist es für die Macher*innen stets die größte Herausforderung, die bekannten Muster mit einer umso einfallsreicheren Geschichte zu füllen. Autor Bert Koß („Die Glücksspieler“, eine t.tv-6-Sterne-Serie) und Regisseurin Luise Brinkmann („Malibu“) gelingt dies bei „Dein perfektes Jahr“ im Detail ausgesprochen gut; die originelle Grundplot-Idee stammt allerdings von Charlotte Lucas, nach deren gleichnamigen Roman dieser Film aus der ZDF-„Herzkino“-Reihe entstanden ist. Dass beide Geschichten, die von Hannah, die mit dem Kalender wohl einen letzten Versuch starten will, ihrer Beziehung mehr Abwechslung und Aufregung zu geben (auch wenn sie es so nie sagen würde), und die von Jonathan, der durch die Freizeit-Anregungen des Kalenders eine Art Erweckungserlebnis erfährt, lange Zeit parallel erzählt werden, ist eine wesentliche Qualität des Films. Dadurch bekommt die Geschichte das, was sich die weibliche Hauptfigur erhofft: mehr Leben. Aber auch die zwei Perspektiven tun der Handlung gut. Da ist dann, nachdem die allererste Szene noch recht launig war, der konventionelle Ich-Erzählerinnen-Einstieg („Die Frau da, die mit den vielen Taschen und in großer Eile, das bin natürlich ich“), schnell vergessen, der zwar den Zuschauer freundlich an die Hand nimmt und auch erzählökonomisch sein mag, der aber mit seiner aufgesetzten Lockerheits-Attitüde ganz schön nerven kann.
Soundtrack: Vic Damone („Let’s Fall In Love“), Dinah Washington („What a Difference a Day Makes“), Elvis Costello & The Attractions („Good Years For a Roses“), Duke Ellington („Haupe“), Bobby Darin („Beyond the Sea“), Leon Bridges („River“), Joao Gilberto & Stan Getz („Desafinado“), Maya Hawke („Backup Plan“)
Foto: ZDF / Georges Pauly
Eine eigene Erzähler-Stimme bekommt der desillusionierte Verleger zwar nicht, das erledigt die quicke und quitschfidele Hannah gleich mit, dafür darf der maulfaule Mann ein paar klare, markante Sätze äußern: „Sie suchen einen Mann, ich suche keine Frau.“ Das sagt er nicht zu der Erzieherin, die sich lieber als Kindergärtnerin bezeichnet (ein feines Detail), sondern einem Gast auf seiner Geburtstagsparty, die jedes Jahr von seiner Ex-Frau und seinem Ex-Freund ausgerichtet wird; „wahrscheinlich aus schlechtem Gewissen“. So einer ist das also. Keine Freunde, kein Faible für etwas, keine Leidenschaft, kein Leben. Der andere Mann, Hannahs Noch-Lebenspartner, hat zumindest eine Passion: seinen ersten Roman. Schriftsteller und Verleger – das eröffnet weitere narrative Optionen… Auch Simon weiß sich im Übrigen abzu-schotten – mit einem Lärmschutz auf den Ohren: Nur, um ungestört schreiben zu können? Dieser Simon scheint ein ebenso aussichtsloser Fall zu sein wie Jonathan. „Gefühle vom Anfang gibt’s am Anfang, in der Mitte gibt’s dann die Gefühle von der Mitte – das ist Logik“, kontert er Hannahs Herzenswunsch nach wieder mehr Lebendigkeit in ihrer Beziehung. Zum Buhmann oder zur Witzfigur wie in anderen romantischen Komödien wird Simon allerdings nicht. Im Gegenteil: Ein ärztlicher Befund macht ihn zur tragischen Figur, was ihm das Mitleid der Zuschauer*innen einbringen dürfte; erst recht, weil Simon, der etwas weltfremd wirkt für einen Schriftsteller (nun ja, SciFi), zurückhaltend und sympathisch vom theatererfahrenen Thomas Niehaus („Nord bei Nordwest – Der Ring“) verkörpert wird.
Überhaupt, die Schauspieler. Die spielfreudige Anneke Kim Sarnau, deren Hannah alle Sympathien auf ihre Seite zieht, ist für „Dein perfektes Jahr“ die halbe Miete. Genrebedingt darf sie hier einen Charakter geben, der die helle Seite des Lebens bevorzugt, ganz im Gegensatz zu ihrer dunklen, pessimistischen Rolle im Rostocker „Polizeiruf“. Etwas von dieser Strenge, gepaart mit einer prinzipiellen Unlust, besitzt dagegen die männliche Hauptfigur der ZDF-Komödie. Stefan Jürgens, der zuletzt wieder mehr als Comedian auf der Bühne stand und wenig Film gemacht hat, passt mit seinen kantig-markanten Gesichtszügen gut in die Rolle des stillen Eigenbrötlers, der das soziale Leben und die Liebe entdeckt. Allerdings muss Jonathan durchs Tal der Tränen gehen. Was hat er sich auch nur dabei gedacht? Als er in Käpt’n Blaubeer-Manier in einer Szene, in der der Verleger Hannah und ihrer Kita einen Ausflug rettet, phantastische Lügengeschichten erzählt, sammelt er noch fleißig Pluspunkte bei der Erzieherin. Aber für einen Mann, der sie heimlich ausspioniert, der sich ihrer geheimsten Gefühle bemächtigt, sich in ihr Seelenleben schleicht, kann eine Frau, besonders eine, die für Social Media keinerlei Antennen besitzt, nur Abscheu empfinden. Dabei wären dieser Mann und diese Frau, beide so sympathisch von gestern, doch ein schönes Paar. Keine Frage, natürlich wird es ein Happy End geben. Fein, leise, reduziert. Bei Anneke Kim Sarnau reicht ein Lächeln. (Text-Stand: 20.2.2024)