Das Kindermädchen – Mission Kanada

Saskia Vester, Jens Atzorn, Luise Wolfram, Sascha Bigler. „Der Faust im Nacken“

Foto: Degeto / Jack Adamson
Foto Tilmann P. Gangloff

Die Geschichten ähneln sich, nur die Schauplätze wechseln: Ihr dritter Auftrag führt die selbsternannte Premium-Nanny Henni Höffner nach Kanada. Dort sieht es genauso aus, wie sie und mit ihr die deutschen TV-Zuschauer sich das Land vorgestellt haben: Wälder, so weit das Auge reicht. Auch sonst ist diese Episode aus der Degeto-Reihe „Das Kindermädchen“ (FFP New Media) eher arm an Überraschungen: Auf Vancouver Island muss sich die frühere Kioskbesitzerin um ein wohlstandsverwahrlostes Mädchen kümmern, dessen Verhaltens-Auffälligkeiten selbstredend nichts anderes als Hilferufe sind. Am ungewöhnlichsten ist der Name des Regisseurs: Hörbiger-Sohn Sascha Bigler stand bislang für Topqualität. Mit „Mission Kanada“ zeigt er, dass er auch Auftragsarbeiten zur mutmaßlichen Zufriedenheiten der Geldgeber erledigen kann. Und die Leistungen der Schauspieler sind sehenswert.

Wer immer auch die ursprüngliche Idee hatte, darf sich heute noch beglückwünschen, denn mit dem Auftakt „Mission Mauritius“ (2017) ist die Basis für eine Reihe geschaffen worden, die die ARD-Tochter Degeto noch viele Jahre fortsetzen kann: Henriette Höffner (Saskia Vester), pleitegegangene Kioskbesitzerin, hat sich zur „Premium-Nanny“ hochgestapelt und reist nun durch die Welt, um den Nachwuchs reicher Leute zu beaufsichtigen. Die Kinder sind zwar nicht immer ganz pflegeleicht, aber selbstredend liegt das eigentliche Problem stets bei den Eltern. Das gilt auch für Hennis Schützling im dritten Film, „Mission Kanada“: Die 13jährige Bristol Hunter (Trixi Janson) ist ein wohlstandsverwahrlostes Scheidungskind, das in der Schule weit hinter seinen Möglichkeiten bleibt. Vater Christopher (Jens Atzorn), Erbe einer Holzdynastie, der halb Vancouver Island zu gehören scheint, hat nicht viel Zeit für seine Tochter, doch das eigentliche Problem ist Pia (Luise Wolfram): Bristol empfindet Christophers schwangere Verlobte als Konkurrentin um die Gunst des Vaters. Henni, eigentlich engagiert, um dem Mädchen durch die anstehende „Faust“-Nachprüfung in Deutsch zu helfen, wozu ihr allerdings nicht mehr als der Kalauer „Der Faust im Nacken“ einfällt, muss sich wieder mal als Familientherapeutin betätigen. Für Pia wird sie gar zu einer Art Ersatzmutter; dabei hat sie zur eigenen Tochter (Brigitte Zeh) ein mehr als angespanntes Verhältnis.

Soundtrack:
Rod Stewart („Sailing“), Billie Eilish („Bad Guy“), Mike Dought („Take Me Home, Country Roads”), Robert Forster („Let Your Light In, Babe”), Robin Schulz feat. Francesco Yates („Sugar”), Old Crow Medicine Show („We’re All In This Together”)

Das Kindermädchen – Mission KanadaFoto: Degeto / Jack Adamson
Streit ums Sorgerecht in „Mission Kanada“. Christopher (Jens Atzorn) & seine Exfrau Greta (Holly Elissa). Ein Fall für die Nanny

