„Das 100 Millionen Dollar Date“ – dieser Filmtitel ist ein ziemlicher Unfug, schließlich ist ein „Date“ in der Regel eine romantische Verabredung, und die steht in diesem Film gar nicht zur Debatte; zumindest nicht mit dem 100-Millionen-Dollar-Mann. Der Film hat ohnehin eine muntere Titelwechselei hinter sich. Zuletzt wollte Sat1 die Romanze mit Katharina Böhm und Jörg Schüttauf als „Rendezvous mit einem Millionär“ verkaufen, was gleichfalls falsch wäre. Wenn schon, dann hätte es „Milliardär“ heißen müssen, schließlich geht es um Bill Gates.
„Brief an Bill Gates“ hieß Martin Rauhaus’ hübsche Geschichte ursprünglich, was gleich auch die Verwandtschaft zu „E-Mail an Gott“ (ProSieben, 1999) signalisiert. Damals hatte sich ein kleiner Junge hilfesuchend an den lieben Gott gewandt, weil er einen neuen Papa brauchte. Dass der Adressat nun Bill Gates ist, deutet nicht nur einen gewissen Rollentausch an, sondern ist auch Voraussetzung für die gesamte Geschichte: Vor zwei Jahren ist der Vater des elfjährigen Oliver (Joel Eisenblätter) gestorben. Bill Gates, hat ihm der Vater mal gesagt, weiß alles. Weil der Junge ein paar dringende Fragen hat und Priester oder Religionslehrer in seiner säkularisierten Welt offenbar nicht vorkommen, schreibt er eben an den reichsten Mann der Welt: wo denn sein Vater jetzt sei, und warum man überhaupt sterben müsse.
In der Öffentlichkeitsabteilung von Microsoft (eine Nennung des Firmennamens wurde allerdings tunlichst vermieden) wird nach ebenso kurzer wie einseitiger Diskussion beschlossen, dass man auf Olivers Mail nicht weiter reagiert; und schon gar nicht Bill Gates. Antwort bekommt der Junge trotzdem, weil John Lindquist (Schüttauf) keck im Namen des Chefs schreibt und den Jungen, wie Amerikaner das eben so tun, nach Seattle einlädt. Das hat er nun davon: Kurz drauf stehen Oliver, Mutter Nika (Böhm) und ihre Freundin Barbara am Flughafen, und selbstredend entdecken Nika & John alsbald ihre Seelenverwandtschaft. Da das Regelwerk für romantische Komödien jedoch vorsieht, dass sich Heldin und Held zwar nach rund einer Filmstunde küssen, dann aber wieder dramatisch entzweien, muss, wie so oft, eine unbequeme Wahrheit ans Licht kommen. Hier erfährt Nika, dass John die Mail geschrieben und sie die ganze Zeit hinters Licht geführt hat; dabei war sie drauf und dran, den toten Gatten endlich loszulassen und dem Amerikaner ihr Herz zu schenken.
Hübscher als diese durchsichtige dramatische Zuspitzung ist die Stunde zuvor, denn es dauert eine taktvolle Weile, bis die Witwe ihren Gefühlen traut. Emotionskatalysator ist ausgerechnet Johns bärbeißiger holländischer Vater, der halb Seattle mit seiner Wasserpistole in Angst und Schrecken versetzt, immer wieder Ärger mit der Polizei bekommt und Johns Gespielinnen bislang regelmäßig vertrieben hat. Nika aber mag er auf Anhieb, und sie ihn auch. Kein Wunder: Chiem van Houweninge, unvergessen als Schimanskis Freund „Hänschen“, darf mit Hingabe den kapitalismuskritischen liebenswert Verrückten geben. Zumindest bei Vater und Sohn haben Rauhaus und Regisseur Josh Broecker auch sprachlich die Kurve gekriegt: Van Houweninge redet als Einwanderer sein lustiges Holländerdeutsch, Schüttauf spricht wie immer, weil Johns Großmutter Deutsche war. Die meisten anderen Amerikaner aber können ebenfalls perfekt deutsch. Einige sprechen allerdings mit amerikanischem Akzent, was vor allem dann seltsam klingt, wenn sich die Microsoft-Mitarbeiter untereinander unterhalten. Und der Mensch, der John in einer Kneipe die Nase demoliert, ist hörbar Österreicher.
Die Zielgruppe stört derlei erfahrungsgemäß weniger. Vielleicht hält sie es auch für ganz normal, dass sich Nikas Freundin Barbara während des Besuchs beim Therapeuten die Fußnägel lackiert. Andererseits ist sie eigentlich Schuld an der ganzen Sache, denn ihr Lieblingsfilm ist „Schlaflos in Seattle“, und als sich schließlich auch der Analytiker die Romanze mit Tom Hanks & Meg Ryan anschaut, versteht er sie endlich und reist ihr hinterher. Das ist eher unrealistisch, aber immerhin hübsch ausgedacht. Viel zu dick aufgetragen ist hingegen die Einleitung des romantischen Finales, als Johns Vater mit seiner Pistole Gates’ Bodyguards provoziert und sich Oliver allem Anschein nach in die Flugbahn der Kugel wirft. Im Krankenhaus liegt dann aber nicht etwa der Junge, sondern der Alte, denn er hat durch den Schreck einen Herzinfarkt erlitten; der Schuss war nur ein Warnschuss. Um so schöner ist die Szene, in der sich Nika und John verlieben: Nach dem Nasenstüber erzählen sie sich im Krankenwagen, wie der Abend wohl weitergegangen wäre. Geschickt komprimiert Rauhaus auf diese Weise den romantischen Prozess auf wenige Stichwörter, die man prompt mit den Erinnerungen an eigene (oder filmische) Erfahrungen illustriert.