Eine Szene wie aus vergessenen Zeiten. Eine Gruppe erwachsener Menschen sitzt um einen Tisch versammelt – und bastelt. Nicht etwa Kunsthandwerkliches für den gemeinnützigen Basar des Gemeinschaftszentrums oder dergleichen. Hier werden Flaschen zerschlagen und die Scherben in härtendes Material gesteckt. Später sollen sie die Außenmauer krönen und das Institut für deutsche Sprache und Kultur vor Übergriffen schützen. Denn damit muss man im zentralasiatischen Kisbekistan, einem Tummelplatz von Warlords, Banditen und Salafisten, immer rechnen. Man findet es auf keinem Atlas und auch nicht bei Google Earth. Aber irgendwie ist es zwischen Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan gerutscht, offenbar von den Geografen Jahrhunderte lang übersehen worden … Nicht aber von der deutschen Außenpolitik, die hier eine Exklave germanischer Kultur eingerichtet und dann mehr oder weniger sich selbst überlassen hat. Fünf Deutsche und ein Einheimischer sind beauftragt, den Kisbeken die deutsche Sprache und Kultur nahezubringen. Auf verlorenem Posten, mit dem geringstmöglichen Etat, unter schwierigen, gar bedrohlichen Bedingungen, in einem heruntergekommenen Gebäude, das einst der untergegangenen DDR als Botschaft diente.
Foto: BR / Alva Nowak
Inspirationsquelle dürfte der BBC-Dreiteiler „Ambassadors“ gewesen sein
„Idee und Buch: Robert Löhr“ steht im Abspann, und so ist es wohl eine dieser hierzulande häufiger auftretenden wundersamen Zufälle, dass die von BR, NDR, WDR, PULS und ARD-alpha in Auftrag gegebene achtteilige Serie „Das Institut – Oase des Scheiterns“ gewisse Übereinstimmungen mit dem 2013 von der BBC ausgestrahlten Dreiteiler „Ambassadors“ aufweist. Dessen Handlung führt ins gleichfalls fiktive und in derselben Weltgegend angesiedelte Tazbekistan. Der dort tätige britische Botschafter ist kein Narr, aber oftmals überfordert. Wer wäre das nicht, wenn Entscheidungen zu treffen sind wie die, ob er sich für einen milliardenschweren Rüstungsauftrag oder für die Freiheit eines von der Todesstrafe bedrohten politischen Gefangenen einsetzen soll? „Ambassadors“ sprach im satirischen Gewand gewichtige innen- und weltpolitische Themen an. In Großbritannien eine Form mit langer Tradition, darunter Serien wie „Yes, Minister“, „Yes, Prime Minister“ und „The Thick of It“, dem Vorbild der ZDFneo-Produktion „Eichwald, MdB“. Die Bücher von „Ambassadors“ waren nicht auf die schnelle Pointe in hoher Taktung gearbeitet; die Autoren Rupert Walters und James Wood ließen stets Raum für nachfühlbare menschliche Dramatik. Nicht nur die Protagonisten von „Das Institut – Oase des Scheiterns“, auch die Produzenten mussten erkennbar mit deutlich weniger Geld auskommen als ihre britischen Pendants. Die Nachsicht des Betrachters ist also gefragt, wenn die Establishing Shots nicht mit dem Drehort übereinstimmen und das Geschehen auf wenige Räume reduziert bleibt. Vermeidbar hingegen wäre gewesen, dass mehrfach im Dialog das Fehlen von Sitz-WCs beklagt wird, ein solches aber in Episode 5 unübersehbar im Bild erscheint.
