Was für eine Geschichte! Zunächst erinnert „Dämmerung über Burma“ an William Wylers gut sechzig Jahre alten romantischen Klassiker „Ein Herz und eine Krone“: Die Österreicherin Inge Eberhard darf Mitte der Fünfzigerjahre dank eines Stipendiums im amerikanischen Denver studieren und verliebt sich dort in den gutaussehenden Asiaten Sao Kya Seng. Die beiden heiraten und reisen gemeinsam in seine Heimat Burma, wo der junge Mann mit großem Pomp empfangen wird: Er entpuppt sich als Herrscher der Provinz Shan. Der westlich orientierte Prinz ist fest entschlossen, dem feudalistisch regierten Land die Demokratie zu bescheren, aber beim Militär macht er sich mit seiner Auffassung, die Staatsoberen sollten dem Volk dienen und nicht umgekehrt, mächtige Feinde. Es kommt zu einem blutigen Putsch, in dessen Verlauf Sao verhaftet wird; auch Inge schwebt mit ihren beiden Töchtern in größter Gefahr. Die Ereignisse sind authentisch, das Drehbuch von Rupert Henning („Kleine große Stimme“) beruht auf der gleichnamigen Autobiografie von Inge Sargent (geborene Eberhard), die heute in Amerika lebt und von der „Dämmerung über Burma“ offenbar sehr bewegt war. Tatsächlich ist es Henning und der 2014 für einen Wiener „Tatort“ („Angezählt“) mit dem Grimme-Preis geehrten Regisseurin Sabine Derflinger gelungen, aus den Erinnerungen einen fesselnden Film zu machen, der dank des breiten Genre-Spektrums von der Liebesgeschichte übers politische Drama bis zum puren Nervenkitzel eine Vielzahl von Emotionen weckt.
Foto: Degeto / ORF / Patrick Brown
Trotz des Anspruchs erzählt die österreichisch-deutsche Koproduktion aber vor allem die Geschichte des Paares. Maria Ehrich ist jederzeit glaubwürdig als ebenso tatkräftige wie attraktive Kärntnerin, die dank ihrer Weltoffenheit und Liebenswürdigkeit die Herzen der Menschen in Burma so sehr erobert hat, dass sie dort auch über fünfzig Jahre nach ihrer Flucht immer noch ein großes Ansehen genießt; eine tolle Rolle für die immer noch sehr junge Schauspielerin („Ku’damm 56“), zumal ihre klassisch geschnittenen Gesichtszüge sehr gut in jene Jahre passen. Den Mann an ihrer Seite spielt der Thailänder Daweerit Chullasapya, der sowohl für fernöstliche Weisheiten wie auch für Saos moderne Ansichten das richtige Format mitbringt. „Dämmerung über Burma“ ist größtenteils in seinem Heimatland entstanden. Das heutige Myanmar erlebt zwar seit einigen Jahren zarte Demokratisierungstendenzen, aber angesichts der eindeutigen Haltung der Filmemacher und der vielen militärischen Szenen ist der Produktion davon abgeraten worden, an den tatsächlichen Schauplätzen zu drehen.
Dennoch hat der insgesamt sehr schön fotografierte Film (Kamera: Philipp Kirsamer) einige Schauwerte zu bieten. Allein die Szenen mit den vielen bunt kostümierten Komparsen zur Begrüßung des Herrscherpaars sind ein Augenschmaus. Allerdings bekommen die Einheimischen nicht allzu viel Tiefe, obwohl die vom Gefolge ehrfurchtsvoll Mahadevi genannte Himmelsprinzessin zu ihrer persönlichen Dienerin, der sie das Leben rettet, und ihrem Leibwächter, der sein Leben für sie gibt, enge Beziehungen aufbaut. Stärkere Konturen haben die dänische Diplomatin Elsa (Pauline Knof) und der österreichische Handelsattaché Fritz (Simon Schwarz), zumal beide am Ende maßgeblichen Anteil daran haben, dass Inge die Flucht gelingt. Immerhin verzichtet Derflinger darauf, die politischen Gegenspieler physiognomisch zu diskriminieren; der General, der sich schließlich an die Macht putscht, verhält sich zwar von Anfang an wie ein Schurke, sieht aber nicht wie einer aus.
Foto: Degeto / ORF / Patrick Brown
Auch die Entwicklung des Films von der exotischen Romanze zum bitteren Politdrama vollzieht sich schleichend. Nach den (in Österreich entstandenen) US-Szenen und dem feierlichen Empfang ist „Dämmerung über Burma“ geprägt vom Reformprojekt des weisen jungen Herrschers; etwa zur Hälfte fallen die ersten Schatten übers Land. Die entsprechenden Szenen beschönigen nichts; die Soldaten ermorden die einfachen Bauern und vergewaltigen deren Frauen. Am Ende, als es nur noch darum geht, das nackte Leben zu retten, sorgt die Regisseurin für angemessene Thriller-Dramatik. Inge und die Töchter bleiben zunächst zwar von körperlicher Gewalt verschont, doch das Bild des zerrissenen Teddys, das Derflinger mit den Aufnahmen vom gefolterten Prinzen kombiniert, ist beredt genug. In der bewegendsten Szene des Films hat sich Sao zuvor am Flughafen voller böser Vorahnungen von seiner Frau verabschiedet, und so ist das Drama auch die Verbeugung vor einem großen Mann, der eher bereit ist zu sterben, als seine Ideale zu verraten. Trotz des politischen Wandels in Myanmar hat Inge Sargent von der Regierung des Landes bis heute keine Information darüber bekommen, was ihrem Gatten vor gut fünfzig Jahren tatsächlich zugestoßen ist.