Herbert und Maria feiern Hochzeitstag. 35 Jahre haben sie es miteinander ausgehalten. Bereits in den ersten Bildern von „Copacabana“ spürt man, dass es nie die ganz große Liebe war zwischen den beiden. Man sieht, wie alltägliche Rituale und eingefahrene Rollenmuster die persönliche Freiheit einschränken. Maria will offensichtlich nicht mehr länger. Ihr Geliebter wartet sehnsüchtig. Doch sie kann sich nicht entscheiden. Ihr Mann weiß längst um ihre Affäre. Sie aber wahrt den Schein. Erst mal will sie das Familienfest über die Bühne bringen.
Maria ist eine kluge Frau, die weiß, dass sie zu oft ja gesagt hat in ihrer Ehe. Und Herbert spürt, dass er sie jetzt nach 35 Jahren verlieren könnte. Doch ein Charmeur war er nie und besonders geschickt ist er bis heute nicht – und so missglückt ihm selbst noch zum Hochzeitstag das Frühstück im Bett. „Du hast es so lieb gemeint“, sagt Maria mit pikiertem Blick. Gemeint hat sie: „Du bist ein Trottel.“ Auch eine romantische Kutschfahrt kommt bei ihr weniger gut an als erhofft. „Man kann 35 Jahre nicht mit ein paar netten Gesten aufpolieren“, sagt sie zu ihrer Tochter Angelika. Bei ihr hängt schon zu Beginn ihrer Ehe der Haussegen gehörig schief. Auch die Beziehung von Bruder Harald erfährt wegen eines Seitensprungs eine kleine Krise. Dagegen führt Laura der Familie wie immer ihre neueste „Errungenschaft“ vor. Der attraktive junge Mann weckt so manche Begehrlichkeiten. Dieser Hochzeitstag verspricht also alles andere, als ein stressfreies Familienfest zu werden.
Auf Xaver Schwarzenberger ist Verlass. Mindestens ein Mal im Jahr beweist der Österreicher, dass Unterhaltung auch intelligent und lebensklug zu machen ist und fühlt dabei am liebsten der Institution Familie auf den Zahn. Nach Weihnachtssatiren wie „Single Bells“ oder „O Palmenbaum“ oder der Monster-Schau „Muttis Liebling“ hat er sich bei „Copacabana“ ein wenig weiter in Richtung Drama bewegt. Doch zum Schmunzeln gibt es in der MDR/ORF-Koproduktion genug. Köstlich sind vor allem die Dialoge. Grimme-Preisträger Stefan Rogall erfand eine Familie aus dem gehobenen Mittelstand. Ihre Bildung bringt Schlagfertigkeit mit sich und großartig freche Dialoge. Fragt die Oma: „Wo hast du deinen Mann gelassen?“ Prompte Antwort der Enkelin: „Beim übrigen Gepäck.“ Ähnlich lakonisch auch der gelegentliche Bildwitz, für den insbesondere Devid Striesow und Erni Mangold als 85-jähriges „Showgirl“ zuständig sind. Mangolds Großmutter tänzelt mit Kopfhörer und MP3-Player durch den Film, immer auf der Suche nach dem Titel, auf den sie das letzte Mal getanzt hat mit ihrem geliebten Mann: „Copacabana“ von Barry Manilow.
Schwarzenbergers Film zeigt alle Qualitäten, die ein gelungener Konversationsfilm haben kann – vor allem ein gutes Ensemble. Neben Mangold und Striesow spielen Christiane Paul, Wotan Wilke Möhring und Friedrich von Thun. Für Bruno Ganz ist es die erste Rolle in einem deutschen Film nach seinem Hitler in „Der Untergang“. Und Nicole Heesters, die große Dame des Theaters, glänzt als hin- und her gerissene Maria. Für sie war es „eine heikle Rolle“, bei der es ihr darauf ankam, „die jahrelange Enttäuschung geschmackvoll zu spielen“. Die Tochter von Johannes Heesters nimmt nur selten Fernsehrollen an. Wolfgang Rademann und seinem „Traumschiff“ gab sie unlängst einen Korb. Bei „Copacabana“ aber konnte sie nicht nein sagen. Sie liebt diese Stoffe. „Es sind keine großen Geschichten, sondern Alltag; Schwarzenberger hat dafür einen sehr realen und klaren Blick“, so Heesters. „Es ist eine große Kunst, solche Familiengeschichten nicht harmlos und banal wirken zu lassen.“