Irritation am Tatort, einem abgewohnten Mehrfamilienhaus in Leipzig. „Das ist nicht unsere Leiche“, muss das Team vom K14 feststellen. Hannes Glöckl ist ein Fall für die Brand-Fahndung. Die Leiche, wegen der Maike Riem (Anja Kling) und ihre Kollegen Christoph Hofherr (Shenja Lacher), Pia Walther (Annika Blendl) und Linus Roth (Anton Spieker) gerufen wurden, liegt im Keller, in der Waschküche, brutal mit einem Hammer erschlagen. Die Tote Antje Engel, eine Frau der klaren Worte, hatte mit einigen Nachbarn Zoff, am häufigsten allerdings mit ihrem Partner: ein arbeitsloser, larmoyanter Versager – ist man sich im Haus über jenen Bernd Siebert (Martin Brambach) einig. Der wird bei der Vernehmung ausfallend, verweigert bald die Aussage und landet in Untersuchungshaft. Die anderen Hausbewohner wirken auf den ersten Blick harmlos: Da ist eine biedere Lehrerin (Johanna Gastdorf), da sind ein verschrobener Intellektueller (Henning Peker), ein umtriebiger Taxi-Fahrer (Robert Stadlober) und ein vergleichsweise cool wirkender Kellner (Bernd Michael Lade). Beim zweiten Blick tun sich dann jedoch immer mehr Ungereimtheiten auf, was die Beziehungen untereinander und besonders die Mordnacht angeht. Offenbar gibt es noch weitere Leichen im Keller. Und dann ist da ja noch der Hausbesitzer (Johann von Bülow), der Großes vorhat mit dem maroden Haus und deshalb seine Mieter so schnell wie möglich raushaben will. Der aber hat erst mal andere Probleme: Seine Teenietochter ist verschwunden.
Foto: ZDF / Oliver Vaccaro
Nach dem vielversprechenden Start der neuen ZDF-Samstagskrimi-Reihe „Das Quartett“ dank guter Stammbesetzung, Top-Gastschauspieler und einiger bemerkenswerter Essentials gerät die zweite Episode „Das Mörderhaus“ zu einer unerwarteten Enttäuschung. Das Besondere vom Auftakt ist verblasst: Die modernen Ermittlungstechnologien wirken allenfalls noch wie telegene Mätzchen, das freundliche Betriebsklima entpuppt sich als eine narrative Setzung, die auf Dauer eher von Langeweile gekrönt werden dürfte, und die dezenten psychisch-mentalen Dispositionen dieser Viererbande verkommen gelegentlich zur Pose. Und weil sich alle so lieb haben, kriegen dafür die Verdächtigen umso mehr ab. Besonders gewöhnungsbedürftig ist Pia Walther: Nicht, dass auch mal eine Kommissarin auf Schimanski machen sollte (bei Claudia Michelsens Doreen Brasch hat man das auch schon mal versucht), aber das Wie ihrer Wut und ihrer aggressiven Impulsivität entsteht nicht schlüssig aus dem Spiel heraus, sondern wirkt wie ein typisches Drehbuch-Konstrukt. Das ist auch ein Problem der speziellen Whodunit-Anlage dieses Krimis. Man kennt die Situation seit Jahrzehnten: die immergleichen Fragen, die Patzigkeit der Verdächtigen, die Ungeduld und die Nerven, die blank liegen, bei der Ermittlern. Das wäre alles kein Problem mit vielschichtigeren, mehrdeutigeren Dialog-Wechseln. Aber gerade die sind ein großes Manko des Films: Was hier an Redewendungen den Figuren über die Lippen gehen muss… – diesen Satz würde eine der Kommissarinnen wohl mit „geht auf keine Kuhhaut“ beenden. Kaum zu glauben, dass der renommierte Autor Friedrich Ani und Ina Jung, die sechs „München Mord“-Episoden, „Operation Zucker – Jagdgesellschaft“ und einen der besten Krimidrama-Thriller der letzten 20 Jahre, „Das unsichtbare Mädchen“, geschrieben haben, für solche Sätze & Dialoge verantwortlich sind.
