Das Geheimnis in Siebenbürgen

Stokowski, Böhm, Gryllus, Enlen. Suche nach Heimat – besser als Mörderraten

Foto: ZDF / Cos Aelenel
Foto Rainer Tittelbach

„Das Geheimnis in Siebenbürgen“ – der Titel täuscht – ist den berühmten Schatten der Vergangenheit weder im Krimi- noch im Mystery-Thriller-Format auf der Spur. Auch einem politischen Revisionismus redet er nicht das Wort. Was zählt, sind allein die Befindlichkeiten der Hauptfigur, eines Siebenbürger Sachsen, der vor 25 Jahren seine rumänische Heimat in Richtung Deutschland verließ. Vielleicht will der Film zu Vieles: auf Politik und Historie verweisen, eine Verdrängung bearbeiten, ein Trauma lösen, die Geschichte einer Ehe erzählen, ein aufgeklärter „Heimat“-Film sein, etwas von einer weitgehend fremden Kultur vermitteln und auch ein bisschen Wohlfühlfilm sein. Besser als das 999. Krimirätsel ist das allemal!

„Ich kann da nicht hin in dieses Land und ich kann nicht in dieses Dorf!“ Ein altes Trauma wird geweckt. Doch es hilft nichts, Lukas Schauttner muss zurück in seine alte Heimat: Der Teilhaber eines Berliner Beratungsunternehmens soll in Siebenbürgen eine Fabrik begutachten. Am besten platt machen, gibt ihm sein Kompagnon zu verstehen. Aber so groß die Vorurteile des 1987 mit seinen Eltern nach Deutschland ausgereisten Mannes auch sind – Lukas will fair prüfen, will sich nicht für die damals erlittene Schmach seiner Familie rächen. So richtig will er aber auch nicht mit der alten Geschichte herauskommen. Selbst seiner Frau gegenüber hat er immer geschwiegen, was seine Vergangenheit angeht. Saß sein Vater in Rumänien im Knast? Was hat die Securitate, die rumänische Stasi, gegen die Minderheit der Siebenbürger Sachsen unternommen? War Mara nur seine erste Liebe oder verbindet die beiden auch eine politische Geschichte? Lukas Schauttner ist in den Tagen der Rückkehr in sein Heimatdorf hin und her gerissen. Verdrängtes gerät wieder ins Bewusstsein. Die Menschen hier sind gastfreundlich, herzlich und sie sind arm. Ob die Fabrik zu retten ist? Ganz andere Fragen treiben den Heimkehrer um. Und dann stehen Lukas’ Frau und seine Tochter auf der Matte.

Das Geheimnis in SiebenbürgenFoto: ZDF / Cos Aelenel
Muss sich die Ehefrau Sorgen machen? Was steckt hinter dem Trauma ihres Mannes? Katharina Böhm

„Das Geheimnis in Siebenbürgen“ hieß als Arbeitstitel „Vertraute Fremde“ und sollte als Endtitel „Fremde Heimat“ heißen. Diese Titel hätten den Film von Martin Enlen besser getroffen. Offenbar waren die Titel schon vergeben (obwohl der Film schon etliche Premieren als „Fremde Heimat“ hatte). Der neue Filmtitel trügt. „Das Geheimnis von Siebenbürgen“ hat trotz desselben Autors nichts mit den „Spreewaldkrimis“ zu tun, ist weder Mystery-Thriller noch Provinzkrimi. Der Held begibt sich auf eine Reise in die Vergangenheit, auf der am Ende zwar ein „Geheimnis“ gelüftet wird, das aber nicht mehr als eine Randnotiz in einer Staatssicherheitsakte ist, obgleich es mehrere Menschenleben nachhaltig bestimmt hat. Die erzählte Geschichte ließ sich von den politischen Zuständen in Ceausescus Rumänien inspirieren, von dem Schicksal der Siebenbürger Sachsen, die einst als Hitler-freundlich galten und von denen viele nach dem Umschwenken Rumäniens in Richtung UdSSR nach Russland deportiert wurden. Genreästhetisch ist der Film dem Melodram verpflichtet. Die politischen Fakten sind relevant in Hinblick darauf, was sie mit den Menschen machen. Die Landschaft wird zur Projektionsfläche, die Wahrnehmung zum wichtigen Erkenntnisinstrument.

Emotionaler Kern des Films ist das Phänomen „Heimat“. Dieses existenzielle Gefühl ist das Thema, das sich neben der politischen Vergangenheitsbewältigung, die zugleich eine psychologische ist, am stärksten dem Helden ins Bewusstsein drängt. Dass dieses Thema auch beim Zuschauer ankommt, ist vor allem das Verdienst von Martin Enlens feinfühliger Regie, der umsichtigen Kamera von Philipp Timme und von Monika Abspachers gestalterischem Umgang mit dem Schnitt. Immer wieder schieben sich die alten vor die neuen Bilder. Der Film besitzt wenig real dargestellte Handlung. Trotz des Besuchs von Tochter und Ehefrau konzentriert sich alles auf die Befindlichkeiten der Hauptfigur, die Oliver Stokowski (nicht untypisch männlich) verschwiegen und doch nonverbal beredt zum Ausdruck bringt. Die Frauenfiguren sind stark, klar und knapp gezeichnet; sie werden präsent von Katharina Böhm und Dorka Gryllus gespielt. Die Schwelle zum Kitsch ist spürbar, doch sie wird nicht überschritten. Vielleicht will der Film zu Vieles: auf Politik und Historie verweisen, eine Verdrängung bearbeiten, ein Trauma lösen, die Geschichte einer Ehe erzählen, ein aufgeklärter „Heimat“-Film sein, etwas von einer weitgehend fremden Kultur vermitteln und damit auch ein bisschen Wohlfühlfilm sein. Der Film bringt das alles nicht so recht zusammen. Das aber kann der Zuschauer tun. Material hat er genügend. Besser als Mörderraten ist das allemal!

Das Geheimnis in SiebenbürgenFoto: ZDF / Cos Aelenel
„The first cut is the deepest.“ Oliver Stokowski und Dorka Gryllus. Vertraute Fremde nach mehr als zwanzig Jahren

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Oliver Stokowski, Katharina Böhm, Dorka Gryllus, Jürgen Tarrach, Dorothea Walda, Gudrun Ritter, Ernst Georg Schwill, Merab Ninidze, Anna Willecke

Kamera: Philipp Timme

Schnitt: Monika Abspacher

Musik: Dieter Schleip

Produktionsfirma: Aspekt Telefilm, Seven Film

Produktion: Doris Zander

Drehbuch: Thomas Kirchner, Rolf Silber

Regie: Martin Enlen

Quote: 4,33 Mio. Zuschauer (14,2% MA)

EA: 14.05.2012 20:15 Uhr | ZDF

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