Während eines Zwischenstopps auf dem Weg nach Chile hört Maria auf dem Flughafen von Buenos Aires ein Lied, das ihr seltsam bekannt vorkommt. Eine Mutter singt es ihrem Baby vor. Die deutsche Schwimmerin kann es mitsingen, obwohl sie kein Spanisch kann. Ein unheimlicher Schmerz steigt in ihr auf. Sie verpasst ihren Flieger, verliert ihre Papiere und hängt in Buenos Aires fest. Maria ist verstört, eine Puppe, diese Stadt, die Menschen, das Licht, alles scheint ihr eine Geschichte zu erzählen. Nach einem Telefonat mit ihrem Vater steht der einen Tag später in der Lobby ihres Hotels. Ausflüchte wegen seines Kommens. Dann die Wahrheit: Maria hat die ersten drei Jahre in Buenos Aires gelebt – und er und seine Frau sind nicht ihre leiblichen Eltern. Nachdem diese 1980 während der Militärdiktatur verschleppt und ermordet wurden, kümmerten sie sich um das Mädchen, adoptierten es und nahmen es mit nach Deutschland. Nachdem Maria diesen Schock einigermaßen verdaut hat, möchte sie mehr erfahren – über ihre Eltern, ihre argentinischen Wurzeln. Sie hat Glück. Sie stößt auf die Schwester ihrer Mutter und deren Familie. Sie wird überaus herzlich aufgenommen. Tränen fließen. Und sie hört Dinge, die sie vielleicht besser nicht gehört hätte.
„Regisseur Cossen und sein Kameramann Matthias Fleischer sind so klug, das Aufschlagen Marias in der südamerikanischen Metropole nicht als sentimentales Coming-Home-Erlebnis auszukleiden. Buenos Aires ist bei ihnen ein flirrender, gefühlsgesättigter und grandios unterkühlt gefilmter Moloch, der der Filmheldin gar nichts anderes übrig lässt, als sich selbst zu finden, wenn sie darin nicht untergehen will.“ (Christian Buß, Spiegel online)
„Das Lied in mir“ ist ein Selbstfindungsdrama in der Fremde. Der Moloch Buenos Aires übernimmt gemeinsam mit Jessica Schwarz die Hauptrolle in diesem bemerkenswerten Debüt von Florian Cossen. Der Film zeigt 90 Minuten lang – parallel zur Geschichte einer Tochter-Vater-Entfremdung – den Versuch, die eigene Identität hinter Lügen, Halbwahrheiten und 30 erinnerten Jahren zu begreifen. Die tiefe Tragik gewinnt der Film aus seinen Bildern (Kameramann Matthias Fleischer bekam den Bayerischen Filmpreis). Das ist doppelt konsequent. Schließlich fällt verbale Kommunikation mit der „neuen“ Familie schwer. Ein junger Polizist muss gelegentlich den Übersetzer geben. Es geht für die Tochter aber auch nicht um Vernunft. Der deutsche Vater hat anfangs schließlich „gute“ Argumente für sein „unmoralisches“ Verhalten. Es geht um das, was Maria nach und nach über ihr bisheriges Leben erfährt und welche Gefühle sich in ihr ausbreiten. Sie ist noch nicht bereit, darüber zu reden, schon gar nicht mit einem wie gelähmt wirkenden Vater, dem nur Rationalisierungen einfallen. Die Heldin hat einen Verlust erlitten. Welche Konsequenzen sie daraus zieht, bleibt offen, muss offen bleiben, da sie noch nicht so weit ist.
„Das Lied in mir“ ist ein Film der leisen, sensiblen Annäherung an die Zerrissenheit dieser Figur. Die argentinische Politik spielt keine Rolle. Der Film besitzt wenig herkömmliche Psychologie – und doch wirken die Figuren stimmig in Verbindung mit Florian Cossens stark visueller Ausrichtung. Den Sinn muss man sich ersehen und erhören (Matthias Klein bekam den Deutschen Filmpreis für die beste Filmmusik). Man muss nur Jessica Schwarz in den Moloch Buenos Aires folgen …