Redewendungen voller abgedroschener Bilder
Bewohner: „Ich leg hier für jeden meine Hand ins Feuer.“ Walther: „Hoffentlich verbrennen Sie sich daran nicht.“
Walther: „Irgendwie hat sich in dem Haus ja keiner lieb. Die streiten sich ja wie die Kesselflicker.“ Ein Kollege bestätigt: „Haben wahrscheinlich alle gemeinsam eine Leiche im Keller.“ Und wenig später stimmt auch noch die Chefin ein: „Da wird gelogen, dass sich die Balken biegen.“
Walther: „Wenn Sie weiterhin so gerne schweigen, dann treten Sie doch in den Karthäuser-Orden ein.“
Hofherr (macht Druck): „Zwei Stockwerke über Ihnen erstickt Ihr guter Freund und Nachbar Hannes Glöckel, und Sie waren kurz vorher bei ihm.“ Walther: „Sie werden auch bald ersticken – und zwar an all dem, was Sie uns verschweigen.“
Und gegen Ende wird dann noch mal klargestellt: „Also irgendwie haben alle Dreck am Stecken in diesem Haus.“
Foto: ZDF / Oliver Vaccaro
So plausibel der Gedanke war, dem deutschen Krimi-Fan kein weiteres Kommissariat im Dauerclinch präsentieren zu wollen, sondern bei diesem „Quartett“ auf Gemeinschaft, auf Nähe und Verständnis zu setzen, so deutlich erkennbar sind bereits im zweiten Film die Defizite dieses Konzepts. Mit dem Verstecken der besonderen Merkmale von Riems Mitarbeitern, dem Abschleifen der autistischen Ecken bei Roth und den hypersensiblen Kanten bei Hofherr, fehlt nun jegliche gruppendynamische Spannung im Team. Es muss nicht gleich Faber (vom „Tatort“ Dortmund) sein; aber mit dieser Nettigkeit des gesunden Menschenverstandes – im Gegensatz zur fragilen Nettigkeit und aufgeklärten Achtsamkeit beispielsweise des Franken-„Tatort“-Teams mit Hinrichs & Manzel – verzichtet man freiwillig auf ein dramatisches Potenzial der vier fast gleichrangigen Charaktere. Jeder hat seine spezielle Aufgabe bei den Ermittlungen (und erfüllt seine dramaturgische Funktion), dennoch stehen sich die Vier gelegentlich im Weg. Und das ist wortwörtlich gemeint. So viele in Räumen Herumstehszenen wie in „Das Mörderhaus“, bei dem natürlich das szenische Indoor-Sujet dies noch unterstützt, gibt es gefühlt sonst nur in „Ein starkes Team“. Der zweite Film um Priem & Co macht ohnehin den Eindruck, als wolle das ZDF seinem Publikum diesem megaerfolgreichen Dauerbrenner, ein Musterbeispiel für deutsche Mittelmäßigkeit, nun mit „Das Quartett“ eine etwas frischere Variante dieser Krimi-Formel präsentieren.
Eines der Hauptmerkmale dieser Formel: Reden, Fragen stellen, Thesen zum Fall formulieren; und manches davon kann offensichtlich nicht häufig genug gesagt werden. „Was ist mit diesem Haus los? Warum fällt euch ein Mann aufs Dach?“, fragt die Chefin, um wenig später selbst die Antwort zu geben: „Ich glaube, das hängt alles irgendwie miteinander zusammen.“ Könnte schon sein. Auch was die mangelnde Qualität dieser Episode angeht. Diese Art von Whodunit sorgt selbstredend dafür, dass die verdächtigen Figuren nur Teilchen dieses Krimi-Puzzles sind. Denn damit das Ganze als Rätsel funktioniert, darf keiner zu viel von sich, seinem Wesen, seinen Lebensthemen und Emotionen, seiner Biographie verraten. Für die Kommissare gilt das nicht – und so bekommt Riem etwas Backstory, eingeflochten vor dem Finale, fünf Minuten, Biographie-Schublade auf, ein paar Emotionen, die Kehrseite der neuen Freiheit nach der Wiedervereinigung, ein warmer Blick – Biographie-Schublade wieder zu. Optimal ist auch das nicht. Und was man von der sächsischen Wutbürger-Variante des kleinen Mannes hält und davon, wie Martin Brambach sie spielt, das ist eine Geschmacksfrage. Der Gesamteindruck: ein Ermittlungseinerlei ohne filmischen Stil und ohne Gespür für einen zeitgemäßen Flow (was nicht am Hauptschauplatz „Mörderhaus“ liegt). Der 90-Minüter sieht zeitweise aus wie eine verlängerte Krimiserien-Folge – mit dem Unterschied, dass Dynamik und Tempo in einer Folge von „Die Chefin“ oder „Letzte Spur Berlin“ deutlich höher sind.
Foto: ZDF / Oliver Vaccaro