Der selbstauferlegte Zwang zur Pointe tut dem Witz nicht immer gut
Das deutsche Personal ist der Karikatur deutlich näher als die, nebenbei wunderbar gespielten, britischen Diplomaten. Die Institutsleiterin Dr. Anneliese Eckart (Christina Große) erweist sich als Ausbund an Ignoranz. Ihr ständig schwitzender Stellvertreter Johannes Gmeiner (Rainer Reiners) zeigt sich leidlich kompetent, aber resignativ, blüht allerdings auf, wenn er mit der Bibliothekarin Margarete Hoffmann (Swetlana Schönfeld) streiten kann, die die Buchregale mit DDR-Literatur aufgefüllt hat, einst bei der Stasi war und der alten Ideologie immer noch anhängt. In ihrem Besitz befindet sich ein ominöser Notfallkoffer, der unter anderem eine Handvoll Semtex enthält. Diese Frau hat vor nichts Angst, auch nicht vor schießwütigen Bergvölkern. Nadja Bobyleva als Deutschlehrerin Jördis Otto gibt die kulleräugige, naive Idealistin, Robert Stadlober den mit seiner sexuellen Ausrichtung hadernden Kulturschaffenden, ein verhindertes Theatergenie. Der Einheimische Haschim Abdali (Omar El-Saeidi) arbeitet aus Überzeugung und aus Zuneigung zu Otto für das Institut und ist fortwährend, aber vergeblich bemüht, bei den Deutschen Interesse und Verständnis für die kisbekische Lebensart und die besonderen Probleme des Bürgerkriegslandes zu wecken. Bissig geht es auch hier zu, wobei ein selbstauferlegter Zwang zur Pointe spürbar wird, mit der Folge, dass manch ein Gag, sei er auch gelungen, aufgezwungen erscheint. Als bewaffnete Freischärler das Institut stürmen, meldet Gmeiner: „Wir haben unerwünschten Besuch.“ ‒ „Steinmeier?“ ‒ „Nein, so unerwünscht auch nicht.“ Wenn die Deutschlehrerin Jördis Otto ihre Klasse mit einer kleinen Ansprache verabschiedet, kommt sie zu dem Schluss: „Die deutsche Sprache ist wie Kisbekistan ‒ trocken und widersprüchlich und voller unentdeckter Minen.“ Von zierlicher Qualität ist auch Eckarts Unterscheidung von Diplomaten & Kulturattachés: „Die Diplomaten machen es wegen dem Geld. Und wir wegen des Geldes.“
Foto: BR / Alva Nowak
Der politische Witz tendiert hier, anders als bei „Ambassadors“, eher in Richtung Kabarett, strukturell gleicht die Serie in weiten Teilen einer Sketchshow, Slapstick inklusive. Wenn der Tag der deutschen Einheit gefeiert werden soll – wie ähnlich in „Ambassadors“ das Festival „Best of British – werden versehentlich die hochkant statt quer gestreiften schwarzrot-goldenen belgischen Flaggen aufgestellt. Und die Hüpfburg lässt sich nur in Teilen aufblasen, weil im Vorjahr eine Messerstecherei nicht ohne Folgen geblieben ist. Die Konflikte, aus denen sich die Episodenhandlungen ergeben, sind ohne sonderliche Brisanz, oft auch schlicht eine Blödelei. Da legt Anneliese Eckart Wert darauf, dem örtlichen Krankenhaus mehr Blut zu spenden als die benachbarten Niederländer. Oder ein Stammesführer verlangt eine geköpfte Ziege als Gegenleistung dafür, dass das Institut die Schule seines Gebietes mit Lehrmaterialien versorgen darf. Zum Vergleich: In „Ambassadors“ drehten sich die Intrigen zwischen Briten, Franzosen, US-Amerikaner um Waffenlieferungen und Ölkonzessionen. In der Schilderung der brutalen Unterdrückung der tazbekischen Opposition wurden die Autoren deutlich. Und nahmen vorweg, was derzeit in der Türkei, wo die Serie damals hergestellt wurde, unter dem Erdogan-Regime geschieht. Auch Robert Löhr beherrscht den tiefschwarzen Humor, wie man ihn traditionell gern den Briten zuschreibt. Da gerät in Folge 7 der empfindsame Titus vermeintlich auf eine Landmine. Und die herbeigerufenen deutschen Soldaten sind wenig willens und am Ende auch gar nicht fähig, ihn aus dieser misslichen Lage zu befreien.
Die Komik darf auch mal Grenzen überschreiten, und die Dialoge sind pfiffig
Die Grenzen des guten Geschmacks werden häufig gestreift, je nach persönlicher Auffassung vielleicht auch überschritten. So gilt im Institut die Zahl der Bombendrohungen als Ausweis für den Erfolg einer Veranstaltung. Und es erscheint inhaltlich sehr bemüht und nur bedingt witzig, wenn dem Institut ausgerechnet der ausgediente Wagen einer Schlachterei zur Verfügung gestellt wird und außen ein fettes Schweinchen Dick prangt – in einem Land, in dem das Schwein als unrein gilt. Prompt wird Johann Gmeiner von muslimischen Passsanten gezwungen, das Auto mit christlichen Kreuzen, Hakenkreuzen, Judensternen vollzuschmieren.
In der Programmsparte der Situationskomödie hebt sich „Das Institut – Oase des Scheiterns“ thematisch wohltuend ab von den sonst dort bevorzugten Milieus und Themen. Die Dialoge sind pfiffig, positiv auch, dass zumindest im Ansatz konsekutive Erzählstränge erkennbar sind wie die Beziehungen der in jeder Hinsicht gänzlich unterschiedlichen Paare Gmeiner/Hoffmann und Otto/Abdali. Vollends gelungen aber ist die Serie nicht. Dafür fehlt es ihr an politischer Relevanz und an einer intervenierenden Haltung, die aus einer unterhaltsamen Comedy eine triftige Satire machen würden. (Text-Stand: 3.12.2017)