Dead Man Working

Benjamin Lillie, Koch, Triebel, Marc Bauder. Abgekoppelt von der Wirklichkeit

Foto: HR / Börres + Weiffenbach
Foto Thomas Gehringer

Ein Manager der Bank für Deutschland stürzt sich vom Dach der Firmenzentrale. Sein junger Assistent versucht die Hintergründe aufzuklären. Die Banken-Skandale der jüngsten Vergangenheit liefern die Folie für dieses spannende Milieu-Drama mit Thriller-Anklängen. „Dead Man Working“ ist Marc Bauders fiktionale Abrechnung mit dem Finanzsystem, das der Regisseur zuletzt mit dem preisgekrönten Dokumentarfilm „Master of the Universe“ seziert hatte. Der Fernsehfilm glänzt durch vorzügliche Bildgestaltung und eine herausragende Besetzung mit dem jungen Theater-Schauspieler Benjamin Lillie in seiner ersten TV-Hauptrolle. Das Buch überzeugt trotz einiger Längen mit starken Figuren & böser Schluss-Pointe.

Jochen Walther (Wolfram Koch) ist als „Investmentbanker des Jahres“ ein Star in der Frankfurter Zentrale der Bank für Deutschland. Der smarte Manager gibt sich gerne betont unkonventionell. Die neuen Mitarbeiter fragt er nach dem jüngsten Film der Coen-Brüder, und seinen Assistenten Tom Slezak (Benjamin Lillie) hatte er eingestellt, obwohl – oder gerade weil – der sich mit dem Motto frei nach Bertolt Brecht beworben hatte: Was ist ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank? Das allerdings erfährt das Publikum erst später. In einer Vorblende sieht man zu Beginn des Films, wie Slezak in Handschellen aus dem Gebäude geführt wird. Die Banken-Skandale der jüngsten Vergangenheit liefern die Folie für dieses Milieu-Drama mit Thriller-Anklängen, das die Folgen des Rendite-Wahns innerhalb des Systems vor Augen führen will: die Arbeitswut, die Gier nach Erfolg, die Intrigen, auch die nur nach außen hin behauptete Läuterung nach dem Finanzcrash von 2008. „Dead Man Working“ verzichtet zwar auf die Perspektive der eigentlichen Opfer dubioser Bankgeschäfte, bietet aber aufgrund der bitterbösen Innenansicht dennoch eine wirkungsvolle Abrechnung mit der Branche. Der Name Bank für Deutschland, das fiktive Firmen-Logo und die Darstellung der internen Machtkämpfe während des vermeintlichen „Kulturwandels“ verweisen dabei sehr augenfällig auf die Deutsche Bank, auch wenn Regisseur Marc Bauder im „Making of“ betont, gemeint sei stellvertretend das gesamte Bankensystem.

Dead Man Working

Bauder jedenfalls ist mit dem Thema vertraut. In seinem Dokumentarfilm „Master of the Universe“, der 2014 den Europäischen Filmpreis gewann, gab er einem Investment-Banker einen ganzen Film lang Zeit und Raum, um die Mechanismen des Finanz-Systems zu sezieren. Dieser Film wäre eine gute Ergänzung gewesen, aber auch so hat die ARD im Rahmen ihres Programmschwerpunkts „Zukunft der Arbeit“ eine Art Themenabend konzipiert. Die Doku „Tod eines Managers – Der Fall Wauthier“, die im Anschluss an die Premiere von „Dead Man Working“ im Ersten läuft, beschäftigt sich mit dem Selbstmord des Finanzchefs der Zurich Versicherung im Jahr 2013. Denn auch in der fiktionalen Erzählung bringt sich ein Top-Manager um: Jochen Walther springt vom Dach des Hochhauses, obwohl er gerade ein Milliarden-Geschäft mit dem Emirat Katar erfolgreich abgeschlossen hat (die Anspielung auf das Todesstrafen-Drama „Dead Man Walking“ erscheint etwas abwegig). Vor den Fernsehkameras gibt Walthers Witwe Nora (Jördis Triebel) der Bank die Schuld: „Man hat meinen Mann durch systematischen Druck in den Tod getrieben.“ Von wegen Kulturwandel: In der Bank für Deutschland gebe es keine Freunde, nur „Fressfeinde und Opportunisten“.

