Thomas und Marie sind verheiratet, haben zwei kleine Kinder und leben in einem Hamburger Vorstadtbungalow. Beide sind Musiker. Marie hat nach der Geburt der Kinder ihre Instrumente an den Nagel gehängt. Thomas verdient gut, sein Klassik-Pop verkauft sich bestens. Als er eines Morgens seine Geige nicht dabei hat und ihm seine treu sorgende Gattin nachradelt, macht sie eine schockierende Entdeckung: Thomas führt ein fast identisches Parallelleben – mit einer ihr ähnlichen Frau, einer ehemaligen Freundin Maries, und mit einem Kind in einem ähnlich hässlichschönen Bungalow. Sie überrascht ihren Mann in derselben Esstisch-Familien-Spielsituation, die sich wenige Stunden zuvor in ihrem Haus abgespielt hat. Sie nimmt Reißaus, fährt mit dem Bus durch die Gegend und taumelt haltlos durch die Stadt. Am Abend taucht sie dort auf, wo Thomas ein Konzert gibt, um ihm die Geige zu bringen: in einem schlossähnlichen Anwesen, in dem es gespenstisch wild und orgiastisch zugeht.
Ein modernes Heimchen ohne Herd, das es nicht verwinden kann, dass ihr Männchen sein Sperma nur so verschleudert, ist die tragische Heldin in „Das Herz ist ein dunkler Wald“, der zweiten Regiearbeit der Schauspielerin Nicolette Krebitz. Marie kann und will es nicht hinnehmen, dass es ihr Ehemann so oft wie möglich mit anderen treibt. „Du Penis!“, giftet sie ihn an. „Das ist dieses Beckending!“, flucht der untreue Gatte zurück. Diese Frau bleibt untröstlich und erinnert sich an Medea. „Ein Film, der den Männern die Schamesröte ins Gesicht treiben soll“, schrieb der „Spiegel“ zur Kinopremiere des bemerkenswerten Films. Auch wenn die Charaktere Tragödien-like wenig psychologische Vertiefung erfahren (der realistische Ehedrama-Touch ist ohnehin bald verflogen), überzeugt diese 1,8 Millionen Euro teure Kino-Koproduktion durchaus als groteskes Spiel mit geschlechtsspezifischen Stereotypen, mit Märchen-Motiven und Kino-Zitaten. Da wähnt man sich mitunter in Fellinis bizarren Freak-Shows, in Antonionis bourgeoisen Stillleben – und der dekadente Maskenball erinnert sicher nicht ganz zufällig an Kubricks „Eyes Wide Shut“. Ein Großteil der Faszination für diese radikale Beziehungstragödie, in der die Heldin am Ende schauerromantisch im Wald steht, kommt aus den Bildern von Bella Halben und aus dem Spiel der präsenten Schauspieler. Nina Hoss verkörpert einmal mehr die von Sinnentleerung Heimgesuchte – und so geht sie ihren letzten Gang, nackt und entschlossen, um Rache zu nehmen an ihrem untreuen Ehemann.