Das letzte U-Boot

Mühe, Zapatka, Tukur, Habich, Beyer. Kein Vergleich mit dem ARD-Meisterwerk

Foto: ZDF / ORF / ABC
Foto Tilmann P. Gangloff

Nicht nur aus heutiger Sicht muss sich das Weltkriegsdrama „Das letzte U-Boot“ aus dem Jahr 1993 am zwölf Jahre älteren Klassiker „Das Boot“ messen lassen. Diesen Vergleich dürfte der Film schon bei seiner TV-Premiere verloren haben: Frank Beyer gelingt es nicht, die klaustrophobische Stimmung an Bord einzufangen. Schade um das darstellerische Potenzial des hochkarätig besetzten Films, der auf einer wahren Begebenheit basiert.

Als das ZDF diesen Film 1993 ausgestrahlt hat, lag der weltweite Kinoerfolg von Wolfgang Petersens Kriegsdrama „Das Boot“ (WDR / Bavaria) bereits zwölf Jahre zurück. Frank Beyers zum Verwechseln ähnlicher ZDF-Fernsehfilm „Das letzte U-Boot“ legt jedoch die Vermutung nahe, erzählerisch und filmtechnisch habe sich in dieser Zeit kaum etwas getan. Ganz im Gegenteil. Auch dramaturgisch ist das als internationale Koproduktion entstandene und auf historischen Tatsachen beruhende U-Boot-Drama erheblich schwächer. Spannend wird es erst in der zweiten Hälfte, als es zur ersten „Feindberührung“ kommt. Drehbuchautor Knut Boeser („Rosa Roth“) hätte also genug Zeit gehabt, die handelnden Personen einzuführen, denn außer ihnen hat das Kammerspiel zunächst nicht viel zu bieten. Trotzdem bleiben sie fast ausnahmslos in Klischees stecken, weil man selbst über die Hauptfiguren kaum mehr als den Rang und ihre jeweilige Haltung zum Nationalsozialismus erfährt.

Auch die authentische Rahmenhandlung ist fast verschenkt. Dabei bietet sie großartigen Stoff für einen differenziert erzählten Kriegsfilm: Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs bricht ein deutsches U-Boot von Norwegen aus zu einer heiklen Mission auf. An Bord befinden sich neben zwei japanischen Militärwissenschaftlern Baupläne für die Konstruktion einer Rakete sowie Uranoxid. Würde es dem Boot gelingen, sich bis nach Japan durchzuschlagen, wären die deutschen Verbündeten im Besitz der Atombombe. Im Verlauf der Reise erfährt Kapitän-Leutnant Gerber (Mühe) erst vom Tod des „Führers“, dann von der deutschen Kapitulation, aber für Japan geht der Krieg weiter. Die Befehle überlassen dem Kommandanten die Entscheidung: umkehren oder weiterfahren. Mittlerweile ist jedoch der britische Zerstörer „Liverpool“ auf das U-Boot aufmerksam geworden, und nun beginnt eine Art Wasserschach zwischen den beiden Kapitänen. Beyer gelingt es jedoch nicht, die klaustrophobische Enge und die Todesangst vor einem Treffer durch die Wasserbomben auch nur annähernd so intensiv einzufangen wie weiland Petersen. Trotz einer List muss das Boot schließlich auftauchen, und endlich wird es dramatisch: An Bord ist ein Marinerichter (Manfred Zapatka), für den eine Kapitulation auch nach Kriegsende überhaupt nicht infrage kommt. Also schlägt er Gerber nieder und zwingt dessen Stellvertreter (Ulrich Tukur), Torpedos auf das britische Schiff zu feuern, obwohl das U-Boot längst die weiße Flagge gehisst hat. In Sicherheit sind die Deutschen dennoch nicht: Nun macht ein amerikanischer Zerstörer Jagd auf das U-Boot.

Das letzte U-BootFoto: ZDF / ORF / ABC
Das Weltkriegsdrama „Das letzte U-Boot“ aus dem Jahr 1993 hält keine Minute einem Vergleich mit dem zwölf Jahre älteren Klassiker „Das Boot“ von Wolfgang Petersen stand. Trotz Ulrich Tukur (Foto), Ulrich Mühe oder Matthias Habich.

Vermutlich stand Beyer ein ungleich niedrigeres Budget zur Verfügung als Petersen, aber das ist dem Film auch deutlich anzumerken. Dass der Einschlag der Torpedos nur als Rauchsäule aus der Fernglasperspektive gezeigt wird, lässt sich verschmerzen. Aber die Überwasserbilder des U-Bootes sowie die Wasserbombenabwürfe durch die Briten sehen aus, als seien immer wieder die gleichen Bilder verwendet worden. Dennoch müsste allein die Qualität der drei Hauptdarsteller genügen, um aus dem Stoff ein sehenswertes Kammerspiel zu machen. Doch selbst Männer wie Mühe, Tukur und Zapatka, auch vor zwanzig Jahren schon großartige Schauspieler, waren wohl nicht in der Lage, die entsprechenden Leerstellen zu füllen, weil ihnen das Drehbuch offenbar kein Material geliefert hat: Der Kapitän ist ein sanfter Kommandant und entspricht ansonsten dem Wehrmachtklischee vom aufrechten Offizier, der längst nichts mehr von Nationalsozialismus hält, aber trotzdem seine Pflicht als Soldat erfüllt. Sein Gegenentwurf ist der Marinerichter, der den „Kaleu“ und seinen Vertreter als Verräter und Deserteure beschimpft, als sie sich den Briten ergeben wollen. Vierter im Bunde ist Matthias Habich als General, der nur deshalb mit an Bord ist, damit auch die Verschwörer gegen Adolf Hitler vertreten sind. Weitere Rollen sind mit Udo Samel (als Schiffsarzt) und Sylvester Groth (Funker) gleichfalls prominent besetzt, bleiben aber konturenlose Stichwortgeber. Immerhin akzeptiert der Arzt den Freitod der japanischen Offiziere und verzichtet darauf, gegen ihren Willen ihr Leben zu retten.

Briten, Amerikaner und Japaner sind übrigens nicht synchronisiert worden, was gerade bei den Dialogen des amerikanischen Kriegsschiffkommandanten zu einigen bizarren Untertiteln führt. Aus „noisy surprise“ wird „kracht’s unterm Arsch“, aus „Tell the kraut“ wird „Sagen Sie das der Ratte“. Als der Kommandant nach der Zerstörung der „Liverpool“ Kurs auf das deutsche U-Boot nimmt, um es zu versenken, sagt er zu seinem Adjutanten: „We’ve got work to do, buddy“. Im Untertitel steht allerdings „Wir werden den Krauts die Glatzen polieren“. Weiß der Teufel, was sich der Übersetzer dabei gedacht hat. (Text-Stand: 13.8.2015)

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Fernsehfilm

ORF, ZDF

Mit Ulrich Mühe, Manfred Zapatka, Ulrich Tukur, Matthias Habich, Udo Samel, Sylvester Groth, Johannes Herrschmann, Pierre Besson, Kaoru Kobayashi, Goro Ohashi, Lloyd Johnston, Barry Bostwick

Kamera: Witold Sobociński

Schnitt: Rita Hiller

Musik: Oskar Sala

Produktionsfirma: Manfred Durniok Produktion für Film und Fernsehen

Drehbuch: Knut Boeser

Regie: Frank Beyer

EA: 01.01.1993 00:00 Uhr | ZDF

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