Drehbuch und Inszenierung halten das Motiv für den Selbstmord in der Schwebe und die Spannung trotz einiger Längen aufrecht. Und weil auf dem Dach die Überwachungskamera abgebaut wurde, die die entscheidenden Bilder aufnahm, wird sogar die Möglichkeit eines Mordes ins Spiel gebracht. Aber auch private Gründe könnten eine Rolle gespielt haben: Für die Familie hatte Walther wenig Zeit, die Ehe kriselte. Der Mittelpunkt seines Lebens war die Bank, und näher als der eigene Sohn Sascha (Max Koch) stand ihm sein Assistent, das Mathematik-Genie Tom Slezak. Schauspieler Benjamin Lillie ist Ensemble-Mitglied am Deutschen Theater Berlin, aber im Fernsehen eine Entdeckung. In seiner ersten Hauptrolle spielt der lange Schlaks mit dem schiefen, kantigen Gesicht den jungen Aufsteiger Slezak schön undurchsichtig. Mal ist er der intelligente, arrogante Schnösel, dann wieder glaubt man ihm die Zweifel am System. Großartig auch, wie seine Beziehungen zu Frauen nur durch wenige Gesten angedeutet werden – im Gegensatz zu den einschlägigen Filmen aus dem Banken- und Yuppie-Milieu, in denen saftiger Sex und Drogen-Orgien stets dazugehören. Die Droge hier ist allein die Arbeit. Vorstands-Sekretärin Liljana (Alma Leiberg) könnte man allerdings leicht als ein zu allem bereites Sekretärinnen-Klischee missverstehen.

Dead Man WorkingFoto: HR / Börres + Weiffenbach
Grandiose Bildsprache. Pinkeln mit Aussicht. Sehen und gesehen werden, Mainhattan-like. Benjamin Lillie & Alma Leiberg

Wunderbar dagegen Jenny Schily als Frau Sonnebach, die sich in dieser allein auf den Erfolg getrimmten Welt um die Seelen der Mitarbeiter sorgt, mit Tisch-Springbrunnen und „Ingwerbrühe“, wie Tom spottet. Die glänzende Besetzung wird durch Bernhard Schütz und Manfred Zapatka abgerundet. Schütz ist der mahnende Rechtsvorstand, der schließlich kalt gestellt wird, Zapatka der Vorstandsvorsitzende, der anfangs kaum in Erscheinung tritt, doch – nicht überraschend – die Schlüsselrolle bei der finalen Auflösung spielt. Die gelingt dank einer bösen Pointe, auch wenn der Selbstmord Walthers nicht unbedingt zwangsläufig erscheint. Zudem hilft dem Drehbuch manchmal der eine oder andere Zufall über Handlungs-Klippen, und die Bilder von den Überwachungs-Videos werden etwas zu häufig bemüht.

Kamera, Szenenbild und die vom HR-Sinfonieorchester eingespielte Musik sind dagegen vorzüglich. Börres Weiffenbach, der auch in Bauders „Master of the Universe“ für die exzellente Bildgestaltung verantwortlich war, fotografiert das Frankfurter Bankenviertel als glitzernde, kalte Hochhaus-Wüste, in der die Menschen wie unermüdliche Ameisen hinter Glasfassaden eingesperrt sind. Der äußere Luxus – vom superschicken Wohnhaus der Familie Walther bis zu den Toiletten auf der Vorstandsetage – kontrastiert mit dem Elend im Inneren. Und die leeren Sprach-Hülsen des Banken-Kauderwelschs („Auch unsere High Potentials haben ein Recht auf Familie“) sowie die absurd komplizierten Formeln, die Tom auf die transparente Wand im Büro kritzelt, erzählen von einer in sich geschlossenen Welt, die sich von der Realität außerhalb ihrer schicken Blase abgekoppelt hat. Wie ihre Finanzprodukte von der Realwirtschaft. (Text-Stand: 5.10.2016)

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Fernsehfilm

HR

Mit Benjamin Lillie, Wolfram Koch, Jördis Triebel, Manfred Zapatka, Bernhard Schütz, Jenny Schily, Alma Leiberg, Michael Rotschopf, Max Koch, Samir Fuchs, Julia Brand

Kamera: Börres Weiffenbach

Szenenbild: Manfred Döring

Schnitt: Stefan Blau

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: Dörte Franke, Khyana el Bitar

Regie: Marc Bauder

Quote: 3,70 Mio. Zuschauer (11,6% MA)

EA: 02.11.2016 20:15 Uhr | ARD

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