Erst wird eine Frau im Swimmingpool ertränkt, zurückbleibt eine Katze. Dann findet man eine alte Bäuerin tot in ihrer Küche, der Kopf wurde abgetrennt und schwimmt im Kopftopf. Ein Hahn flattert durchs Haus. Mysteriöse Morde, stets verbunden mit Tieren aus dem Märchen der Bremer Stadtmusikanten, stellen die Ermittler vor ein Rätsel. Als Polizistin Sophie Lindner (Julia Koch) einen seltsamen Anruf aus einer Telefonzelle erhält, geht sie dem nach und stößt auf den Mann, den sie vor zwei Jahren des Mordes überführt hat: Jonas Horak (Karl Markowics). Der lebt mittlerweile in einer Anstalt für abnorme Rechtsbrecher. Sie sucht ihn auf, im Gespräch mit ihr wird ihm klar: Freitag (Stefan Pohl) ist zurück, dieser Dämon in Menschengestalt, der eine schizophrene Abspaltung von Horaks kranker Psyche zu sein scheint und ihn zur Strecke bringen will. Ein Mord mit einer Katze und ein weiterer mit einem Hahn? Horak ist überzeugt, Freitag killt nach der Geschichte der Bremer Stadtmusikanten. Und siehe da, bald schon liegt ein Mann mit Hund erschlagen im Wald. So beginnt Sophie mit der Suche nach einem Esel…
„Was genau ist jetzt wirklich und was nicht?“, fragt Horak am Ende des Films den neben ihm im Cabrio sitzenden Freitag. Der antwortet: „Das ist ganz einfach, Herr Kommissar, wirklich ist, wenn es weiter geht“. „Das Schweigen der Esel“ ist ein raffiniertes und kluges Spiel mit dem Zuschauer und dessen Sehgewohnheiten. Mal denkt man, man ist in der Realität, schon tappt man in die Falle und alles ist wieder anders. Nach „Alles Fleisch ist Gras“ (2014) und „Das letzte Problem“ (2019) ist „Das Schweigen der Esel“ der dritte Landkrimi aus Vorarlberg und eine Fortsetzung von „Das letzte Problem“. Auch den schrieb und inszenierte Karl Markovics. Wer ihn gesehen hat, hat zweifelsohne weit mehr Genuss an dieser außergewöhnlichen Krimikomödie, weil er den Freitag bereits kennt. Doch auch „Neueinsteiger“ können sich an dieser auch als Einzelstück funktionierenden kleinen TV-Perle erfreuen. Schräg, skurril, absurd, aber auch liebevoll, detailverliebt und bildstark ist dieser Landkrimi, der wieder einmal zeigt, dass man in Österreich weit mehr Mut hat, Filme abseits vom Mainstream zu machen. Und zudem dem Dialekt vertraut. Hier darf so gesprochen werden wie Menschen reden, fernab der Künstlichkeit, das schafft wohlige Atmosphäre, Nähe zu den Figuren, selbst wenn man nicht jedes Wort versteht, man versteht stets, was gemeint ist.
Foto: ORF / Manuel Riesterer
Karl Markovics hat dieses wunderbare Drehbuch geschrieben, führt eigenwillig Regie und ist als Horak auch das Gesicht dieses Films. Viele kennen den österreichischen Multi-Künstler noch als „Stockinger“ aus „Kommissar Rex“ und dem anschließenden Spin-off. Doch Markovics hat sich danach eher der Filmkunst verschrieben. Er war Hauptdarsteller in dem „Oscar“-gekrönten Drama „Die Fälscher“, sein Regiedebüt „Atmen“ lief in Cannes, wurde prämiert und räumte 2012 bei den „Österreichischen Filmpreisen“ ab. Als eigenwillig könnte man die Herangehensweise des Regisseurs Markovics beschreiben, einfallsreich spielt er mit Märchenmotiven (Horak arbeitet als Referendar im BKA-Archiv und schreibt an dem Buch „Die strafrechtlich relevanten Tatbestände in den Märchen der Brüder Grimm“), gekonnt nutzt er Parallelmontagen und ausgefallene Perspektiven (Blick aus dem Kopftopf), tobt sich fast 90 Minuten kreativ aus, streut Filmzitate ein. „Das Schweigen der Esel“ assoziiert eine Nähe zum Kult-Thriller ‚Das Schweigen der Lämmer‘, zeigt aber weder Plot-Parallelen, noch ist es eine Parodie. Markovics verzichtet in seinem Film auf die üblichen Krimielemente, spielt mit Märchenhaftem, mit Vorstellungskraft, Illusion und mit der Wirklichkeit; er verwischt Grenzen, fordert sein Publikum, ohne es zu belehren. Man versucht, sich als Zuschauer ein Bild zu machen. Meist vergeblich. In diesem Film ist diese Spur aufs Glatteis aber nie frustrierend, sondern stets intellektuell anregend.
„Das Schweigen der Esel“ ist ein Landkrimi. Aber auch nur, weil er auf dem Land spielt und weil es um Morde geht. Auf den zweiten Blick ist dieser Film ein im doppelten Sinne fantastisches Werk, weil es mit doppeltem Boden arbeitet, vor Ideen nur so sprudelt und einen mit einer Lust und einer Wucht in die Irre führt, dass es ein wahres Vergnügen ist. Hildegard Knefs „Illusio-nen“-Lied zieht sich neben der sich so harmonisch in den Film einfügenden Musik von Herbert Tucmandl durch den Krimi, geht einem danach lange nicht mehr aus dem Ohr und beschreibt wohl am treffendsten das, was der Autor und Regisseur mit diesem Film sagen will, wenn es heißt: „Illusionen, Illusionen, sind das Schönste auf der Welt, Illusionen, Illusionen, sie sind das, was uns am Leben hält, Illusionen, sich belohnen, ohne Zweck und ohne Sinn, nur nicht denken, sich verschenken, denn wer weiß, wer weiß, wo ich schon morgen bin.“ Dass es mit Horak und Freitag weiter geht, das lässt der Film erahnen, so viel darf schon einmal verraten werden, mehr aber auch nicht. Neben dem bärtigen Griesgram Horak, den Markovics mit so viel Raffinesse spielt, überzeugt Julia Koch als Sophie. Sie verwandelt sich nicht nur von der naiven Dorfpolizistin zur engagierten Ermittlerin und trotzt männlichen Rollenvorgaben, sondern offenbart auch „ihren Dämon in sich“.
Foto: ORF / Manuel Riesterer