Aller Märchenhaftigkeit zum Trotz begeht der Zweiteiler „Das Mädchen mit dem indischen Smaragd“ nicht den Fehler, Indien zu verklären, im Gegenteil; das menschenverachtende Kastensystem ist ein entscheidender Bestandteil der Handlung, die letztlich sogar Züge eines Krimis trägt; die Darstellung der Slums hat nichts von Elendstourismus, auch diese Szenen sind unverzichtbar für das Geschehen. Zunächst aber scheint sich das Drehbuch von Natalie Scharf an den üblichen Mustern exotischer Romanzen zu orientieren: Lehrerin Annie Krüger (Stumph) erhält die Nachricht, dass ihr Vater in Indien verschwunden ist. Auf dem Flug in die Metropole Jaipur lernt sie einen adretten jungen Mann (Omar El-Saeidi) kennen, der sich später als Arun Singh, Sohn des früheren Maharadschas, entpuppt; fortan macht er Annie hartnäckig, aber charmant den Hof. Im Hotelzimmer ihres nach Angaben der Polizei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Vaters findet sie den letzten Willen ihrer kürzlich verstorbenen Mutter, die von einer „großen Sünde“ schreibt. Diverse Erlebnisse später muss Annie auf einem verfallenen Friedhof zutiefst schockiert erkennen, dass die Reise nach Indien ihr gesamtes Dasein auf den Kopf stellt: Annie Krüger ist vor über dreißig Jahren gestorben.
„Das Mädchen mit dem indischen Smaragd“ hat alles zu bieten, was man sich von einem romantischen Abenteuerfilm erhofft. Regisseur Michael Karen und sein Team haben in Jaipur wunderbare farbenfrohe Schauplätze gefunden, die Alexander Fischerkoesen zudem grandios fotografiert hat; allein das kunstvolle Licht ist ein Genuss. Ähnlich großartig ist die Musik von Siggi Müller, die perfekt zu den verschiedenen Stimmungen des Films passt und gerade in den dramatischen Momenten sehr präsent, aber nie übertrieben ist. Auch die Führung der Schauspieler ist ausgezeichnet. Omar El-Saeidi („Zimtstern und Halbmond“), ein gebürtiger Gießener, ist auch hier als „Love Interest“ sehenswert, zumal die Figur durchaus ihre Schattenseiten hat. Ungleich abgründiger ist die Rolle der undurchsichtigen Maharani angelegt, was Suzanne von Borsody weidlich nutzt, um der Figur der Märchenmutter die nötige Präsenz zu verleihen. Die einheimischen Darsteller sind gleichfalls gut ausgewählt.
Foto: ZDF / Fischerkoesen
Die Überraschung des Films aber ist Stephanie Stumph; zumindest für all jene, die ihre Karriere bislang vor allem auf den Ruhm ihres Vaters Wolfgang reduziert sahen. Dank einer Rolle, von der die meisten Schauspielerinnen nicht mal zu träumen wagen, hat sie hier endlich Gelegenheit zu zeigen, was sie kann. Sie macht das mit Bravour, zumal sie als Annie Krüger neben mehreren Verfolgungsjagden auch viele emotionale Momente zu bewältigen hat. Dass „Das Mädchen mit dem indischen Smaragd“ trotz einer Länge von 180 Minuten keinen Durchhänger hat, liegt vor allem am komplexen Buch, an der gelungenen Mischung aus spannenden und spirituellen Szenen, an der Inszenierung sowie an dem Augenschmaus, den der Film zu bieten hat; aber eben auch an der Hauptdarstellerin, die in fast jeder Szene zu sehen ist und das Werk mühelos trägt. Trotzdem ist der Star die Story. Selbst wenn man irgendwann ahnt, worauf die Auflösung der kriminalistischen Ebene hinauslaufen könnte, und man daher anders als Annie nicht aus allen Wolken fällt: Die Handlung sorgt immer wieder für Überraschungen; Annies wahre Identität ist nur eine davon. (Text-Stand: 22.10.2013)