Der Tod ihrer ersten, großen Liebe spült bei der Mittdreißigerin Susanne Jacob Verdrängtes an die Oberfläche. Die sonst so souveräne Familienrichterin steht plötzlich völlig neben sich. Vor 17 Jahren war sie von einem italienischen Austauschschüler schwanger und gab das Kind zur Adoption frei. Die Juristin übertritt das Gesetz – und nähert sich ihrer Tochter, ohne sich erkennen zu geben. Auch die postpubertär trotzige Lilli, die nicht weiß, dass sie adoptiert wurde und sich mit ihrer Mutter nicht besonders gut versteht, sucht intuitiv die Nähe zu der fremden Frau. Doch Angst liegt über den Beziehungen: Susanne Jacob weiß nicht, wie ihr Mann auf ihr „Geheimnis“ reagieren wird, und die Adoptivmutter, eine patente, aber wenig selbstbewusste Frau malt sich nur das Schlimmste aus. Dann passiert das Unvermeidliche – und Lilli will nur noch weg: in das Haus ihres leiblichen Vaters, das er ihr vererbt hat.
Foto: Degeto
„Das Haus ihres Vaters“ transportiert einen realen Konflikt ins Emotionale. Die Autoren verzichten, den „Fall“ diskursiv und juristisch aufzudröseln und beispielsweise die Veränderungen im Adoptionsrecht aufzuzeigen. Konsequent lassen Martin Kluger und Maureen Herzfeld die Gefühle, die Irritationen, die Ängste ihrer Figuren den Handlungsverlauf bestimmen. Die Botschaft des Films: „Manchmal muss eine Wunde noch mal aufgehen, um richtig zu verheilen.“ Dieser Satz des Ehemanns klingt nach Klischee, hat aber einen wahren Kern. Auch ein Plädoyer für Offenheit und Transparenz im Umgang miteinander kann man sich gefallen lassen. Zynische und desillusionierend realistische Überlebensstrategien finden sich in Fernsehfilmen reichlich, noch mehr freilich kitschiger Eskapismus. „Das Haus des Vaters“ aber hat mit einer Herz-Schmerz-Produktion nichts gemein. Der Film entwickelt allerdings andere Lösungsstrategien als ein Drama, weil er in einem anderen Genre erzählt.
Der Film von Matthias Tiefenbacher hat sich dem Melodram verschrieben, einem Melodram mit realistischem, heutigem Touch. Das Wetter spielt ähnlich verrückt wie die Nerven der Hauptfiguren. Es stürmt, es regnet, es scheint die Sonne – je nachdem, was die Geschichte braucht. Mit dem Tempo und der Kamera hält es Matthias Tiefenbacher ähnlich: in den Bildern spiegelt sich viel der Nervosität und der inneren Anspannung von Susanne, Lilli & Co. Ist die polarisierende Darstellung der beiden Elternhäuser ein bisschen scherenschnittartig ausgefallen und gibt es auch überflüssige Dialoge – so ist „Das Haus ihres Vaters“ keineswegs zugetextet und besitzen die Charaktere Dank der Darsteller eine große Lebendigkeit & Physis.
Der zweifachen Grimme-Preisträgerin Anneke Kim Sarnau brechen sehr nuanciert die Gesichtszüge zusammen, bevor sich nach und nach ein wenig Entspanntheit oder ein schmerzerfülltes Lächeln auf ihre Wangen legen. Besondere Kraft gibt auch Janina Stopper dem Film. Wie alle Darsteller ist ihr Spiel dem Realismus, der Psychologie ihrer Rolle, verpflichtet und nicht der Degeto-Schönwetter-Dramaturgie. Stopper ist ein Riesentalent – das zeigt sich in diesem Melodram, das nach Versöhnung lechzt, vielleicht sogar mehr als in einem herausragenden Drama. Fazit: ein melodram-politisch wichtiger Fernsehfilm.