“Fallen ist keine Schande, aber Liegenbleiben.” So das Lebensmotto des alternden Schlagerstars in Matti Geschonnecks “Comeback für Freddy Baker”. Eine ideale Maxime für eine Filmfigur, geradezu ein Versprechen auf existenzielles Drama und nostalgischen Flair. Wenn dann noch einer wie Mario Adorf eine solche Biografie zum Leben erweckt, kann nichts mehr schiefgehen. Da kann dann aus einem Fernsehfilm “eine Liebeserklärung an das Leben” werden, so wie es sich Regisseur Geschonneck und Autorin Hollinger erhofft haben.
Er war der deutsche “King of Herz und Schmerz”, bevor er mit seiner Band in die Staaten ging. Zurückgekehrt in die Heimat, will kaum noch einer etwas wissen von Freddy Baker. Seine “Schmachtfetzen” sind nicht mehr zeitgemäß. Ein nennenswertes Comeback erlebt er nur privat. Er begegnet seinem Sohn Nick, von dessen Existenz er nichts wusste. Schicksal spielt zunächst Nicks Freundin Ina, nicht ahnend, dass sie emotional bald mittendrin stecken wird in diesem Vater/Sohn-Konflikt: Aus Bewunderung für den reifen Charmeur wird mehr…
Seine Mutter habe ihm von dem Film abgeraten, erzählt Mario Adorf. “Sie fand es furchtbar, dass ich da mit einer jungen Frau eine Affäre anfange.” Adorf selbst mochte die Rolle und fand es nicht unpassend, dass sein ewiger “Gigolo” dem eigenen Sohn die Freundin ausspannt. “Freddy lebt von One-Night-Stands. Es ist einfach passiert und wie immer geht die Affäre nicht weiter.” Umgekehrt wird sich für viele Zuschauer die Frage stellen: Wie kann eine so junge, attraktive Frau auf einen so “alten Knacker” abfahren? “Zunächst besteht Inas Faszination für den älteren Mann in Bewunderung und Respekt. Das kippt dann wie so oft im Leben – und geht ins Erotische. Wahrscheinlich verwechselt sie da einige ihrer Empfindungen.” So erklärt sich Aglaia Szyszkowitz (“Bodyguard – Dein Leben in meiner Hand”) die Nacht ihrer Ina mit dem 40 Jahre älteren Mann. “Er hat Achtung vor den Frauen, und er hat tatsächlich Wärme und Geborgenheit für sie”, ergänzt Matti Geschonneck. “Alles Eigenschaften, über die sich Inas Freund Nick eher lustig macht.”
Kritik: “Comeback für Freddy Baker”
Er war ein Schlagerstar. Jetzt ist er der King der Kaffeefahrten. Die Herzen der Damen fliegen ihm zwar noch immer zu, doch mit dem großen Comeback will es nicht mehr klappen. “Aus. Vorbei. Schluss.” Freddy Baker fährt sich nachdenklich durch die silbergraue Mähne, das blütenweiße Show-Sakko ein Fall für die Mottenkiste. “Ich habe einen Sohn”, sagt er. Das fällt Baker spät ein. Und ebenso schnell scheint er es wieder zu vergessen. Zu verführerisch ist doch diese Ina, die Freundin seines Sohns. Fast 40 Jahre jünger. Armer Sohn, ewig junger Gigolo!
In “Comeback für Freddy Baker” ging es vor allem darum, wie man in der Niederlage seine Würde behält. Mario Adorf spielte ein Stehaufmännchen, dem das Leben mit all den Höhen und Tiefen noch immer Spaß macht. Föhnwelle und Valentino-Bärtchen saßen stets korrekt. Sein Image zwischen Respektsperson und Latin Lover trug zur Glaubwürdigkeit jenes liebenswerten Gigolos bei, der nur auf den ersten Blick wie ein Versager aussah. Der Film bestach durch Atmosphäre, in den Blicken und Gesten spürte man etwas vom Leben, von alten Wunden und neuen Versprechungen. Ein existenzielles Drama mit dem sympathischen Gestus des “Ich bereue nichts”. Den nostalgischen Flair steuerten Klassiker wie “Volare” bei, die Adorf zum Besten gab. Tatkräftig und very cool unterstützt von drei Mannen der Puhdys. Die steuerten auch das Leitmotiv bei: “Gigolo”, ein Ohrwurm erster Güte. Ähnlich wie der Film von Matti Geschonneck: nachdenklich, vom Leben geschrieben und von einem angenehm fließenden Rhythmus getragen.
Freddy Baker ist also durchaus eine ambivalente Figur. “Ein Stehaufmännchen, mal liebenswert, mal eher lächerlich. Kein Verlierer, ein Überleber”, findet Adorf. “Ein Mensch mit Saft und Kraft, ein Vollblut”, charakterisiert ihn Geschonneck (“Reise in die Nacht”), einer, dem man wünsche, “dass er so lange weitermacht, bis er auf der Bühne stirbt”. Baker ist kein abgehalterter Schlagerfuzzi, dem die Erfolge von Gestern das Gehirn vernebelt haben. Er hat den Traum vom Comeback, aber er ist Realist genug, um dessen Aussichtslosigkeit früh genug zu erkennen. Man spürt in diesem Film Geschonnecks “große Hochachtung vor Menschen, die es schaffen trotz großer Rückschläge ihre Würde zu behalten”. Es ist ein wunderbarer Film, atmosphärisch und bei aller Dramatik eher leise und mit Lakonie erzählt.
“Comeback für Freddy Baker” ist kein Musikfilm. Dennoch spielt der jeweilige Sound der Generationen eine entscheidende Rolle in diesem außergewöhnlichen Fernsehspiel. Denn auch Nick (überzeugend: Felix Eitner) ist Musiker, doch noch hat er Probleme seinen Weg zu finden. Die gemeinsame Musikleidenschaft ist es, die Vater und Sohn näher zusammenrücken lässt. Und mit Adorf als zugkräftigem und gesangsstarkem Frontmann war es klar, dass ein paar Konzert-Auftritte im Film nicht fehlen durften. Damit bei diesen Musik-Nummern die Post abgeht, verpflichtete Geschonneck drei Musiker der DDR-Legende Puhdys, die auch ihren Ohrwurm “Gigolo” beisteuerten. “Wir haben das Drehbuch gelesen und uns sofort entschieden mitzumachen”, betont Dieter “Maschine” Birr. Als Schauspieler ist es ihr Debüt, als Filmkomponisten taten sie sich bereits hervor: Ihre Rhythmen machten “Die Legende von Paul und Paula” zu einem DDR-Kultfilm. (Text-Stand: 30.12.1999)