Man soll ja gar nicht glauben, wie flott man in Neuseeland ist. In dieser Geschichte sausen die Leute zwischen Berlin und Auckland hin und her, wie unsereins die S-Bahn benutzt. Vielleicht lag’s aber auch daran, dass Neuseeland in Wirklichkeit der Drehort Südafrika war; da ist man natürlich viel schneller. Die Täuschung gelingt trotzdem perfekt: Wer noch nie in Neuseeland war, wird nicht daran zweifeln, dass es dort so aussieht. Weites Weideland, wollige Schafe, wogendes Meer, wallende Emotionen: So muss es sein, „down under“.
Auf den Kopf gestellt wird auch die Welt von Hanna Westphal (Maranow), Managerin eines global agierenden Berliner Molkereikonzerns, auf die innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Schicksalsschlägen niederprasselt. Sie muss verkraften, dass ihre Tochter, die für ein Jahr nach Neuseeland gegangen ist, für immer dort bleiben will: Judith hat einen Narren an Jan gefressen, dem Sohn eines Schafzüchters. Anstatt daheim Chemie zu studieren, wird sie in einem Biobetrieb Käse produzieren. Just diesen Betrieb will Hannas Konzern schlucken, und sie soll die Übernahme organisieren. Bioproduktion wäre dann aber nicht mehr drin, was nicht nur Judith verärgert, sondern auch Jans Vater Wolf (Lauterbach), denn der bekäme für seine ökologisch gewonnene Milch viel weniger Geld und müsste die Farm dicht machen.
Doch dann wird’s richtig kompliziert, denn irgendwie verliebt sich jeder in jeden, vor allem Hanna in den kernigen Wolf, der praktischerweise alleinerziehend ist wie sie, weil aus ihrem „Eheurlaub“ mit dem Gatten dank dessen junger Freundin eine Trennung wurde. Auch Tochter Mara verguckt sich in einen schmucken Maori-Burschen. Aber das schöne Gefühlsgebäude bricht in sich zusammen, als Jan und Judith kurz nach der Hochzeit verunglücken; Judith überlebt den Unfall nicht. Hanna kann das Jan nicht verzeihen und ist auch gegenüber Wolf nicht mehr unbefangen, weil Judith in seiner Obhut starb. Um das Vermächtnis der Tochter fortzuführen, steigt sie trotzdem mit eigenen Mitteln in den Milchbetrieb ein, verliert daraufhin erst ihren Job, dann die Zuneigung ihres Chefs und Liebhabers und schließlich das Vertrauen der jüngsten Tochter, die lieber in Berlin beim Vater bleiben will. Der wiederum ist zu allem Überfluss soeben zum vierten Mal Vater geworden.
Foto: Degeto
Was für eine Geschichte! Heftig dramatisch natürlich, aber immer wieder auch romantisch. Klar kann man Rodica Döhnerts Tragödiensammlung konstruiert finden, zumal auch diverse Details die Illusion immer wieder trüben: Gerade noch hat Hanna gramgebeugt und um Jahre gealtert in Neuseeland die Tochter beerdigt (natürlich bei Regen, obwohl sonst immer die Sonne scheint, und alle werden tropfnass), da trifft sie nach 24 Stunden Flug frisch wie der junge Morgen in Berlin ein. Auch verkehrstechnisch haben die Figuren keinerlei Anpassungs-Schwierigkeiten: Aussteiger Wolf stürzt sich bei einer Berliner Stippvisite trotz Rechtsverkehr mutig ins Großstadtgewimmel. Und selbstredend spricht wieder mal jeder perfekt deutsch.
All das aber ist egal, weil Regisseur Dietmar Klein („Der Wunschbaum“) diese Achterbahnfahrt der Gefühle ziemlich gut gelingt. Vielleicht wäre man ja auch weniger großzügig, wenn nicht Maja Maranow und Heiner Lauterbach das tragisch umflorte Liebespaar spielen würden. Während sie von Liebe bis Trauer das ganze Spektrum abarbeiten muss, bleibt er stets der markige, aber dennoch sensible Typ aus der „Outdoor“-Werbung; selbst der Hut steht ihm gut. Lauterbach ist trotzdem die perfekte Besetzung für den Naturburschen, zumal seine immer markanteren, mittlerweile auch leicht asketisch wirkenden Gesichtszüge nahe legen, dass es dieser Wolf im Schafpelz nicht immer leicht im Leben hatte.
Natürlich fotografiert Kameramann Johannes Geyer auch prächtige „Neuseeland“-Bilder, und zwischendurch sorgen Maori-Tänze für den unvermeidlichen Folklore-Touch. Trotzdem ist „Das Glück am anderen Ende der Welt“ ein Schauspielerfilm, wobei gerade die jungen Darsteller imponieren. Döhnert hat ihren Rollen allerdings auch die nötige Tiefe gegeben, so dass man gerade Hannas Töchter im Nu zu kennen glaubt. Vor allem Diane Willems und Karoline Teska, beide ungewöhnlich hübsch, werden gewiss Karriere machen. Letztlich funktioniert der Zweiteiler so gut, weil er von ganz alltäglichen Problemen erzählt: Wer Kinder so erzieht, dass ihnen Flügel wachsen, muss akzeptieren, dass sie eines Tages davonfliegen. Und weil in dieser Geschichte alle Elternteile über ihren Schatten springen, ist die Handlung bei aller Überhöhung stets glaubwürdig; von den großen Momenten ganz zu schweigen.