Auf Martin Rauhaus (Buch) und Peter Gersina (Regie) zum Auftakt sowie Robert Krause und Udo Witte („Mission Südafrika“, 2018) folgen nun Claudia Kratochvil und Sascha Bigler. Für die mehrfache „Katie Fforde“-Autorin ist ein derartiger Stoff nicht ungewöhnlich, für den Regisseur dagegen schon: Der Sohn von Christiane Hörbiger hat sich nach seinem Debüt „Meine Schwester“ (2013) dank der beiden sehenswerten „Kommissar Pascha“-Episoden (ARD-Degeto) und der „München Mord“-Folge „Die ganze Stadt ein Depp“ (ZDF) als Spezialist für humorvolle Krimis mit viel Lokalkolorit empfohlen. „Mission Kanada“ ist allerdings nicht seine Freitagsfilm-Premiere im „Ersten“ (die ausnahmsweise wegen des Jahreswechsels auf einen Montag fällt); 2019 hat die ARD seine Komödie „Der beste Papa der Welt“ mit Oliver Mommsen gezeigt, einen Film ohne Finesse, aber immerhin sehr kurzweilig. Das gilt auch für „Mission Kanada“, weil Kratochvil eine Vorlage aus „Mission Mauritius“ aufnimmt: In den beiden anderen Episoden war Hennis Sachbearbeiter bei der Agentur für Arbeit, Herr Loibinger (Jürgen Tonkel), bloß eine Nebenfigur, die der Heldin das Leben schwer machte, weil sie ihren Nebenerwerb natürlich nicht angemeldet hat. Nun offenbart sich, dass sich Redaktion und Produktion offenbar etwas dabei gedacht haben, als sie Henni bei ihrem Trip nach Südafrika die eigentlich naheliegende Romanze verweigert haben: Witwer Loibinger hält seine Klientin zwar für chaotisch, renitent und unbelehrbar, aber gerade das schätzt er wohl auch, weshalb er ihr kurzerhand nachreist, damit sie einen Existenzgründer-Antrag ausfüllt. Das tut er zwar auch im eigenen Interesse, weil seiner Chefin nicht entgangen ist, dass ihr Mitarbeiter ein Herz für hoffnungslose Fälle hat, aber die Szenen mit Saskia Vester und Jürgen Tonkel sind pure romantische Komödie und gehören zu den schönsten des Films.

Die weiteren schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls durchaus ansprechend, selbst wenn beispielsweise Gaby Dohm eine Figur wie die unsympathische Schwiegermutter, die überzeugt ist, Pia habe es nur auf Christophers Geld abgesehen, schon dutzendfach gespielt hat. Sehr gut geführt ist auch die junge Trixi Janson. Sie hat zwar schon einige Kamera-Erfahrung, spielt aber eine Schlüsselrolle, zumal sich herausstellt, dass Bristol deutlich mehr auf dem Kerbholz hat, als ihr Vater ahnt. Ansonsten hat Bigler jedoch weder dem Stoff noch dem Schauplatz überraschende Seiten abgewinnen (dürfen). Der Film wirkt daher wie eine Auftragsarbeit, die vermutlich zur vollen Zufriedenheit der Geldgeber ausgefallen sein dürfte: Kanada sieht genauso aus, wie Henni und damit mutmaßlich auch die Zielgruppe sich das Land vorgestellt haben; dafür sorgen unter anderem diverse Kameraflüge über die scheinbar endlosen Wälder. Immerhin bietet das Drehbuch eine plausible Erklärung dafür, dass die Hauptfiguren alle die gleiche Sprache sprechen: Christophers Urgroßvater war ein Einwanderer aus Deutschland. Natürlich ist es nicht sonderlich realistisch, dass seine Nachkommen allesamt makellos Deutsch können und Bristol auch die typischen Redensarten hiesiger Teenager benützt, aber über solche Details nörgeln erfahrungsgemäß bloß Kritiker. Viel unglaubwürdiger klingt ohnehin Christophers Ex-Frau Greta, die Bristols Vater mit einem Sorgerechtsstreit droht: Die Kanadierin Holly Elissa ist im typischen TV-Stil synchronisiert worden, also „mit Kartoffel im Mund“, wie man früher sagte, wenn Amerikaner im Film deutsch sprachen. Zu dieser altbackenen Redensart passt das Friede-Freude-Eierkuchen-Ende, als sich alle lieb haben und sogar die dünkelhafte Schwiegermutter ein Herz offenbart.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Saskia Vester, Jens Atzorn, Trixi Janson, Luise Wolfram, Gaby Dohm, Jürgen Tonkel, Holly Elissa, Nick Julius Schuck, Brigitte Zeh

Kamera: Ralf K. Dobrick

Szenenbild: Sarah Monteith

Kostüm: Sylvia Risa

Schnitt: Manuela Kempf

Musik: Luis-Max Anders

Redaktion: Birgit Titze

Produktionsfirma: FFP New Media

Produktion: Vanessa Lackschéwitz, Michael Smeaton

Drehbuch: Claudia Kratochvil

Regie: Sascha Bigler

Quote: 4,49 Mio. Zuschauer (13,2% MA); 2,72 Mio. (10% MA)

EA: 04.01.2021 20:15 Uhr | ARD

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